Weihnachten ist für mich die schönste Zeit des Jahres. Ich liebe diese dunkle, besinnliche und ruhige Zeit des Jahres. Ich liebe es, wenn es nach Gewürzen, Tannen und Räucherkerzen duftet, überall Lichterketten und Kerzen ihren warmen Lichtschein verbreiten, alles schön dekoriert ist und die Gartenarbeit wegfällt und man endlich wieder mehr Zeit für seine Hobbies und seine Liebsten hat.
Ich fange schon im Herbst mit den Vorbereitungen für die Weihnachtszeit an. Dann sammle ich Naturmaterialien zum Basteln und Dekorieren, bastle die eine oder andere Deko und ich kaufe die Zutaten für das Weihnachtsgebäck. Das erste Weihnachtsgebäck, die traditionellen norddeutschen "braunen Kuchen", backen wir bereits Anfang bis Mitte November, dann folgen die ebenfalls traditionellen norddeutschen "weißen Kuchen" und dem folgen in der Weihnachtszeit Spritzgebäck, Haferflockenmonde, Butterplätzchen, Schoko-Mandarinen-Sterne und zuletzt der Weihnachtskuchen.
Die Weihnachtszeit beginnt bei uns traditionell immer am Montag nach Totensonntag. Gleich nach dem Frühstück holen wir die Weihnachtsdeko vom Boden und dann wird mit dem weihnachtlichen Dekorieren begonnen. Wir dekorieren überwiegend mit geerbter und selbstgebastelter Weihnachtsdeko (letztere überwiegend aus Naturmaterialien und gern mit viel Glitzer), aber auch das eine oder andere geschenkte oder selbstgekaufte Schätzchen ist dabei.
Das erste Weihnachtslied, dass wir beim Dekorieren hören, ist "It's beginning to look a lot like Christmas" von Dionne Warick. Die Auswahl an Weihnachtsmusik ist bei uns übrigens sehr groß, denn wir haben an die 40 Weihnachts-CDs und -LPs. Am liebsten hören wir die Weihnachts-CDs von James Last, dem Musikkorps der Bundeswehr und Ivan Rebroff. Aber auch Mahalia Jackson, Wham, Queen und andere dürfen nicht fehlen.
Am Nachmittag des Montags nach Totensonntag gibt es dann auch das erste Weihnachtsgebäck. Ja, richtig gelesen; vorher gibt es bei uns kein Weihnachtsgebäck. Dadurch bleibt das Weihnachtsgebäck auch Weihnachtsgebäck und vor allem bleibt es etwas Besonderes, auf das man sich schon Tage vorher freuen kann. Und Vorfreude ist doch immer noch die schönste Freude.
Die Weihnachtszeit geht bei uns ganz ruhig und besinnlich über die Bühne; vom allgemeinen Konsumwahn lassen wir uns nicht anstecken und wir schenken uns auch nichts. Das einzige, was wir uns zu Weihnachten gönnen, sind ein Paket gute Lebkuchen von Schmidt, ein schöner Weihnachtsbaum und ein gutes Essen an Heiligabend. Meistens gibt es Rehkeule von einem Jäger aus der Verwandtschaft, aber wenn das Geld mal knapp ist, gibt es auch mal "nur" Rouladen.
Für die Weihnachtsbäume haben wir extra Spardosen, die sogenannten "Bäumchen-Dosen". In die stecken wir das Jahr über regelmäßig Geld und bezahlen davon dann die Weihnachtsbäume. Die Weihnachtsbäume (einen für meinen Verlobten, einen für meine Oma und einen für meine Mutti und mich) suchen wir bereits im November auf einer großen Plantage aus. Die Bäume dürfen auf einer Seite ruhig Fehler haben, denn sie stehen drinnen später eh alle in einer Zimmerecke. Haben wir unsere Bäume gefunden, werden sie mit bunten Schildern an der Spitze markiert, damit man sie schon von weitem sehen und in der riesigen Plantage schnell wiederfinden kann. Etwa eine Woche vor Heiligabend holen wir unsere Bäume dann ab. Sie werden frisch geschlagen und halten im Krinner dann wochenlang. Zuhause dürfen die Bäume sich dann noch ein - zwei Tage in der Scheune, bzw. Garage akklimatisieren, bevor sie reingeholt und am nächsten Tag geschmückt werden.
Der Baum meines Verlobten (etwa 1,70m hoch) wird mit echten Kerzen, Glitzerkugeln in verschiedenen Rot-, Kupfer- und Goldtönen und Perlengirlanden geschmückt. Gekrönt wird sein Weihnachtsbaum von einem goldenen Glitzerstern, den ich selbst gebastelt habe.
