Verständlich, dass es schwer ist, Dinge zu verstehen, die außerhalb der eigenen Erlebenswelt liegen. Und gerade dann sollte es aus meiner Sicht aus Gründen von Takt, Einfühlungsvermögen, Höflichkeit, den ganz normalen Grundlagen von menschlichem Zusammenleben, selbstverständlich sein, dass man sich weder abwertend noch besserwisserisch äußert und seine Vorurteile nicht in die Welt schleudert.
Ich verstehe Geschlechtsangleichungen auch nicht. Deswegen bilde ich mir auch kein Urteil. Im Zweifelsfall stelle ich Fragen, um besser zu verstehen, aber auf jeden Fall bemühe ich mich, nicht auf den schmalen Pfad zu kommen, ich könne aus meiner Unkenntnis heraus mir eine Meinung bilden.
Ich glaube nicht, dass es um Tabus und Verschweigen der Wahrheit geht und dass nicht darüber gesprochen werden darf, sondern es geht eher um das WIE.
Ich möchte nicht, dass jemand meine Wahrnehmung in Frage stellt, vor allem dann nicht, wenn er wenig bis keine Informationen hat. Und ich erlebe Dich in diesem Forum als jemand, der genau das immer wieder für sich selbst einfordert. Bist Du auf der anderen Seite bereit, andere zu respektieren und zu akzeptieren, dass Du nicht der Weisheit letzter Schluss für die Welt bist? Das liest sich nämlich anders.
An der Stelle wäre es doch das einfachste, mit Wintergarten ins Gespräch zu kommen und zu fragen.
Für mich unverständlich, wie sich manche anmaßen, IHR zu erklären, wie SIE mit der Situation umzugehen hat und wie IHR Erleben aussehen muss, damit sie in das Weltbild anderer passt.
Ich bin der Meinung, es ist nicht ihr Job, sich in meine Schublade reinzupressen. Es ist mein Job, mich zu hinterfragen.
Und welchen Schluss ziehst Du daraus?
Man kann es auf viele Arten sehen. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass jeder, der sich freiwillig unters Messer legt, krank und durchgeknallt ist, ein Masochist. Und tatsächlich, das muss ich zugeben, ist das einer der ersten Gedanken, die mir kommen. Ich versuche eben nur, an der Stelle die Schublade nicht zu schließen, sondern meine Meinung zu hinterfragen.
Dass jemand solch unglaublich schmerzhafte und gefährliche OPs auf sich nimmt, sagt mir, dass da vermutlich eine Geschichte hinter steckt, die ich so nicht sehe. Es können schließlich nicht alle durchgeknallt sein oder nicht wissen, was sie an einem Sonntagnachmittag sonst noch machen könnten außer mal kurz Trans zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass das psychische Leid dieser Menschen so groß sein muss, dass das dafür in Kauf zu nehmende körperliche Leid keine Rolle spielt. Als Borderline-Betroffener kenne ich die Macht von psychischem Leid und dass man alles dafür tut, um das irgendwie zu beenden. Und das öffnet für mich den Weg für respektvolle Fragen.
Wenn Du DEINE Wahrheit als Maß aller Dinge definierst und andere danach beurteilst, dann ist das laut Definition eine Diskriminierung.
Es ist eine Benachteiligung, nach meiner Meinung, wenn man jemanden als "nicht richtig" bezeichnet, dieser Person gar ihr Geschlecht abspricht, nur weil die Höhe ihrer Stimme, ihre Größe, die Anzahl und Dichte der Haare oder die Größe der Brust nicht dem eigenen
persönlichen Geschmack entsprechen. Wenn man erwartet, dass jemand dem eigenen Bild eines Geschlechts entspricht und daraus ableitet, wie man diese Person behandeln darf, lässt das Respekt vermissen.
Was einem Geschlecht entspricht und nicht, ist eine Übereinkunft und diese Übereinkunft kann und sollte die Gesellschaft ändern, wenn man merkt, dass Menschen nicht in diese Schublade passen und ihnen großes Leid entsteht.
Das hatten wir schon beim Thema Homosexualität.
