Ich habe jetzt erstmal nur deinen ersten Beitrag gelesen und die folgenden außer Acht gelassen. Die lese ich später.
Als erstes eine Frage:
Aufgrund meiner Schilderungen will mir der Therapeut jetzt den Asperger-Autismus andichten
Findest du Autismus schlimm? "Andichten" deutet darauf hin, dass du das schlimm findest. Warum?
Aus weiteren Teilen deines Textes schließe ich, dass du ein falsches Bild vom Asperger-Syndrom hast und etwas schlimm findest, was du gar nicht ausreichend kennst!
So, nun zu meiner Ansicht deines Textes:
Was du da als ADS-Symptome auflistest, sind großteils Asperger-Symptome.
- Problemen in der sozialen Interaktion (es fällt mir teilweise schwer die Körpersprache anderer richtig zu deuten und von meiner Seite aus Körpersprache so zu vermitteln, daß andere gleich verstehen wie ich etwas meine. Wenn mir jemand blöd kommt, weiß ich meistens nicht, wie ich reagieren soll)
- Schwierigkeiten Kontakte aufrecht zu halten aufgrund von vielen Missverständnissen, d.h. mir fällt es manchmal schwer die Gedankengänge und Meinungen anderer nachzuvollziehen
- Probleme auf Menschen zuzugehen weil ich schüchtern bin und nicht weiß wie ich sie in ein Gespräch verwickeln soll
- geringe Belastbarkeit und Konzentrationsschwäche
- langsames Arbeitstempo
- geringe Flexibilität im Arbeits- und Privatleben
- soziale Naiviät (ich kann die Absichten anderer schwer erkennen)
- hohe Geräuschempfindlichkeit (ich bekomme fast Anfälle beim Heulen der Krankenwagensirene, ich kann nicht schlafen, wenn im Wohnzimmer neben meinem Schlafzimmer die Uhr tickt und muss sie über Nacht von der Wand nehmen), es macht mich aggressiv wenn mir jemand kaugummiknatschend gegenübersitzt oder Leute beim Essen schmatzen
- kein Teamgeist
- gestörte Grobmotorik und fehlende Körperspannung
Danach schilderst du, was deiner Ansicht nach NICHT zu Asperger-Autismus passt. Aber es passt!
Ich war als Kind ziemlich kontaktfreudig, habe es nur manchmal etwas unbeholfen angestellt, aber Interesse an anderen war ja gegeben. Ich hatte nur nie die Fähigkeit Freundschaften einzugehen. Das lag aber nicht an mangelndem Interesse meinerseits, sondern daran daß mich die Kinder meistens nicht mochten.
Viele Aspies WOLLEN gerne Freundschaften eingehen, manche sind sogar eher distanzlos statt zurückgezogen, beides basiert auf dem gleichen Problem:
Der mangelnden Fähigkeit, Freundschaften einzugehen und aufrecht zu erhalten!
Längst nicht jeder Aspie hat gar nicht erst Interesse daran, sondern eben bloß ein Problem damit!
Ich lernte ganz normal sprechen und konnte dementsprechend auch ganz normal kommunizieren, auch wenn ein paar bösartige Leute mir unterstellten, manche Wörter komisch auszusprechen.
Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus durch die zeitlich normale bis frühe Sprachentwicklung! Passt also auch.
Ich sprach wohl immer sehr leise und tue es auch heute noch. Das liegt sicher an meiner Schüchternheit, aber ich selber merke es ja nicht. Für mich klingt mein Sprechen nach ganz normaler Lautstärke.
Auch das ein Symptom des Asperger-Autismus: Probleme mit der Wahrnehmung der eigenen Lautstärke beim Sprechen.
Ich war eine durchschnittliche Schülerin und hatte fast in allen Fächern durchschnittliche Leistungen. Habe also keine für Autisten typische Sonderbegabung.
Wenn du mit Sonderbegabung das meinst, was bei Rain Man gezeigt wird, muss ich dich enttäuschen. Das ist eine Inselbegabung/Savant-Syndrom. das haben weit unter 0,1 % aller Autisten.
Viele Aspies haben aber sogenannte Spezialinteressen. Also ein oder mehrere Themen, die ihnen extrem wichtig sind und mit denen sie sich sehr stark beschäftigen. Dadurch erlangen sie oft ein großes Wissen in diesen Gebieten. Aber auch das hat nicht jeder Aspie!
Um Frust abzubauen, verletzte ich mich kurze Zeit mal selber, aber das war nur eine Phase. Genauso wie ich ein Jahr lang mal eine Essstörung hatte.
SVV tritt durchaus auch bei Autismus auf, aber aus anderen inneren Gründen als bei anderen Störungen. So wie ich das hier lese, auch mit der Essstörung, ist es eher eine Komorbidität. Wobei auch Probleme mit Nahrung sehr typisch autistisch sind, aber in der Regel nicht in Form einer Essstörung wie Bulimie oder ähnlichem. Es ist eher ein von Geburt an bestehendes Problem mit verschiedenen Geschmäckern, Farben, Geruch oder Konsistenz im Mund. Relativ typisch wäre zum Beispiel, nicht zwei verschiedene Speisen zeitgleich im Mund haben zu wollen, also zum Beispiel die Kartoffeln und das Fleisch nur getrennt zu essen. Aber auch das haben nicht alle Autisten. Denn kaum ein Autist hat alle Symptome.
Trotzdem will der Therapeut mir jetzt quasi eine Behinderung zuschustern, obwohl Autismus fast nur beim männlichen Geschlecht auftritt!
Das ist ein Irrglaube! Momentan wird wohl davon ausgegangen, dass Männer vier Mal häufiger "betroffen" seien, also 4
. Da aber weibliche Aspies oft weniger auffallen aus verschiedenen Gründen, bin ich mir da nicht so sicher, ob das so haltbar ist.
Dazu mal hier ein Artikel:
«Autistische Mädchen fallen kaum auf» - News Wissen: Medizin & Psychologie - bazonline.ch
Er meinte, ich hätte zu viele Probleme privat und beruflich. Dieses massive Handicap könnte nicht nur auf ADS zurückzuführen sein.
Was würdet ihr machen?
Diese Therapie auch wieder abbrechen?
Ich kann und werde dir hier keine Diagnose stellen oder einreden. Doch scheint mir der Verdacht auf Asperger-Autismus längst nicht so weit hergeholt, wie er dir erscheinen mag. Nimm deinen Therapeuten ernst, lass das doch einfach mal abklären. Geh dazu zu einem auf Autismus spezialisierten Psychiater, damit keine Fehldiagnose gestellt wird.
Evtl. hilft dir auch der Austausch mit Aspies, zu schauen, ob und wie weit du dich da wiederfindest. Es gibt Boards und Chats, wo sich Aspies austauschen. Manche Aspies bloggen auch.
Und leg deine Abneigung gegen die Begriffe "Autismus" und "Behinderung" ab. Letzterer Begriff ist doch nur sozialrechtlich wichtig, damit Aspies die Möglichkeit haben, Hilfen zu bekommen, wenn sie welche brauchen.
Solltest du die Diagnose Asperger-Syndrom bekommen, denk auch mal so:
Die Diagnose ändert dich nicht! Sie macht dich nicht plötzlich behindert! Sie gibt nur dem einen Namen, was du schon seit deiner Geburt bist, wenn es denn so ist. Und das kann hilfreich sein.