Der Baum meiner Oma (etwa 1,20m hoch) wird mit einer Kerzenlichterkette, bunten Kugeln aus den 50er, 60er und 70er Jahren, Lametta und einer Flittergirlande geschmückt. Gekrönt wird er von einer einfachen, bunten Christbaumspitze.
Den größten Baum haben meine Mutter und ich. Er ist meistens etwa 2m hoch und wird mit warmweißen Kerzenlichterketten, Strohsternen, goldenen und silbernen Walnüssen, alten Christbaumkugeln in rot, silber und gold (darunter auch ein fast 100 Jahre alte Reflexkugeln und Kugeln in Trauben-, Nuss- und Zapfenform) geschmückt. Gekrönt wird er von einer alten, goldenen, mit Glöckchen, Schweif und leonischem Draht verzierten Christbaumspitze aus dem Erzgebirge.
Den größten und schönsten Baum hatten wir übrigens vor zehn Jahren. Eigentlich war das für uns alles andere als ein gutes Jahr, denn in dem Jahr hat mein Neffe, der für mich wie mein kleiner Bruder war, sich umgebracht (wir wissen bis heute nicht genau, warum, vermuten aber, dass er mit dem plötzlichen Tod seiner Mutter im Jahr zuvor nicht klargekommen ist). Nun sollte man meinen, dass das alles, aber kein Grund für einen so großen und prächtigen Weihnachtsbaum ist, aber meinem Neffen war ein großer Weihnachtsbaum immer sehr wichtig und man konnte ihn gar nicht mehr ärgern, als zu sagen, dass ein kleiner Baum doch auch reichen würde. Er hat sogar regelmäßig Geld in unsere "Bäumchen-Dose" gesteckt, damit wir auch ja genug Geld für einen schön großen Baum hatten. Und deswegen haben wir dann beschlossen, ihm zu Ehren einen besonders schönen und großen Baum zu holen. Wir brauchten gar nicht lange suchen und hatten ihn bereits nach wenigen Minuten gefunden. Grad, als ob mein Neffe uns irgendwie zu ihm geführt hätte. Der Baum war 2,60m hoch und von perfektem Wuchs. Ich weiß nicht mehr genau, was es für eine Sorte war, aber es war keine Nordmanntanne (die Nadeln waren kleiner und sein Wuchs schlanker). Für uns stand fest, den oder keinen! In der Nacht, bevor wir den Baum holen wollten, schneite es und auch, als wir unseren Baum holten, schneite es noch. Es war ganz still in der Plantage, als wir unseren Baum dann zum Netzplatz trugen. Es war eine richtig festliche und besinnliche Stimmung. Als wir mit unserem Baum am Glühweinstand vorbeigingen, drehten die Leute sich zu uns um, bewunderten unseren Baum und ein Mann meinte zu seiner Frau: "Was für ein schöner Baum! Der ist bestimmt für eine Kirche!". Der Baum hat uns damals 48 Euro gekostet (das war ein echter Freundschaftspreis, aber für uns trotzdem sehr viel Geld), aber er war uns jeden einzelnen Cent wert. Mein Neffe hätte sich riesig darüber gefreut.
Heiligabend essen wir immer bei meiner Oma. Die Arbeit wird dabei aufgeteilt: Meine Mutti und meine Oma kümmern sich um das Essen und mein Verlobter und ich decken den Tisch, räumen den Tisch nach dem Essen ab und waschen das Geschirr ab. Mittags gibt es immer die traditionellen "Brunklüten", ein Hefegebäck mit Rosinen, dass in einer speziellen Pfanne in Schmalz ausgebacken und noch heiß mit Zucker oder Rübensirup gegessen wird. Abends gibt es dann Rehkeule. Die legen wir bereits am Vortag in einer Buttermilch-Rotweinbeize ein. Zur Rehkeule gibt es Rotweinsoße, Rotkohl, Herzoginkartoffeln und Semmelknödel und als Nachtisch gibt es meistens Schokoladenpudding mit Eischneeflöckchen, Mandelsplittern und Vanillesoße. Früher sind wir nach dem Essen immer zu meiner Mutti und mir gegangen, aber da meine Oma nicht mehr gut laufen kann, bleiben wir jetzt immer bei meiner Oma. Da sitzen wir dann noch bis um etwa halb zwölf zusammen, hören Musik, spielen, "klönen" (reden) und futtern Süßigkeiten.
Unsere Katzen bekommen am Nikolaustag, Heiligabend, dem ersten und dem zweiten Weihnachtstag übrigens auch immer etwas ganz besonderes zu fressen; meistens gibt es gekochtes Hühnchen, gedämpften Fisch oder Thunfisch aus der Dose.