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(Co-)Alkoholiker und Wut auf den Alkoholiker trotz eingeschränkten Kontakts

J

Joey_Silver

Gast
Hallo!

Ich habe ein "Problem" mit einem alkoholabhängigen Mitglied meiner Familie, meiner (2 Jahre jüngeren) Schwester.
Dass sie Alkoholikerin ist, steht fest, das ist nicht nur eine Befürchtung.

Ich habe seit einiger Zeit nur noch sehr, sehr wenig Kontakt zu ihr, was mir nach diversen Katastrophen (Anrufe morgens um halb vier "Ich kann mich nicht bewegen, was soll ich tun" etc) gut tut. So langsam kriege ich mein eigenes Leben wieder auf die Reihe und denke, dass ich das akute Co-Problem langsam in den Griff kriege.

Meine Frage an euch:
Wie geht ihr mit der Wut um?

Ich bin diffus wütend, weil:
- sie mit ihrem Verhalten meine Familie zerstört hat
- meine Mutter an ihr festgehalten hat, obwohl das Leben mit ihr unerträglich war
- ich nicht früher irgendwas unternommen habe und da ausgezogen bin
- sie mich früher immer beschimpft, beleidigt, ausgelacht hat
- sie mich im Umfeld blamiert hat
- sie einfach nicht kapiert, dass nicht die ganze Welt böse ist, sondern dass ihr Verhalten verursacht hat, dass sie ist, wo sie ist
- sie immer nur sich sieht und was ihr angetan wurde
-...

Die Liste ist lang. Ich bin auf meine Mutter, auf mich, auf sie wütend. Aber jetzt ist sie ja "krank" und es gibt da dieses kindliche Bewusstsein in mir, das denkt, Kranken kann man nichts vorwerfen. Argh!

Ich dreh mich ein bisschen im Kreis und wär froh, mal eine Stimme von außen zu hören, die da ganz unbefangen herangeht.

Danke! :)
 
T

Tztz...

Gast
"Wut", halte ich für unbegründet. Alkoholismus ist eine Krankheit wie jede andere.

Die Liste ist lang. Ich bin auf meine Mutter, auf mich, auf sie wütend. Aber jetzt ist sie ja "krank" und es gibt da dieses kindliche Bewusstsein in mir, das denkt, Kranken kann man nichts vorwerfen. Argh!
Sehe ich genauso.

Sie braucht Hilfe und Beistand - allerdings vor allem Respekt, da bin ich von überzeugt.
 
J

Joey_Silver

Gast
Hm, das ist ja eine sehr kurze Antwort.
Mit "Respekt" kann ich nicht viel anfangen, was meinst du damit?

Und dass sie Hilfe und Beistand braucht, trifft mit Sicherheit zu. Nur will und werde ich ihr die nicht mehr geben.

Die Frage war, wie ich als Angehöriger mit der Wut umgehe, nicht, was ein Alkoholiker braucht.

Wie lange warst du denn in diesem Abhängigkeitskonstrukt und wie bist du mit der Wut umgegangen?
 
Zuletzt bearbeitet:
T

Tztz...

Gast
Mein Papa war einer, und weshalb sollte ich auf ihn wütend gewesen sein? - Das meinte ich ja damit, dass kein Grund vorliegt, auf typische Verhaltensweisen von Suchtkranken böse zu sein, auch wenn das leicht gesagt scheint.

Mit "Respekt", meinte ich wohl, dass mein Vater ein stolzer Mann war, der mit Hilfeangeboten nichts anfangen konnte, die weder würde- noch respektvoll daher kommen, sondern schwere Eingriffe in die Rechte der Menschen vornehmen.

Dementsprechend ist er dann auch untergegangen, aber mit Würde, und das wünsche ich deiner Schwester nicht.

Ich wollte dich nicht damit beleidigen, aber ich sehe den Alkoholiker als Opfer, nicht den Co.
 
J

Joey_Silver

Gast
Nee,

kam wahrscheinlich grad schnippischer an als gemeint, weil ich das Thema auf das "zurückgekürzt" hab, was ich wissen wollte :)

Und nee, meine Schwester geht ohne Würde unter. Und ich will nicht mit unten aufschlagen, darum bin ich da raus.

Mann, das find ich ja echt bewundernswert, dass du ihm nichts vorwirfst!

Warst du niemals wütend, weil deine Kindheit anstrengend und ärgerlich war, weil der Alkoholiker sich schlimm verhalten hat zB andere bedroht hat? Hattest du nie diese wahnsinnige Angst, dass dem Alkoholiker was passiert, im Suff?

Wahrscheinlich habe ich das Wesen des Alkoholismus nicht verstanden, aber für mich sieht das so aus: Unser beider Leben war scheiße, sie hat sich aber aktiv fürs Saufen entschieden. Damit hat sie mich belästigt und darum bin ich wütend, weil ich mich um ein Familienleben betrogen fühle.

Danke für deine Antwort, jetzt bin ich am Grübeln.
 
T

Tztz...

Gast
Da war sicher auch ein bisschen Pech dabei, dass die Antworten von anderen, die Co.-Abhängigkeit mit Sicherheit anders sehen, noch nicht da sind.

