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Wie schaffe ich es, meine Gefühle für einen alten Mann abzustellen?

Ombera

Aktives Mitglied
Ich finde es nach wie vor schwierig, wie sehr du einen einzelnen bevorzugst und gleichzeitig sehr ablehnend über andere sprichst, die du auch betreust. Die sind oft genauso allein und einsam und brauchen noch dringender jemanden, weil sie in der Kommunikation vielleicht nicht so flirty und spaßig drauf sind.
Ich hab schon mitgelesen, als es um den ersten alten Mann ging. Und ichbin leider überzeugt, dass es sehr schnell einen neuen, dritten alten Mann geben wird. Deine Seele mit ihrer ganzen Bedürftigkeit sucht sich ihren Weg.

Versuch doch mal, dich mehr um alte Frauen zu kümmern. Das wäre schon mal ein Anfang.

Und mach mal was extra mit einem Mann, den du eher unsympathisch findest. Dafür wirst du bezahlt.
 
D

Deliverance

Gast
Huhu,

Du bist ganz und gar nicht alleine mit dieser Situation, dass passiert ganz schnell.

Mir ist das auch mal passiert, als ich einen jungen Mann im Wohnheim betreut habe.
Weil er keine Freunde hatte, haben wir oft in meinen Diensten viel Zeit zusammen verbracht. Da er sonst sehr verschlossen war und verzweifelt eine Schulter zum Anlehnen suchte, wurde das von uns Betreuern erstmal positiv aufgenommen.
Ich war zu dieser Zeit ziemlich einsam und psychisch angeschlagen und fühlte mich von ihm geschmeichelt, als er sich in mich verliebte.
Allerdings war mir klar, dass es niemals auf eine Beziehung hinaus laufen kann, darf und wird, dass wollte ich auch nie.
Meine Seele hat sich einfach über die Aufmerksamkeit gefreut! Und ich habe mich eben gut gefühlt.

Dann begriff ich, dass ihm das absolut nicht gut tat und distanzierte mich - ich setzte ihm klare Grenzen und ging auf Abstand.
(Zu Körperlichkeiten kam es nie!)

Und hier ist der Punkt, wo du professionell handeln musst: es ist Menschlich, sich nach Zuwendung und Zärtlichkeit zu sehen und sich auch mal zu vergucken! Mach dir da keinen Vorwurf. Du hast ja auch klare Rettungsphantasien, auch die sind normal bis zu einem bestimmten Grad.

Nur musst du professionell damit umgehen können: du musst Abstand nehmen und dir klar machen, dass es deine Gefühle sind und du damit zu Recht kommen musst.
Am Ende schadest du nämlich nur dem Klienten und dafür sind wir im sozialen Bereich nicht da.

Was dir jetzt hilft: wie kam es zu dieser Situation? Was kannst du ändern, um das zu vermeiden?

Da kannst du ansetzen. Du wirkst einsam und bedürftig, deine Seele sucht Halt und Schutz.
Was hast du an Ressourcen, wie kannst du deine Freizeit gestalten, um deine Grundbedürfnisse zu erfüllen?

Ich denke bei dir, dass das durchaus wieder geschehen wird. Deswegen wäre es sinnvoll, jetzt bei dir zu schauen, wie du dich stärken kannst, damit dir das nicht nochmal passiert.
 
A

Aljona

Gast
Erst einmal euch Allen ein frohes und gesundes neues Jahr!

@ Deliverance

Danke für deine verständnisvolle Antwort!

Ich war froh zu lesen, dass es nicht sooo unnormal ist, was mir mit dem alten Herrn passiert ist.
Ich habe lange darüber nachgedacht, warum es soweit gekommen ist. Meine Einsamkeit und mein Bedürfnis nach Halt und Zuneigung haben bestimmt eine große Rolle gespielt. Doch waren das sicherlich nicht die einzigen Gründe, sonst hätte ich mich schon in zwei andere Bewohner "verlieben" müssen, die mir geschmeichelt und Annäherungsversuche gemacht haben.
Es ist auch die Persönlichkeit des alten Herrn, die dazu geführt hat, dass ich mich so zu ihm hingezogen gefühlt habe. Es ist die Mischung aus Intelligenz, Humor und liebevollem Wesen.
Ich glaube, ich habe ihn nicht auf einen zu hohen Sockel gestellt, wenn ich sage, dass er ein ganz besonderer Mensch ist.

