Was ich ziemlich schade finde ist auch, mit welchem Körperkult Jugendliche schon aufwachsen und wie sie dahingehend negativ geprägt werden - und unter großem Druck geraten. Sexualpädagogik und Aufklärung ist ja auch bei mir ein großes Arbeitsfeld und der Bedarf steigt immer mehr - auch an Schulen. Und da fällt mir auf, wie viele junge Mädchen schon damit aufwachsen, dass ihre Brust etwas überwiegend sexualisiertes ist. Die dann auch gefälligst straff zu sein hat und stehen muss wie eine 1. Ich hatte erst neulich ein langes Gespräch mit einem Mädel - vielleicht 14 - die wirklich fertig war, weil sie den "Bleistifttest" nicht bestanden hat und die sich jetzt darauf fixiert hat, sobald sie 18 ist eine Brust-OP machen zu lassen. Damit die straff werden. Ihre Brüste wären "falsch" und sie hätte schon jetzt "Hängebrüste" und sie würde sich total schämen und auch nicht trauen, mit Jungs zu flirten, weil ihre Brüste so hässlich wären. Und das ist kein Einzelfall. Das war schon immer so, dass Jugendliche (und auch Erwachsene) sich miteinander verglichen haben oder mit gängigen Schönheitsidealen. Jetzt kommt halt auch noch das Internet dazu und Social Media.
Du hast da auch Mädels, bei denen wächst die Brust erstmal sehr schnell. Die bekommen dann Dehnungsstreifen. Oder sie haben dann eben volle, große Brüste, die aber nicht so straff stehen wie eine A oder B. Und das beschäftigt die dann und sie schämen sich ganz schlimm. Weil sie da auch ständig im Internet rumlesen oder sich mit Models vergleichen. Und da sind sie noch nicht mal 18.
Ich finde das sehr schwierig, wie unsicher und unter welchem Druck manche junge Menschen da ins Erwachsenenleben starten. Ich will das nicht aufbauschen und es gibt auch sicherlich andere Fälle, die selbstbewusster aufwachsen, aber auch Kollegen von mir, die den Job schon 30 Jahre machen erzählen, dass sich das mit der Zeit etwas zugespitzt hat durch Internet und Social Media.
Auf der einen Seite sind wir eine phasenweise ausgeprägter sexualisierte Gesellschaft, die sich freizügig darstellt und offen gibt. Auf der anderen Seite werden Brüste dann oft überwiegend sexualisiert und sind etwas, das Frauen bitte verhüllen sollen, wenn sie nicht unangenehm angebaggert oder sogar begrabscht werden wollen. Und sie sollen ihre Brüste bitte erst recht einpacken und verhüllen, wenn sie nicht straff und fest sind oder dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Eine Frau, die ihr Kind stillt und wo die Brust dann hervorblitzt, das wollen viele auch nicht sehen und halten das nicht aus. Ein Mann der oben ohne herumläuft ist hingegen in den meisten Szenarien okay und gesellschaftlich akzeptiert. Auch wenn er z. B. einen Bierbauch hat und untrainiert ist. Und natürlich wird da gewitzelt und man hat Bemerkungen - aber ich denke, einem Mann oben ohne, der Bierbauch hat und untrainiert ist, dem sagt man weniger "pack das weg, das will keiner sehen". Aber lass mal eine Frau mit Hängebrüsten ein Oberteil tragen, wo man das sieht, dass sie Hängebrüste hat ...
Auch dass die Periode "peinlich" ist oder "etwas über das man nicht offen spricht", damit wachsen auch einige Mädels auf. Und das eben in unserer vermeintlichen aufgeklärten, offenen und freizügigen Gesellschaft. Also Frauen haben da oft noch echt eine Arschkarte.
Mir fällt auch auf bei dem Thema, wie viele Männer und Jungs noch ungefragt Frauen wissen lassen, wie sie ihre Brüste finden. Auch wenn sie die z. B. hässlich finden oder zu klein oder zu schwabbelig oder zu hängend. Als wäre das eine total wichtige Info. Was erwarten die eigentlich? Dass die Frau sagt "Danke, dass du mich bewertest und mich wissen lässt, wie meine Brüste aussehen. Ich richte mich danach, so dass sie dir gefallen." Als wäre es wichtig, was Dieter, 50 Jahre oder Marcel, 25 von deinen Brüsten halten, obwohl du weder mit ihnen zusammen bist noch es ihr Job ist, dir das zu sagen. Da ist befürchte ich teilweise noch die Denke vertreten, es wäre okay, Frauen öffentlich so zu bewerten und die müssten das aushalten.