Dass du dein Elternhaus nicht halten konntest, ist nicht deine Schuld, sondern eine schicksalhafte Fügung. Du musst da nichts kompensieren und nichts wieder gut machen. Deine Eltern sind tot, du kannst dort nichts gutmachen. Der einzige Mensch, dem du etwas schuldest, bist du selber!
Von den Leuten, die ich so kenne, haben nur ganz wenige ihr Elternhaus behalten, die allermeisten Häuser sind verkauft worden. Es ist der Normalfall, dass Elternhäuser eines Tages verkauft werden, die erwachsenen Kinder in anderen Städten arbeiten und leben. Das ist ein ganz normales Stück Leben, welches man so annehmen muss. Die Zeiten sind heute einfach so, dass viele Leute keine Familien mehr haben, aus beruflichen Gründen in einen anderen Ort müssen, und da macht der Erhalt eines Hauses einfach keinen Sinn. Da muss sich niemand schuldig fühlen.
Einen besonderen Dank noch mal an dich, Käferin, für diese Überlegungen, die für mich sehr hilfreich und wohltuend sind. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, hätten es mir wesentlich leichter gemacht, wenn nicht immer so sehr betont worden wäre, was sie alles auf sich genommen und auf was sie verzichtet haben, um das Haus zu bauen und schuldenfrei zu bekommen. Besser wäre es gewesen, sie hätten einmal explizit gesagt, dass wir - meine Schwester und ich - nicht moralisch verpflichtet sind, das Haus nach ihrem Tod um jeden Preis zu halten. Gerade meine Mutter muss doch auch gemerkt haben, was mit meiner Schwester los war und dass ich nach dem Tod der Mutter die Kosten für den Erhalt des Hauses allein würde stemmen müssen, ohne auch nur den geringsten Nutzen davon zu haben (als unser Vater vor 22 Jahren starb, war meine Schwester noch nicht in dem Maße auffällig, dass es Krankheitswert zu haben schien; sie betrieb allerdings auch damals schon ihr Studium nicht gerade zielstrebig).
Ich habe daraus auch gelernt, dass man immer mit der Zeit gehen muss. Nichts bleibt so, wie es war. Was für die eine Generation gut und richtig war, muss es für die andere längst nicht sein, weil sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen über Jahrzehnte zu sehr ändern und jeder in einer anderen Lebenssituation steckt. Und man hat auch nicht das Recht, der nächsten Generation vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu gestalten hat. Auch nicht indirekt, indem man sie mit Schuldgefühlen manipuliert und moralisch unter Druck setzt.
Die Welten anderer, die uns so toll erscheinen, sind in Wirklichkeit gar nicht so toll, das habe ich immer wieder und wieder erfahren. Betrachte es nüchtern! Die anderen sind nicht glücklicher als du, ihr Leben ist anders, aber bestimmt nicht besser als deines. Wenn sie dir ihr vermeintliches Glück reindrücken, haben sie etwas zu kompensieren. Sie haben es, aus welchen Gründen auch immer, nötig, in anderen diese Gefühle zu erzeugen.
Sowas darf niemals eine Motivation für wesentliche Entscheidungen im Leben sein. Diesen anderen wird es letztendlich egal sein, was du hast und nicht hast und wie es dir geht. Sie wissen in Wirklichkeit nichts von dir und deinem Leben, und, glaube mir, es interessiert sie auch nicht wirklich.
Das kann ich auch nur voll unterschreiben. Bei dieser Cousine hat man das Gefühl, man wird nur eingeladen, wenn und weil sie einem irgendetwas vorführen will - z.B. den Neubau ihres Sohnes oder wenn sie ihr eigenes Haus komplett saniert und neu eingerichtet hat. Als Person bin ich nicht interessant. Man darf nicht das Geringste von sich oder auch nur von Kollegen oder Bekannten erzählen, was vom Lebensstil meiner Cousine abweicht, ohne dass gleich Kommentare kommen, die das gegenüber ihrer eigenen Lebensgestaltung abwerten. Über Frauen mit Abitur und Studium wird grundsätzlich hergezogen. Putzfrau? Bloß nicht! Was könnten denn die anderen Dörfler denken, wenn man sein Haus nicht selber putzt - selbst wenn es noch so groß ist? Es geht nur darum, was sie und ihre Familie alles haben und können. Nicht mal ein eigenes Hobby darf man erwähnen, ohne dass gleich gekontert und versucht wird, auch das zu übertrumpfen.
Mit ihrer eigenen Schwester liegt sie deswegen seit Jahrzehnten auch überquer. Es wird ständig versucht, sich gegenseitig einen mitzugeben, und auch die beiderseitigen Ehemänner, ebenfalls beide vom Dorf und durchaus tüchtig, machen diesen albernen Konkurrenzkampf mit und sind sich nicht wirklich "grün". Es geht immer nur darum, wer mehr hat, mehr kann und in dieser Hinsicht "erfolgreicher" und scheinbar "besser" ist. Die beiderseitigen Söhne, Schwiegertöchter und Enkelkinder werden ebenfalls miteinander verglichen und gegeneinander ausgespielt.
Als ich aber die jahrelange Erbauseinandersetzung mit meiner offensichtlich psychisch kranken Schwester hatte (und auch in den letzten Lebensjahren unserer Mutter, die von ihr schikaniert wurde, jede Menge Aufregungen!), da kam kein moralischer Beistand, keine Einladung, kein Besuch und auch keine sonstige Unterstützung von dieser Cousine. Damit hatte sie nichts zu tun. Da ist sie komplett abgetaucht, wechselte, als ich mich bei einem Cousinentreffen einmal nur für zehn Minuten aussprechen wollte, abrupt das Thema, scheute sich trotz alledem aber nicht, bei den (seltenen!) Telefonaten und Mails mit ihrer ach so harmonischen Familie und ihren Besitztümern zu protzen, mir das so richtig dick unter die Nase zu reiben.
Das hätte ich im umgekehrten Fall nie getan, so bin ich auch nicht erzogen. Nicht nur mir, auch meinen Eltern wäre so ein Verhalten viel zu taktlos vorgekommen. Ich habe mich inzwischen sehr von ihr zurückgezogen. Man tauscht nur noch knappe Grüße zu Weihnachten und zum Geburtstag aus, damit es nicht ganz so peinlich ist, wenn man sich alle paar Jahre mal auf einer Familienfeier (meist sowieso nur noch auf Beerdigungen) sieht. An einer darüber hinausgehenden Kontaktpflege habe ich angesichts ihres Verhaltens auch kein Interesse mehr. Früher war das mal anders, da gab sie aber auch noch nicht so an. In den letzten Jahren ist sie immer "neureicher" geworden.
Aber je mehr ich schreibe, desto mehr wird mir bewusst, dass ich diesen Leuten wirklich egal bin. Sie brauchen mich nur als Auditorium und Publikum für ihre geltungssüchtige Selbstdarstellung. Geht es mir auch nur in der kleinsten Hinsicht besser als ihnen oder habe ich in anderen Bereichen mehr Erfolg als sie, können sie mir nicht mal das gönnen, sondern reagieren mit demonstrativem Desinteresse oder von unterschwelligem Neid geprägten Sticheleien. An mir als Person und Persönlichkeit besteht nicht das geringste Interesse.
Von so etwas sollte sich kein Mensch, der noch halbwegs bei Trost ist, bei gravierenden Lebensentscheidungen wie dem Erwerb von Wohneigentum beeinflussen lassen.