Hallo Fussel,
das tut mir sehr leid, ich kann mir vorstellen, dass das sehr schmerzhaft ist.
Was die Gründe Deiner Tochter sind, da können wir nur spekulieren. Für mich klingt es so, dass Ihr eine sehr enge Verbindung hattet, du schreibst: Ihr Beide durch dick und dünn.
Aber das kann auch problematisch für ein Kind sein. Manchmal entsteht da auch eine ungesunde Symbiose und es geschehen viele große oder kleine Übergriffe, Grenzen sind verschwommen und werden überschritten, das alles oft unbewusst und in keiner bösen Absicht.
Zum Beispiel erzählst du
Meine Tochter ist 37 Jahre alt, hat und will keine Kinder. Auch damit bin ich fertig geworden, ohne ihr in ihr Leben reinzureden. Ich habe ihr nur gesagt, dass ich glücklich bin, dass ich mich für ein Kind entschieden hatte, als ich noch jung war und das ein Kind zu haben wunderbar ist.
Diese Formulierung finde ich sehr aufschlussreich. Du bist auch damit fertig geworden (mit was denn noch?), also war es für dich schwer, du musstest erstmal damit fertig werden.
Wir hier wissen nicht, was du ganz genau zu ihr gesagt hast, das können schon kleine Bemerkungen oder auch Mimik und Gestik sein. Ich glaube schon, dass deine Tochter weiß, dass diese ihre ureigene persönliche Entscheidung über ihr Leben etwas ist, womit du fertig werden musst.
Dann sagst du zu ihr “ja nur“, dass du glücklich bist, dich für ein Kind entschieden zu haben und dass ein Kind zu haben wunderbar ist.
Ist deine Tochter zu dir gekommen und hat gesagt “Ich habe mich entschieden, dass ich keine Kinder möchte. Wie siehst du das denn, meinst du, dass das die richtige Entscheidung ist?“
Wenn sie das nicht gemacht hat, ist deine Aussage übergriffig und manipulativ. Es geht dich nämlich überhaupt nichts an, auch wenn du es gerne anders hättest. Und es macht ihr ein schlechtes Gewissen.
Das könnte sie auch mit ihrer Aussage meinen, dass Ihr verschiedene Lebenseinstellungen habt. Und vielleicht hat sie damit kein Problem, sondern du. Und deswegen geht sie auf Abstand.
Mein Rat an dich ist, ihre Entscheidung zu akzeptieren. Sie braucht das jetzt und ich verstehe das.
Wenn ihr Vater sie in manischen Phasen bedroht hat, deine Mutter, also ihre Großmutter übergriffig war und du sie beschützen musstest. Dann gibt es sehr wohl einen Grund für eine Therapie, deswegen verstehe ich nicht, warum das angeblich nicht notwendig ist.
Und ebenso lege ich dir ans Herz, ebenfalls eine Therapie zu machen. Weil so etwas durchmachen nicht nur für sie schwer war, sondern auch für dich und Spuren bei Euch Beiden hinterlässt.
Auch ich hatte mit Mitte 30 den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen und Therapie gemacht.
Sie hat ebenfalls Therapie gemacht und so gelernt, wirklich hin zu sehen, ihre Fehler zu erkennen und wirklich zu verstehen, welche Dynamiken da abgelaufen sind.
Sie hat sich bei mir während ihrer Therapie mit Hilfe des Therapeuten ehrlich in einem Brief entschuldigt, mir ohne Vorwürfe mitgeteilt, dass sie meine Entscheidung versteht, respektiert und akzeptiert. Und signalisiert, dass sie trotzdem immer da ist, falls ich doch wieder Kontakt möchte. Das war aber erst möglich, als sie es wirklich verstanden hatte, anders hätte mich ein Brief von ihr nur verärgert, weil alle Worte vor der Therapie mich nur noch mehr verletzt haben.
Ich habe meine Zeit gebraucht und bin dann irgendwann nach Jahren von alleine wieder auf sie zugegangen. Wir verstehen uns besser als je zuvor, ohne ungesunde Dynamiken, dieser Abstand war absolut heilsam für uns Beide.