Sicher kann ich dich auch verstehen, dass es nicht leicht ist, mit einer Schwester, die trinkt, wenn man sich selber zusammenreißt.

Soll ja auch nicht mein Problem im Mittelpunkt stehen, sondern deins. Hat mich wohl erinnert.

Und ne, ich war auf andere böse, die unsere Familie damals zerstörten, er konnte nix dafür, hat lediglich getrunken, natürlich auch mit all seinen Auswirkungen.

Bei mir als Kind ist das alles abgeprallt und was schief gelaufen: die Hetzkampagnen von Lehrern und Jugendamt, das hat sich nur ins Gegenteil verkehrt.

Ich war wohl damals schlauer als heute. :daumen:
 
J

Joey_Silver

Gast
Hm,

nach viel Gegrübel:

1) Ich werfe ihr vor, dass sie nicht ist wie ich und es nicht da (aus ihrer Gesamtsituation) raus schafft.

2) Das Leben früher war schon hart genug, bevor sie ausgetickt ist. Ich werfe ihr vor, dass sie mich noch mehr überlastet hat als ich ohnehin schon war. Ich war überfordert, aber es war noch aushaltbar, bis sie durchgedreht ist.

3) Wenn ich sage, dass sie krank ist, nehme ich mir selbst das Recht, wütend zu sein, weil man auf Kranke nicht wütend sein darf. Ich BIN es aber.
Und: Es entwertet diesen Scheiß, der mir mit ihr passiert ist. Es ist dann kein "Unrecht", es gibt keinen "Schuldigen", sondern es ist "Zufall". Es wird nicht gewertschätzt. Ich meine nicht mal, was ich für sie getan hab - das war meine eigene Entscheidung, da verlange ich keine "Dankbarkeit" oder sowas. Aber was ich mit ihr früher erlebt habe und wie schrecklich das war, geht damit unter, weil SIE ja "die Arme, die Kranke" ist.
Wurde mir letztens auch gesagt: Ich wäre ja die Normale und sie wäre die, die in ihrem Leben schon so viel Scheiß erlebt hätte. WTF?
Scheißopferrolle! Das geht mir sowas von auf den Sack! Es ist also "mehr wert" wenn man Alkoholismus als Lösung ansieht als wenn man versucht, entgegen aller Widrigkeiten ein normales Leben aufzubauen und zu halten. Muss man in diesem Scheißland eigentlich erst Junkie, Alki oder sonstwas sein, bis die Leute mal sehen, was man so durchhat? -.-''
Hm, wahrscheinlich nervt mich generell, dass ich auf dieser "sie ist immer die Gute"-Rolle festgenagelt werde und dass automatisch aus meinem jetzigen Leben geschlossen wird, ich hätte es immer leichter, einfacher, besser gehabt. *brainstorming*

4) Und wenn es "Zufall" ist, könnte etwas Derartiges jederzeit wieder passieren. Dann ist es unkontrollierbar.

Thanxx. Jetzt ist mir einiges klarer :)

Wieso warst du früher schlauer als heute? :)
 
T

Tztz...

Gast
Damals hätten die mich nicht reingelegt. :)

Alle sehr nachvollziehbar, deine Gedanken, und das bringt mich auch zum Nachdenken.

Ein Aspekt noch: Der Alkoholiker zahlt am Ende mit der Gesundheit und dem Leben, ist er nicht genug gestraft?
 
J

Joey_Silver

Gast
Oh nein, wir schaukeln uns gegenseitig mit Nachdenken auf :D

Es ist das eine, wenn sich einer umbringen will. Wir alle zahlen am Ende mit dem Leben. Und ich würd am Ende gerne sagen: Geschafft! Ich war glücklich! Ich habs so gemacht, wie ich es wollte und ich würds wieder so tun!

Ich wünsche den Alkis ja gar nichts Böses, keine Strafe. Ich würde ihnen wünschen, dass es ihnen gut geht, dass sie jemand liebt und dass sie für sich damit aufhören können, wenn sie es wollen. Ehrlich und von Herzen gemeint.

Aber ich finds nicht akzeptabel, dass man denen, die sich aus dem Dunstkreis nicht entfernen können, das Recht abspricht, wütend zu sein, diesem Ärger Luft zu machen und das dem Alki auch mitzuteilen. Ihnen wird durch den Alki ja was genommen. Er nimmt ihnen zumindest den Zugang zu dem Menschen, der er ohne Alk wär. Und ich kenne einen, der hats selber gemerkt, wo er drinsteckt, die Notbremse gezogen und sich einweisen lassen. War der dann "nicht so krank"? Das ist eine enorme Leistung von ihm, das find ich auch super. Aber: Ich merke auch, was aus seinem Kind geworden ist, wie es dem heute geht und was ihn - bedingt durch diesen Alkoholismus mit seiner Schweigekultur - behindert.

Das finde ich dann unfair zu sagen, der Co wäre nicht das Opfer. Es sind ja nicht nur Erwachsene, die den Säufer vor die Tür setzen könnten und es nicht tun.

Das Opfer ist der Alki, hast du gesagt. Der Mann war "Opfer" der DDR geworden, in der er übelste Schwierigkeiten hatte. Und trotzdem war es seine Entscheidung, zu trinken. Und er hat auch entschieden, wieder aufzuhören.
 

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