Hallo Kannja,
ich freue mich, dich hier wieder zu lesen. Hab mich oft gefragt, wie es dir geht.
Wahrscheinlich hast Du recht... Aber es ist wohl auch deshalb so ein Zwiespalt, weil man im normalen Miteinander ja Dinge wie nicht ans Telefon gehen/einfach auflegen als sehr respektlos und gemein erachtet.
Im normalen Miteinander ja. Aber dies ist kein normales Miteinander.
Deine Mutter ist respektlos und gemein. Sie ist übergriffig, achtet deine Grenzen nicht.
Wenn du auflegst, machst du lediglich deine Grenze klar.
Sie hält mir ja auch vor "böse und schlecht" zu sein.
Was hervorragend funktioniert. Und darum macht sie es.
Deine Mutter war immer schon krank, nicht wahr? Du hast früh in dieser Familie die Verantwortung übernehmen und erwachsen werden müssen. Bei euch sind die Rollen vertauscht. Du hast aber ein Recht darauf, das Kind zu sein. Du hast ein Recht darauf, böse und schlecht zu sein, deine Grenzen zu ziehen und es ist ihre Aufgabe, damit klar zu kommen. Kann sie das nicht, muss sie sich Hilfe holen.
Gleichzeitig komme ich mir dabei aber eben so fies und egoistisch vor.
Sieh es mal anders rum.
Deine Mutter wird von ihrer Umgebung gemieden, weil sie schwierig ist. Wer ermöglicht ihr denn, schwierig zu sein? Bist das nicht du mit deinem Verhalten?
Würdest du nicht ans Telefon gehen, würdest du nicht ihren Launen nachkommen und ihr Verhalten unterstützen, wäre sie gezwungen, sich andersweitig Hilfe zu suchen und sie würde vielleicht in Therapie gehen und lernen, sich in den schlechten Zeiten besser im Griff zu halten.
Fies und egoistisch ist es, wenn du ans Telefon gehst, denn dann benutzt du deine Mutter, hältst sie in ihrem Krankheitszustand gefangen, weil du, wie du schreibst, Verlustängste hast.
Ich will dir hier keine Schuld zuschieben oder dir ein schlechtes Gewissen einreden. Aber sieh die Situation mal von dieser Seite. Da liegt nämlich der Weg zur Auflösung.
Ihr müsst beide lernen, in die Eigenverantwortung zu gehen.
Du musst dich auch deiner Verantwortung dir selbst gegenüber stellen. Damit zwingst du sie, sich ihrer Krankheit zu stellen.
Ihr habt recht - ich müsste ihr eigentlich offen und direkt sagen, dass mir das gerade zu viel wird oder dass ich jetzt nicht reden mag...
Was machst du denn, wenn dir jemand sagt, dass er gerade nicht mit dir reden mag?
ich hab immer wahnsinnige Angst anderen weh zu tun und sage wohl deshalb nie richtig was ich will und nicht will.
Und manchmal muss man anderen weh tun, um ihnen die Chance zu geben, in die Eigenverantwortung zu gehen.
Das ist nicht feige. Das ist einfach nur falsch gelernt und das kann man umlernen. Ist schwierig, dauert lange, aber es geht.
Normalerweise rastet meine Mutter beim kleinsten Anflug von möglicher Kritik an ihr total aus...
Dann sagst du ganz ruhig, dass du ein solches Verhalten nicht duldest und dass du gehst, wenn sie sich nicht beruhigt. Und beruhigt sie sich nicht, gehst du.
So macht man das mit kleinen Kindern und in der Beziehung ist deine Mutter leider im Kleinkindstadium hängen geblieben.
deswegen erwähne ich auch nie irgendwas von all dem was sie mir seit meiner Kindheit angetan hat.
Vielleicht wäre das auch ein wenig früh. Dem scheinst du nicht gewachsen und sie könnte es gar nicht verstehen.
Du solltest erst lernen, für dich einzustehen, für dich zu kämpfen, Grenzen zu ziehen, Manipulationen zu erkennen.
Wie gesagt, ich bin sehr verunsichert in Bezug darauf wie weit man meine Mutter aufgrund ihrer Erkrankung eigentlich wirklich für ihr Verhalten verantwortlich machen kann.
Nun, sie hat ja offensichtlich gute Zeiten, in denen sie durchaus in der Lage ist, klar zu denken und da ist es allein ihre
Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es erstens so selten wie möglich zu Rückfällen kommt und wenn es denn passiert, muss jemand vorhanden sein, der sie professionell betreuen kann.
weil ja klar wäre, dass derjenige selbst Verantwortung für sein Benehmen zu tragen hat und es auch ändern könnte, wenn er wollte.
Sie kann diese Verantwortung tragen, wenigstens in den guten Zeiten und sie könnte es ändern, wenn sie es wollte. Eine regelmäßige Therapie würde garantieren, dass manische Schübe rechtzeitig erkannt werden und man vorsorgen könnte. Dazu ist sie in der Lage. Egal, was sie erzählt. Es ist nur super bequem, sich nicht drum kümmern zu müssen. Und wenn es schief geht, ja Gott, dann hat sie ja dich, an der sie ihre Launen auslassen kann.
Wie wäre es denn mit diesem ersten Schritt?
Gib deiner Mutter ein klares Zeitfenster. Ruft sie außerhalb an, sagst du freundlich, dass du gerade keine Zeit hast und sie dann während des Zeitfensters gerne zurückrufst. Ruft sie wieder an, der gleiche Satz. Immer wieder, bis sie es kapiert. Und dafür nimmst du dir dann während des Zeitfensters auch ein wenig mehr Zeit für sie. Rufst vielleicht auch mal von dir aus an.
Tuesday