Du, das Prinzip funktioniert hier andersherum, es geht ja um dich und nicht darum, was ich oder eine andere Internetquelle dazu sagt.
Wie fühlt es sich denn für dich an, deine Emotionen in kognitive Watte zu packen, und wie nimmst du deine eigenen Emotionen wahr, wenn du die kognitive Watte entfernst? Wie gehst du damit um, erlebst du das überhaupt?
Darkside
Hallo Darkside,
Zugegebenermaßen fällt es mir nicht leicht, diese Fragen im Einzelnen zu beantworten. Daher versuche ich es in einem Kontext. Beginnen möchte ich jedoch mit Deiner dritten Frage, da dieser Fall tatsächlich eingetreten ist:
"Wie tief würdest du fallen, wenn an vorzeigbaren Erfolgen nichts mehr bleibt, sondern du dich ausschließlich dir allein in deiner Nacktheit widmen musst?"
Ich hatte viele Jahre eine sehr hohe Position in der Wirtschaft. Ich bin damals ins kalte Wasser geworfen worden und habe überlebt. Sogar mehr als das, ich habe nicht nur überlebt, sondern war dabei auch äußerst erfolgreich. Ich erfuhr von allen Seiten Anerkennung durch Lob, Respekt und Bestätigung. Ich war verheiratet, hatte gute soziale Kontakte und lebte in einer schönen Stadt in einer wunderschönen Wohnung... Aber, ich habe mich stets einsam gefühlt. Die "Buckelei" um mich herum empfand ich als peinlich, unangebracht und unangemessen. Ich habe meine berufliche Bestätigung stets über der damit verbundenen Verantwortung definiert und das war OK. Das ganze drum herum war mir zuviel, zu unnatürlich. Einfach ausgedrückt - es fühlte sich verlogen und falsch an! Mir wurde die Vergänglichkeit und Substanzlosigkeit meines Umfeldes und Tuns immer deutlicher. Es war immer mein Ziel gewesen, irgendwann ein großes Unternehmen zu führen, Verantwortung zu übernehmen... Nun war es vollbracht, ich hatte mir bewiesen, dass ich es konnte. Aber ICH als Individuum bin damit weder glücklich noch zufrieden gewesen. Ich war scheinbar aber nicht wirklich! Ich fühlte mich innerlich gefesselt, orientierungslos, wertlos. Wenn ich an die Zukunft dachte, sah ich vor mir einen Ast als Ausgangspunkt, der sich immer weiter verzweigte, bis am Ende ein unübersichtlicher, dunkler Klumpen entstand. Nachts träumte ich, wie ich im dicken Nebel mit rasanter Geschwindigkeit in Kurven fuhr, ohne abbremsen zu können. Mir träumte, ich stünde in einem Fahrstuhl, das mit hoher Geschwindigkeit hochschoss und drohte über das Dach des Hochhauses hinauszuschießen. In diesen Träumen war ich immer alleine. So vergingen einige Monate und die Aussichtslosigkeit in meinem gesamten Leben nahm zu. Ich wachte morgens "im falschen Körper" am "falschen Ort" auf, zog Kleidung an, die "nicht meine" war, fuhr ins Büro, das mir Tag zu Tag fremder wurde. All die schönen, wertvollen Dinge, die ich um mich scharte schienen mir wertlos. Es war ein Gefühl der absoluten Isolation. Genauso wie seinerseits, als meine Mutter verstarb, als ich 17 war. Ein Schockzustand verbunden mit psychologischer Handlungsunfähigkeit. Mir machte Angst, dass ich in Bezug auf fremde, nicht ICH-bezogene Angelegenheiten, dennoch handlungsfähig blieb. Dieses "rationale funktionieren" musste ich leider zu früh in meinem Leben erlernen, um bestehen zu können. Es war in Fleisch und Blut übergegangen. Seit meinem 17. Lebensjahr war ich auf mich allein gestellt, was seine Vor-, aber wie ich allmählich begriff, auch seine Nachteile hatte! Gerade zu diesem Zeitpunkt lief mein Vertrag aus und man bot mir zu weiter verbesserten Bedingungen eine Vertragsverlängerung an! Zum ersten mal in meinem Leben spürte ich das Gefühl von enormen Widerstand in mir.
