Also ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann die Vermutung des Therapeuten nicht nachvollziehen.
Ich schon. Warum, habe ich ja bereits geschildert.
Vor allem, da die TE schreibt, dass sie in ihrer Kindheit recht kontaktfreudig war, nur eben oft nicht gemocht wurde. Menschen mit Asperger sind sich gerade als Kind meistens selbst genug und zeigen sehr wenig Interesse an anderen. Auch die ganz normal funktionierende Kommunikation schon seit der frühen Kindheit an passt nicht dazu.
Es gibt eben auch Aspies, die durchaus Kontakt wünschen, auch als Kind, das aber nicht hinbekommen.
Das mit der Kommunikation habe ich so verstanden, dass die TE zwar "normal" sprechen konnte, also Wörter und Sätze bilden konnte, aber eben nicht geschafft hat, so zu kommunizieren, dass es zu erfolgreichen Kontakten geführt hätte. Zur Kommunikation gehören ja auch, sogar zu einem sehr großen Teil, Mimik und Gestik, nonverbale Signale, und da hapert es bei Autisten am ehesten.
Ich konnte früh sprechen. Gar kein Problem. Mein Kommunikationsproblem war (und ist oft immer noch), dass ich die Leute zuquatschte, nie gemerkt habe, wann sie kein Interesse am Thema (mehr) hatten. Und das ist auch Asperger! Sehr schön im Film "Adam" dargestellt in einer Szene, in der seine Freundin ihn anstößt, damit er merkt, dass sein Gegenüber bereits geraume Zeit gelangweilt ist.
Die Kommunikationsprobleme beim Asperger-Syndrom können sich also sehr unterschiedlich zeigen, nicht zwingend dadurch, einfach nichts oder wenig zu sagen.
Eine Bekannte von mir mit Borderline hat mal in einem Berufsfördergunswerk für behinderte Menschen zwei echte Asperger kennengelernt. Sie sagte, man konnte mit denen überhaupt kein normales Gespräch führen.
Wenn sie in einem BFW arbeiten, sind sie ziemlich wahrscheinlich auch eher auffälligere Aspies, evtl. auch mit Komorbiditäten. Es gibt aber auch Aspies, die unauffälliger sind, es in einen normalen Job schaffen, eine Familie gründen ...
Ich habe schon wesentlich mehr als zwei Aspies RL getroffen. Und ich schätze, die meisten davon würdest du nicht als irgendwie "beeinträchtigt" erkennen, wenn du sie träfest, geschweige denn, dass du sie dem Autismus-Spektrum konkret zuordnen könntest. Einige davon würdest du vielleicht kauzig, nerdig oder sonst irgendwie etwas seltsam finden, evtl. von dem ein oder anderen zügig auch genervt sein, mehr aber wahrscheinlich nicht.
Ich kann verstehen, wenn man sich da schon sehr angegriffen fühlt, wenn ein Therapeut so etwas vermutet und zur einer Untersuchung in einem Autismus-Zentrum rät!
Wenn jemand Autist ist, ist er es seit seiner Geburt. Die Diagnose ändert nichts an der Person, bringt aber Klarheit und die Möglichkeit, sich und seine Umwelt endlich besser verstehen zu lernen.
Wenn jemand kein Autist ist, wird die Diagnose das bestätigen und die Suche, woher derjenige seine Probleme hat, geht in anderer Richtung weiter.
An der Diagnostik ist also überhaupt nichts Schlimmes. Sie ist ein Schritt auf der Suche.