Trotzdem ist mir bewusst, dass ich zu weit gegangen bin und gerade auf körperliche Annäherungen hätte verzichten müssen. Ich bin erleichtert, dass er nicht das Coronavirus hat, sondern es sich um eine Bronchitis handelt.
Ich weiß auch, dass es ein großer Fehler war, die anderen Bewohner etwas zu vernachlässigen. Das kann ich jetzt wieder gutmachen. Doch es ärgert mich, dass ich es nicht schaffen würde, wenn der alte Herr nicht auf einen anderen Wohnbereich umziehen würde. Ich dachte eigentlich immer, dass ich willensstärker bin.

Gestern war Silvesterfeier und ich muss ehrlich zugeben, dass er mir gefehlt hat.
Auch wenn ich um alle Bewohner bemüht war und versucht habe, den Abend nett zu gestalten, kam weder bei ihnen noch bei mir Stimmung auf. Das war bestimmt auch der momentanen Situation geschuldet. Niemandem war so richtig nach feiern zumute, und MIR fehlte darüberhinaus sein liebevolles Lächeln und seine freundliche Art, die er jedem entgegenbrachte.

Leider hat mich auch noch die Mitarbeiterin vom Büro des sozialen Dienstes hängen lassen, obwohl sie vorher zugesagt hatte, mich bei der Feier zu unterstützen. Sie kam für kurze Zeit in den Wohnbereich und hüpfte herum und klatschte in die Hände, als meine Chefin raufkam. Ich saß gerade bei einer schwerdementen Bewohnerin, die ängstlich war wegen der lauten Musik, am Tisch. Als meine Chefin das sah, kam sie zu mir und sagte, sie würde dasselbe von mir erwarten, was die Kollegin vom Büro gerade machte. Ich ging daraufhin zu verschiedenen Tischen und versuchte, die Bewohner zu animieren, aber mit wenig Erfolg. Der Abend war dann auch recht schnell zu Ende.

Zuhause hatte ich den ganzen Abend ein ungutes Gefühl, doch ich sagte mir, dass es besser werden wird. Es wäre sicherlich für fast jeden schwer gewesen, Partystimmung bei den alten Menschen aufkommen zu lassen.

Ich hoffe nicht, dass ich mich noch mal zu einem Bewohner so hingezogen fühlen werde. Im Moment besteht da absolut keine Gefahr.
Sollte es dennoch wieder vorkommen, so werde ich mein Bestes geben, professionell damit umzugehen.
 
A

Aljona

Gast
Hallo ihr,

hier noch mal ein letztes Feedback von mir.

Letzte Woche war ich traurig, als ich sah, wie die Möbel des alten Herrn für den Umzug in ein Einzelzimmer ausgeräumt wurden.
Doch ich hatte die Hoffnung, ihn ab und zu noch mal irgendwo im Haus zu sehen und mich vielleicht mal kurz mit ihm unterhalten zu können.

Als ich gestern zum Dienst kam, war man gerade vom Krankenhaus benachrichtigt worden, dass er verstorben ist! Ich musste mich zusammenreißen, konnte nicht vor meiner Chefin weinen und musste einen Spruch für das Kondolenzbuch raussuchen und eintragen. Eine Mitarbeiterin vom Büro bat mich, am nächsten Tag die Gedenkminute zu halten, weil wir doch befreundet waren.

Im Wohnbereich informierte ich einige Bewohner über den Tod des alten Herrn. Jeder war betroffen, weil alle ihn gemocht haben.
Abends habe ich zuhause sehr viel geweint.

Heute waren auch Kolleginnen geschockt, als sie davon erfuhren. Alle waren traurig, dass dieser "liebe Mann" tot ist.

Es fiel mir schwer, die Gedenkminute zu halten. In dem Moment gelang es mir allerdings so halbwegs, meine Traurigkeit auszublenden. Ich sagte, dass wir ihn alle vermissen werden, aber dass es so das Beste für ihn sei. Jetzt ist er bei seiner Frau, an die er ständig gedacht hat und wegen der er sich die ganze Zeit herumgequält hat.