Ich erinnere mich noch sehr genau, wir ich an einem stürmischen, verregneten und finsteren Herbstabend mit einem Glas Whisky vor meinem Kamin saß und darüber grübelte, wie es weiter gehen soll. Ich war innerlich zerrissen. Sollte ich einem erfolgreichen aber für mich nicht bewährten Lebensmodell folgen und das künstliche Koma fortsetzen oder das Risiko eingehen und mich dazu entscheiden, mit Mitte 40 bei 0 anzufangen, ohne dabei die geringste Idee zu haben! was ich überhaupt machen will! Zwar wusste ich, was mir nicht gut Tat jedoch auch nicht, was helfen würde einen wünschenswerten Zustand zu erreichen. Und da kam mir die Frage aller Fragen, die ich mir niemals zuvor in meinem Leben stellen konnte: "was WILL ich eigentlich wirklich?" Traurig aber wahr, erst jetzt stellte ich mir diese Frage. Bislang lief ich nur im "MUSS" Modus. Die darauf folgenden Nächte schlief ich sehr unruhig und träumte immer wieder wie ich nachts nackt durch die verregneten, einsamen, dunklen, asphaltierten Straßen einer fremden Stadt wanderte ohne Ziel und Orientierung. Ich wurde jedoch nicht nass, fühlte mich dabei alleine aber nicht einsam, auch nicht bedroht.
Schließlich lehnte ich das Angebot ab, trennte mich von meiner Frau, nahm nur das Nötigste mit und zog in eine andere fremde Stadt. Ich fing an, freiberuflich zu arbeiten, lernte später meine heutige Partnerin kennen. Obwohl der berufliche Start mehr als holprig war, mein Einkommen bei weitem nicht annähernd so gut wie zuvor, fing ich an so etwas wie Glücksmomente zu empfinden, ich kam mir selbst näher, wusste immer genauer was ich wollte und nicht wollte. Das Geld, was ich selbst verdiente, "schmeckte" mir besser, obwohl die Portionen geringer waren. Ich fühlte mich frei. Die Akquise von Kunden fiel mir anfänglich schwer, weil ich es nicht gewohnt war anderen hinterher zu rennen. Es war ja immer genau anders herum. Teils schämte ich mich sogar dafür. Aber mit jedem Kunden den ich generieren konnte, kam immer mehr Freude und Stolz auf. Die Menschen nahmen mich nicht Kraft meines Amtes oder Status ernst! Es war und ist immer noch ein gesundes, verhältnismässiges Geben und Nehmen. Darin empfinde ich Bestätigung, Wertschätzung und Respekt - kurz, Anerkennung! Diese Form der Anerkennung ist mir sehr wichtig, da sie mir ehrlich scheint und mich anspornt diese als Feedback dazu zu nutzen, meine Arbeit noch besser zu gestalten. Es bereitet mir unendliche Freude, anderen Menschen mein Wissen zu vermitteln, sie zu fördern, ihnen die Unterstützung geben zu können, die ich nie erhielt. Das zu wissen ist für mich die größte Anerkennung neben der Tatsache, dass ich dabei authentisch bleiben und leben kann!
Gerade zu Beginn meines "neuen und selbstgewählten Lebens" blieben die Erfolge aus aber daraus entwickelten sich für mich Ansporn, Neugierde, die Chance und damit verbunden, die Freude, mein Leben weitestmöglich selbst steuern zu können. Ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit und vor allem, die Dankbarkeit an mich selbst sowie das Zutrauen an meine eigene Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit sowie das Gefühl, erstrebenswerte Ziele zu besitzen und um diese zu kämpfen. Deshalb hatte ich mich nach der mündlichen Prüfung vermutlich auch so gut gefühlt. Ich hatte meinen """""Lebenswerk"""""" erfolgreich verteidigt. Was allerdings die Auslöser für meinen "seelischen Ausraster" nach der ersten Prüfung waren bleibt mir leider immer noch verborgen und bereitet mir Sorge. Nochmals: es ging mir nach der Prüfung nicht darum, ob ich bestanden hatte oder nicht sondern viel mehr darum, dass es nicht so lief wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich weiß nicht, ob man dies allein auf den Ehrgeiz schieben kann.....