So ist es. Irgendwann zermürbt einen die Gleichgültigkeit anderer Menschen auch so, dass man keine Lust mehr hat, sich noch aktiv um die Pflege von sozialen Beziehungen zu bemühen. Wer möchte sich schon immer wieder wie ein Bittsteller vorkommen? Ich habe mich eine Zeitlang bemüht, eine frühere Schulfreundschaft zu reaktivieren. Die Reaktivierung war in dem Fall sogar auf eine Initiative des Vaters der Schulfreundin zurückgegangen. Irgendwann musste ich aber einsehen, dass dessen Initiative offenbar nur auf einer Laune beruht hatte und anders gemeint war, als ich sie aufgefasst hatte.
Bei der früheren Schulfreundin war kein entsprechendes Interesse gegeben. Obwohl unsere jetzigen Wohnorte nur 20 Autominten voneinander entfernt liegen, kam es höchstens einmal im Jahr zu einem Treffen, meist nach Feierabend in einem Restaurant (wir arbeiten in derselben Großstadt). Einladungen nur, wenn ihre Familienmitglieder dabei waren, nicht aber, wenn Gleichaltrige eingeladen wurden. Für diese illustre Gesellschaft war ich offenbar nicht fein genug. Mit der Zeit wurde mir immer bewusster, dass sie und ihr Mann gesellschaftlich noch höher hinaus wollen und ich nicht in diese erlauchten Kreise passe. Ich war zwar früher die bedeutend bessere Schülerin, sie kam dafür aber aus besseren Kreisen, die halt lieber unter sich bleiben.
Inzwischen habe ich sie seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen, bin sehr enttäuscht und werde von mir aus auch keine Aktivitäten mehr entfalten, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Auch zu Weihnachten habe ich ihr nicht geschrieben (sie mir natürlich auch nicht). Ich habe mich lange genug bemüht und mir auch nichts vorzuwerfen, was mein Verhalten gegenüber dieser früheren Freundin und ihrem Mann betrifft. Dennoch ist es eine sehr demütigende Erfahrung, so wenig wertgeschätzt zu werden.
Ich denke, wenn sich die Lebensumstände einmal so entwickelt haben, dass man nicht zum Mainstream und zu einer der üblichen sozialen Gruppierungen wirklich passt, dann ist daran nicht viel zu ändern. Man würde sich nur verkämpfen, und es würde einem am Ende noch schlechter gehen. Dann ist es besser, man findet sich mit seiner Kontaktarmut ab und macht das Beste daraus. Bei gravierenden Sorgen hat man heute zum Glück ja auch die Möglichkeit, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, und braucht daher nicht unbedingt Freunde. Die sind sowieso nur so lange da, wie man "gut drauf" ist und bei allem mitmachen und mitreden kann, was dem Gruppencodex entspricht. Wahre Freundschaft gibt es nur ganz, ganz selten. Meist sind es keine Freundschaften, sondern eher Netzwerke oder irgendwelche Renommierbekanntschaften. Leute, von denen sich andere keine Vorteile versprechen können, sind ganz schnell abgemeldet. Mittlerweile braucht man sich noch nicht einmal mehr dazu herabzulassen, sich für eine Gefälligkeit zu bedanken, die "unwichtige" Leute einem erwiesen haben. Aber sich immer wieder um freundschaftlichen Kontakt zu Menschen zu bemühen, von denen keine entsprechende Resonanz kommt und denen es im günstigsten Fall ein bisschen peinlich ist, einen näher zu kennen, das hat fatale Folgen für die Selbstachtung. Man demütigt sich damit nur selbst. Da hört es bei mir auf, dann lieber gar kein Kontakt mehr als so einen.