Lieber "einervonvielen",
meine Beziehung ist einerseits sehr intensiv und auch schwierig. Ja, ich bin lesbisch. Das ist meine dritte Beziehung. Die längste. Wir sind seit mehr als 16 jahren zusammen. Die ersten Jahre waren schön, aber in Bezug auf meine Distanz, die ich Menschen gegenüber hab, die größte Hürde. Es war immer der gleiche Vorwurf, den ich daamals vehement zurück gewiesen hab:" Du bist nicht da, du verschließt dich, du hältst dir immer eine Hintertür offen und gibst dich nie wirklich hin..." Nach aussen wirke ich sehr zugänglich, ich denk ich bin ein sehr aufmerksamer und auch liebevoller Mensch. Aber meine Freundin hatte recht. Ich halte mich immer zurück, geb mich nie wirklich vollkommen hin, vertraue zwar ein bisschen, aber nie so richtig. Früher hab ich Anderen Unrecht getan. Ich hab mir gesagt:" ...Ja, aber dieser Mensch hat ja auch dieses oder jenes gesagt, tickt so oder anders....kein Wunder, dass ich nicht vertrauen kann!" Ich hab ganz unbewusst immer gute Gründe gefunden, warum ich mich nicht vollkomen hingeben kann. Loslassen kann. Vertrauen kann. Menschen gegenüber hab ich aus Angst einen Perfektionismus, dem niemand gerecht werden kann. Ich finde immer einen Grund für Rückzug. Weil Menschen nicht perfekt sind. Ich nicht und die andere auch nicht. Sie machen Fehler. Bei mir wiegt so ein Fehler aber immer schwer. Meistens kann ein Fehler schon Grund genug sein, dass ich für immer von diesem Menschen auf Abstand gehe. Heute weiss ich, dass meine Freundin recht hatte und bemüh mich seit Jahren, darauf zu achten offen zu bleiben. Das ist das schwere am Leben, für mich zumindest. Mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen. Trotz der verletzungen. Trotz des Risikos, dass andere mir weh tun können. Ich verschließ mich sehr oft. Ohne es schnell genug zu merken. Ich bin in meiner Beziehung nach wie vor nicht mit 100% Vertrauen dabei. Aber wir haben den Kompromiss gefunden, dass ich so sehr vetraue, wie niemand anderem. Und das reicht ihr für den Moment. Wir leben im Jetzt und bemühen uns dran zu bleiben. Einander zuzulassen, so oft es geht. Und wenn es nicht geht, zu verzeihen. Meine Beziehung ist ein Kampf, der auch mal weh tut. Aber sie ist es wert und darf mir weh tun und umgekehrt sieht sie das genauso. Ich darf sie zurückweisen und verletzten und dann gehen wir, wenn ich kann, wenn sie kann, wieder aufeinander zu. Sie ist der erste Mensch in meinem Leben, der mich einfach so nimmt wie ich bin. Mit meinen Fehlern, mit oder ohne Distanz. Immer so wie ichs derzeit schaffe. Man muss dran bleiben, offen bleiben und muss auf die Verbindung achten. Ich muss immer aufpassen, nicht zu sehr abzudriften. Verloren zu gehen. Oft fühl ich mich wie ein Alien. In einer Welt voller Menschen und doch fast immer allein.
Deine Ablenkungen find ich toll. All das was du tust. Vom Haus renovieren bis zum klettern hört sich für mich alles sehr echt und stark an. Das tut sicher gut. Aber ich bin absolut deiner Meinung: all das was wir tun, sind Ablenkungen, um ein sehr essentielles Verlangen zu unterdrücken, dass jeder Mensch in dieser Welt hat. Sich zu verbinden, Teil der "Sippe" einer Gemeinschaft zu sein. "Einer von vielen" zu sein. Ich versteh dich gut und wünsch dir ganz viel Glück, bei deiner Reise, bei deiner Suche....nach mehr.
Liebe Grüße,
Akex