Natürlich ist das möglich. Aber ebenso gibt es Menschen, die Leute mit anderem Bildungsstand abwerten. Das gilt sowohl für Akademiker oder Leute mit Abi, die auf "Ungebildete" herabschauen, wie auch für Leute mit Quali oder Mittlerer Reife, die über "die Studierten" die Nase rümpfen (oder wie neulich erst auf einem anderen Forum jemand schrieb: Studierte hält er für "minderwertig" (sic!)). Alles schon erlebt.
Solche Leute einfach links liegen lassen ich schätze, die haben sonst nix, worauf sie sich was einbilden können, als dass sie vermeintlich besser sind als andere. Vielleicht ist manchmal auch ne Spur Neid dabei, auf die Fähigkeiten des jeweils anderen. Wer weiß? Wenn dein Freund und du euch gut versteht, dann reicht das doch? Es gibt noch mehr Leute, denen der Bildungsgrad egal ist.
Das sind wirklich ganz primitive Vorurteile. Ich bin selbst Akademikerin und mit einem Paar mit mittlerem Bildungsabschluss befreundet, das in vielerlei Hinsicht gebildeter ist als ich. Der Mann ist geschichtlich und auch, was Bergbau betrifft, äußerst bewandert. Wenn diese Leute reisen, machen sie neben ausgedehnten Wanderungen auch einiges an kulturellem Programm und Besichtigungen. Das alles wird bereits von zu Hause aus sorgfältig vorbereitet. Ganz abgesehen von den praktischen Fähigkeiten, in denen sie mir haushoch überlegen sind. Ich habe von ihnen aber auch umgekehrt noch nie etwas Abfälliges über Akademiker oder meinen Beruf gehört.
In der Verwandtschaft habe ich dagegen einen Handwerker (inzwischen im Ruhestand), der es durch Tüchtigkeit im Beruf weit gebracht hatte bis zu einer leitenden Position bei einem bekannten und renommierten öffentlichen Unternehmen. Abitur und Fremdsprachenkenntnisse hat er aber nun mal nicht. Seitdem er die Stelle hatte und weiter aufstieg, ging es nur noch um die Größe seines Büros, die 80 Leute, die er angeblich "unter sich" hatte, die Dienstreisen nach Dubai, Schweden, Moskau, China etc. - und auch ansonsten nur um materielle Dinge wie die drei Häuser im Besitz seiner Familie, Urlaubsziele, Automarken, Diensthandys etc. Selbst als er bereits Ende 60 und bereits seit Jahren im Ruhestand war, waren das noch seine beherrschenden Themen. Über seinen Schwager, der ebenfalls mit Volksschulabschluss als gelernter Feinmechaniker und tüchtiger technischer Beamter vom mittleren in den gehobenen Verwaltungsdienst aufgestiegen war, zog er her, weil dieser nur ein aus wenigen Personen bestehendes Team leitete. Dessen Sohn, einen Gymnasiasten mit Bestnoten, bezeichnete er hinter dessen Rücken spöttisch als den "Professor"; heute ist dieser Neffe Oberarzt an einer Uniklinik. Frauen in akademischen Berufen wurden ebenfalls abgewertet, Richterinnen mal in meiner Gegenwart als "Tussen" bezeichnet, die von den "technischen Gutachten, die sie vorgelegt bekommen, keine Ahnung haben". Für mich ist der Bildungsneid, der aus diesen Worten spricht, offensichtlich.
Da kann mir keiner erzählen, nur Akademiker würden Nichtakademiker abwerten. Das läuft umgekehrt ganz genauso und ist nicht eine Frage der Bildung, sondern des Charakters. Von Menschen, die so getypt sind, dass sie andere pauschal abwerten, sollte man abrücken, was ich dann auch getan habe.
Auch für eine Freundschaft sind sie - völlig unabhängig von ihrem Bildungsniveau - denkbar ungeeignet.