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David Banner
Gast
Hallo Joey,Hallo!
Ich habe ein "Problem" mit einem alkoholabhängigen Mitglied meiner Familie, meiner (2 Jahre jüngeren) Schwester.
Dass sie Alkoholikerin ist, steht fest, das ist nicht nur eine Befürchtung.
Ich habe seit einiger Zeit nur noch sehr, sehr wenig Kontakt zu ihr, was mir nach diversen Katastrophen (Anrufe morgens um halb vier "Ich kann mich nicht bewegen, was soll ich tun" etc) gut tut. So langsam kriege ich mein eigenes Leben wieder auf die Reihe und denke, dass ich das akute Co-Problem langsam in den Griff kriege.
Meine Frage an euch:
Wie geht ihr mit der Wut um?
Ich bin diffus wütend, weil:
- sie mit ihrem Verhalten meine Familie zerstört hat
- meine Mutter an ihr festgehalten hat, obwohl das Leben mit ihr unerträglich war
- ich nicht früher irgendwas unternommen habe und da ausgezogen bin
- sie mich früher immer beschimpft, beleidigt, ausgelacht hat
- sie mich im Umfeld blamiert hat
- sie einfach nicht kapiert, dass nicht die ganze Welt böse ist, sondern dass ihr Verhalten verursacht hat, dass sie ist, wo sie ist
- sie immer nur sich sieht und was ihr angetan wurde
-...
Die Liste ist lang. Ich bin auf meine Mutter, auf mich, auf sie wütend. Aber jetzt ist sie ja "krank" und es gibt da dieses kindliche Bewusstsein in mir, das denkt, Kranken kann man nichts vorwerfen. Argh!
Ich dreh mich ein bisschen im Kreis und wär froh, mal eine Stimme von außen zu hören, die da ganz unbefangen herangeht.
Danke!
eine richtige 100 % Antwort gibt es (meiner Meinung nach) hierbei kaum.
zur Wut auf Deine Mutter:
Einerseits ist die Wut auf Deine Mutter wahrscheinlich daherkommend, dass Du denkst, Deine Mutter müsste sich anders verhalten gegenüber Deiner Schwester - Die Mutter ist allerdings selbstverantwortlich - oder anders: wenn Du Deine Wut in Abhängigkeit zu dem Verhalten Deiner Mutter setzt, bist Du abhängig; und hast als einzige Chance die Hoffnung, dass Deine Mutter ihr Verhalten ändert.
Also der Stressfaktor auf Deine Mutter ( Deine Wut betreffend) kann evtl. reduziert werden; wenn Du es annehmen kannst, dass Deine Mutter ihr Verhalten so händelt, wie sie es möchte und kann.
Ich gehe davon aus, dass dies sehr schwer ist, einem nahestehenden Menschen diese Freiheit einzuräumen, dass er sein Verhalten so händeln kann, wie er das möchte ( Ich drücke Dir dabei die Daumen, dass Du es schaffst, gelassener gegenüber dem Verhalten Deiner Mutter zu werden; denn falls Du es schaffst, dann wirst Du hierbei Erleichterung finden; Deine Wut betreffend).
zur Wut auf Deine Schwester:
mm... klingt wie ein schwerer Vorwurf, wenn Deine Schwester die Familie zerstört hat. Wenn dem so ist (das setze ich voraus), dann haben die Angehörigen Deiner Familie (vermutlich) ein ähnliches Problem wie Du mit ihrem Verhalten zu Deiner Schwester. Denn: wenn jemand krank ist, und die wollen vielleicht gerne die Schwester verantwortlich sehen für ihr Handeln, dann reagieren sie vermutlich genervt auf das Verhalten der Schwester.
Inwieweit es besser ist, dann eher gelassener auf das Verhalten der Schwester zu reagieren, oder der Schwester Aufmerksamkeit zu schenken... - die Grenzen werden mitunter fliessend, wenn jemand nervlich erkrankt ist ( habe sowas ähnliches mal erlebt)... also es ist ja vermutlich keiner in Deiner Familie ein ausgebildeter Therapeut, Psychologe oder ähnliches ( wobei die vermutlich bei Ihrer eigenen Familie auch anders, als in den Lehrbüchern, reagieren würden)... der die Sache entsprechend distanziert beurteilen könnte; und einzuschätzen vermag, was Deiner Schwester am ehesten hilft.
Das eigentliche Problem ist meiner Meinung nach: Das Verhältnis zu optimaler Hilfe für Sie; und im Umkehrschluß auch: die eigene Einsicht - inwieweit vermag Deine Schwester sachlich ihr Problem zu artikulieren? Inwieweit vermag Deine Schwester sachlich nach Hilfe zu bitten?
Denn ab dem Punkt, wo Deine Schwester selber ihre Situation erkennen kann, kann die Hilfe viel besser sie erreichen.
Und ich kann mir gut vorstellen, dass der Prozess zwischen Wut, Hilflosigkeit, Helfen wollen und teils Gleichgültigkeit hin- und herschwenkt...
Und mitunter ist die Entscheidung eine Entziehungskur für die Schwester zu beschließen nach aussen vielleicht ein guter Gedanke... - aber so kann das Leben ein Leben lang ein Mysterium bleiben; wenn Deine Schwester diese Einsicht bei sich selber keinesfalls hat; sondern sich (unterbewusst womöglich) über Anerkennung und Beachtung von der Familie freut; weil sie so sich gesehen fühlt... und vielleicht selber schlecht bemerkt, wie es ihr wirklich geht - und was sie den anderen antut... -
Das alles ist von aussen schwer zu beurteilen - Du kannst im Grunde zwischen 2 Extremen wählen:
1.) Deine Schwester ist zurechnungsfähig und erkennt ihr Problem; dann ist sie auch verantwortlich für ihr Handeln; und Deine Wut ist berechtigt, wenn sie offensichtlich der Familie schadet...
2.) Deine Schwester ist in ihrem Krankheitszustand auf schwer nachvollziehbare Weise gefangen... und es ist schwer eigene Einsichten von ihr zu hören - in diesem Fall würde ich die Wut nochmal überdenken..
In jedem der beiden Fälle ist es genauso wie bei der Wut auf Deine Mutter:
Nämlich: Es ist die Wut auf jemand anderen. Welche Garantie Dir deine Schwester geben kann, ihr Verhalten zu ändern... ist schwer zu sagen - auf jeden Fall auch hier: wenn Du dich abhängig von der Erwartungshaltung gegenüber dem Verhalten Deiner Schwester ( betreffend Deiner Wut) machst, dann kann es sein, dass Du länger auf sie wütend sein wirst.
Entspannender wäre die Einsicht, wenn Du es (irgendwie) hinnehmen könntest, dass Deine Schwester (vermutlich nur zum Teil) ihr Verhalten selber bewusst steuert; und somit verantwortlich ist.
Dann könnte Dich diese Wut kaum in Beschlag nehmen.
zur Wut auf Dich selbst:
( Das Du nicht früher reagiert, und da weg gezogen bist):
- Das ist die Situation, wo Du am Meisten etwas für Dich aktiv tun kannst.
Wie Du über Dich selber denkst.
Wie hart Du über Dich urteilst, was Dein Verhalten (z.b. früher da weg zu ziehen) angeht.
Wenn Du dir selber leichter, oder eher verzeihen kannst; bzw. lernen kannst Dir zu verzeihen und Fehler einzuräumen...
dann wirst Du schon bald bei der Wut auf Dich selber Dich erleichtert fühlen, weil die Wut verschwinden wird.
Liebe Grüße
David
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