Vor Jahren habe ich mal in einem Buch einen ganz rührenden Spruch gelesen. Es war eine Situation, wo eine Person einer anderen ein wenig den Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen nehmen wollte. Sie sagte: "Der Schmerz wird weniger, aber ganz vergehen wird er nie. Doch die Menschen, die wir geliebt haben, würden nicht wollen, dass wir am Leben verzweifeln. Auch wenn sie nicht mehr bei uns sein können".

Der alte Herr hätte es nie geschafft, nicht am Leben zu verzweifeln. Er hätte sich immer mit der Frage herumgeschlagen, warum seine Frau nicht mehr bei ihm ist.

Insofern: möge er ruhen in Frieden.

Ich habe für mich daraus gelernt, mich nie mehr emotional so stark auf einen Bewohner einzulassen.
 

Binchy

Sehr aktives Mitglied
Das tut mir sehr leid zu hören, das geht Dir natürlich sehr nahe jetzt. Ich hoffe auch, dass er jetzt glücklich und bei seiner Frau ist. Liebe Grüße
 
A

Aljona

Gast
Hallo Binchy,

danke für deine Antwort.

Ja, das geht mir sehr nahe.
Eben habe ich mir noch mal sein Foto im Internet angesehen. Auch auf dem Foto hat er eine richtig liebevolle und gütige Ausstrahlung.

Ob er jetzt glücklich und bei seiner Frau ist, wer weiß. Ich glaube ja nicht an ein Leben nach dem Tod.
Doch zumindest muss er sich jetzt nicht mehr herumquälen und trauern.

Jedenfalls war er ein Typ Mensch, dem man selten begegnet.
 
G

Gelöscht 116444

Gast
Das tut mir sehr leid. Ich hoffe, er ist irgendwie wieder bei seiner Frau. Es geschieht manchmal so verdammt schnell und unerwartet.
 
A

Aljona

Gast
@ Hexenluder

Ja, manchmal kommt es einfach zu schnell.
Ich hätte das nie gedacht, da er körperlich noch ziemlich fit war. Wenn ich bedenke, dass wir beim Gang zum Friedhof eine Woche vor seinem Krankenhausaufenthalt noch über eine Stunde zu Fuß unterwegs waren.
 
A

Aljona

Gast
Der Tod des alten Herrn belastet mich sehr.
Er fehlt mir immer und überall, wenn ich im Dienst bin. Was mir vor allem fehlt, sind sein strahlendes Lächeln, wenn er mich sah und seine warmherzige Art.

Ich hoffe sehr, dass man mich nicht bitten wird, zu seiner Beerdigung zu gehen. Schließlich hat man es so eingeschätzt, dass ich mit ihm "befreundet" war. Was sicher zur Belustigung einiger Kolleginnen beigetragen hat. Denn wie kann man mit einem 81-jährigen dementen Mann befreundet sein?

Ich würde es nicht verkraften, an seinem Grab zu stehen, wo auch seine Frau und sein Sohn begraben sind und wo wir beide einige Male zusammen gewesen sind.

Wie schnell es doch gehen kann, dass einem nur noch die Erinnerung an einen lieben Menschen bleibt.
 
G

Gelöscht 116444

Gast
Aljona, es wäre eine Gelegenheit, dich zu verabschieden, die nicht wieder kommt, später, wenn es dir leichter fällt. Bei der Ruheforst-Beisetzung meiner Mutter war auch jemand vom Pflegeheim dabei, kein direkter Pfleger, sondern der Stationsleiter wohl. Er hat uns nur kondoliert und gesagt, wie erschrocken alle waren, da es bei meiner Mutter auch nicht absehbar war, dass sie aus dem Krankenhaus nicht wieder kommt. Ansonsten hat er während der Trauerrede still am Rande dabeigestanden und sich dann von uns verabschiedet. War wegen Corona eine sehr kleine, persönliche Veranstaltung und ich fand es sehr schön, auch dass von sich aus das Pflegeheim fragte, ob jemand kommen dürfe. Ich denke, du solltest hingehen, nicht wegen ihm, er bekommt es nicht mehr mit, aber um einen Abschied für dich zu finden und wieder nach vorn zu sehen.
Alles Liebe...
 

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