1940 war es "DIE Wahrheit", dass Homosexualität so krass von der natürlichen Ordnung abweicht, dass Menschen dafür im KZ vernichtet werden durften. "Diese Wahrheit" ist für die meisten heute nicht mehr wahr. Also können Wahrheiten sich ändern. Gesellschaftliche Normen müssen hinterfragt und angepasst werden. Wir leben in Deutschland in einem Staat, wo wir fast täglich damit konfrontiert werden, was passiert, wenn eine Bevölkerung ungeprüft gesellschaftliche Normen übernimmt und das eigene Gewissen ignoriert.
Die Person hat eben nicht ein anderes Geschlecht, sondern hier wird die äußere Hülle dem inneren Erleben angepasst.
Und es ist nicht Dein Recht oder meins oder das eines anderen Menschen, dieser Person das innere Erleben abzusprechen. Es mag eine Herausforderung sein, den eigenen Blick zu ändern und dem anderen zu folgen, aber das ist nicht das Problem des Transmenschen, sondern es ist MEIN Problem. Ich muss an mir arbeiten.
Geschlechtsattribute sind zugewiesen, und ja, auch körperliche Attribute, sie sind ein künstliches Konstrukt. Wie sonst kann man erklären, dass
der Lesben- und Schwulenverband schätzt, dass sich etwa drei Prozent der Deutschen nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen.
Bei Facebook gibt es 60 Möglichkeiten, sich einem Geschlecht zuzuordnen. Allein das zeigt, wie absurd die Anzahl von 2 ist.
Die Liste findet man hier:
Menschen, die sich in den Kategorien „Mann“ und „Frau“ nicht wohlfühlen, fehlt in Formularen oft das richtige Kästchen für ihr Geschlecht. Facebook macht es seinen Nutzern da einfacher. Die Liste der Wahlmöglichkeiten ist lang.
www.faz.net
Sicher kommt jetzt das Argument mit dem X und Y Chromoson. Tatsächlich ist auch das nur eine Festlegung aufgrund unseres derzeitigen Wissenstandes. Wir haben immer noch sehr wenig Wissen über Genetik und niemand weiß, ob nicht im Zusammenschluss verschiedener Gene, X und Y nur zweitrangige Komponenten sind.
In Albanien gibt es die eingeschworenen Jungfrauen. Die müssen sich nicht umoperieren lassen, die leben einfach als Männer unter Männern. Und werden auch als Männer gesehen. Was also macht einen Mann zu einem Mann? Dass Du das für Dich definiert hast, ist logisch und menschlich. Dass Du aber glaubst, das sei "die Wahrheit" macht Deine Überzeugung zu einem Vorurteil und zur Diskriminierung.
Aufgrund meiner psychischen Erkrankung erlebe ich immer wieder Stigmatisierung. Ich kann Dir versichern, mir ist es immer lieb, die Leute reden offen über ihre Vorurteile, denn dann kann man sie aus dem Weg räumen. Zu meinen, man wäre nicht diskriminierend, nur weil man nett und freundlich ist und seine Meinung für sich behält, ist ein Trugschluss. Irgendwann verrät man sich. Es sind die kleinen Gesten, die halben Sätze. Das ist dann um so schmerzhafter. Ich kann nicht für alle reden, aber nach meiner Meinung lässt sich mit der Wahrheit einfacher umgehen. Aber auch hier kommt es eben darauf an, WIE man etwas sagt.
Das ist so ein Nebensatz, der viel über Deine Haltung aussagt. Es ist nur für DICH so, nicht für den kompletten Rest der Welt. Und eben genau da fängt die Diskriminierung an, wenn man glaubt, man könne anderen die eigene "Wahrheit" aufzwingen und man geht eben nicht mehr auf den anderen zu, versucht zu akzeptieren und zu verstehen.
Vielleicht bist aber auch DU derjenige, der in einer Wunschwelt lebt? Einer Welt mit klaren Schubladen. Dabei ist die Welt so bunt. Es gibt so viele Wahrheiten. Es gibt so vielfältige Wahrnehmungen. Ab und an sollte man Schubladen aufräumen und neu beschriften.