Ich finde es bei solchen "Kinder brechen den Kontakt zu ihren Eltern ab"-Geschichten ganz schwer, pauschal direkt von einer Unreife der Kinder zu sprechen oder dass Egoismus im Spiel ist. Fakt ist: keinem (erwachsenen) Kind fällt es leicht, den Kontakt zu den Eltern abzubrechen. Das passiert nicht einfach so. Das ist ein ganz harter, krasser Cut. Kein Distanzieren, kein auf Abstand gehen. Sondern einfach ein Cut. Man beendet den Kontakt zu den Menschen, die einen gezeugt und aufgezogen haben. Dazu gehört schon etwas. Und das passiert wie gesagt nicht plötzlich ohne Grund - auf beiden Seiten. Denn es sind auch nicht immer alle Eltern herzlos und mies, die zu ihren Kindern auf Abstand gehen.
Wir kennen hier nur eine Seite der Geschichte. Vielleicht hätten die Söhne etwas ganz anderes zu erzählen. Würden ganz eigene Gründe nennen, die für uns dann sogar schlüssig wären. Vielleicht sind es auch einfach nur verzogene, wenig soziale und unreife Bengel. Man weiß es nicht.
Ich weiß auch nicht, warum und wie man auf den Trichter kommt, alle Leute bis Alter XY wären überwiegend egoistisch. Mir wäre das in dem Alter nie im Traum eingefallen, mich so meinen Eltern gegenüber zu verhalten und auch Freunden von mir nicht. Ich würde meine Eltern jederzeit pflegen oder mich um sie kümmern, wenn sie im Krankenhaus sind. Ich bin für sie da, wenn sie mich brauchen. Das ist für mich selbstverständlich. Und das war es auch für mich mit Anfang oder Mitte 20.
Die Ehefrau vorzuschicken, dazu gehört halt schon sehr wenig Rückrat. Oder die Ängste und Verletzungen sind so schlimm, dass man sich nicht anders zu helfen weiß. Das ist es eben: es wirkt unreif. Genauso wie das vermeintliche Schmollen, weil Mutti sich nicht genug gefreut hat über das Fotoalbum. Es kann aber auch etwas ganz anderes dahinter stehen. Und wenn man sich nicht anders zu helfen weiß, als die Frau vorzuschicken, kann das wirklich Unsicherheit und Verzweiflung sein. Oder man ist einfach so ichbezogen und egoistisch gestrickt, dass man überhaupt keinen Bock hat, sich nur ansatzweise die Mühe zu machen, mit der Mutter zu reden. Das glaube ich aber nicht in dem Fall. Weil dann macht man sich auch nicht die Mühe, auf deren Geburtstag zu gehen und ein Fotoalbum für sie anzufertigen. Das spart man sich dann auch.
Ich bin auch immer skeptisch, wenn Leute vorgeschickt werden, um "stellvertretend" was für andere zu bereden oder zu vermitteln. Kann auch sein, dass die Frau da ihre eigenen Motive mehr reingelegt hat, als okay war. Oder dass sie womöglich andere Sachverhalte und Worte gewählt hat, als die Söhne. Ohne ihr direkt was unterstellen zu wollen. Es ist halt nur immer so eine Sache, wenn jemand vermittelt oder vorgeschickt wird. Ich würde das als Frau auch gar nicht wollen. Ich würde da meinen Mann sagen, dass er schön selbst mit seiner Mutter reden soll.
Vielleicht geht es gar nicht um das Fotoalbum an sich. Vielleicht war es für den einen Sohn eine tiefgehendere Sache. Oder auch der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn da alte Verletzungen ganz tief sitzen, kocht oft durch Kleinigkeiten schon sowas mal hoch.
Was ich merke beim Lesen: ihr könnt im Moment alle nicht vernünftigt miteinander reden. Da wird die Frau vorgeschickt. Und mischt sich ein. Da telefoniert die TE dann wieder mit der Schwiegertochter. Die Söhne sprechen nicht mit ihrer Mutter. Dann erfährt man: der Kontakt war vorher auch anscheinend nicht so spitze.
Auf mich wirkt es so, als ginge es da um ganz tiefsitzende, prinzipielle Sachen. Vielleicht auch emotionale Verletzungen, die über Jahre entstanden sind. Deswegen würde ich das Fotoalbum eher symbolisch sehen oder beiseite nehmen als Hauptgrund.
Es geht auch nicht darum, bettelnd und winselnd auf den Knien zu rutschen und die Söhne um ihre Zuneigung anzuflehen. Es geht vielleicht darum zu sagen: "Ihr seid meine Kinder. Ihr seid mir unglaublich wichtig und wenn ihr nicht mehr in meinem Leben wärt, das wäre unglaublich schlimm für mich. Können wir das lösen, dass wir uns wieder normal begegnen können? Und wenn nicht jetzt, dann möchte ich euch wissen lassen, dass meine Tür immer für euch offen ist. Weil ich gerne mit euch ehrlich reden wollen würde." Oder auch "Ich würde gerne eure Seite hören. Bisher war jetzt nur XY Freundin bei mir, die ihr vorgeschickt habt."
Zu sagen, dass man jemanden liebt und ein Kontaktabbruch wahnsinnig schlimm wäre und man gerne reden wollen würde darüber bedeutet nicht gleichzeitig, dass man sich als Alleinschuldiger hinstellt oder bettelt. Es ist ein Angebot. Und wenn sie das Angebot nicht annehmen, ist erstmal Distanz da. Das bedeutet aber auch nicht, dass die Türe für immer zu bleiben muss.
Ich finde das sehr schade, dass sich jetzt auch die Front der TE so verhärtet und sie sich abwendet. Kann ich zwar verstehen, irgendwann ist das Maß auch voll. Und ich käme mir gelinde gesagt auch erstmal verarscht vor, wenn meine erwachsenen Söhne jemanden vorschicken, um mir zu sagen, wie scheiße ich doch als Mutter bin und dass sie keinen Kontakt mehr wünschen. Aber dahinter können aber wie gesagt noch ganz andere Dinge stehen. Oder es wäre auch interessant, die Seite der Söhne zu hören.
Es ist auch kein Drama, erstmal auf Abstand zu gehen und alles sacken zu lassen. Die Türe würde ich aber nicht ganz zu machen. Und ich würde auch nicht darauf setzen, dass die Söhne "aufwachen", wenn Enkelkinder da sind. Vielleicht sorgt das nur noch mehr zur Verschärfung der Situation oder dass sich die Fronten noch mehr verhärten. Wenn der Konflikt jetzt über Monate oder Jahre so weiterläuft. Sich jetzt abzuwenden und zu sagen "Ich will nicht mehr, sollen die kommen, wenn die was wollen" ist ein ähnliches Verhalten, wie die Söhne jetzt bringen: "Wir schicken die Schwiegertochter vor und wollen nicht mehr".
Kritik kann man sich anhören und den anderen offen begegnen. Ob man sie annimmt oder nicht oder was man für sich rauszieht, ist dann eine andere Sache. Es geht erstmal finde ich um prinzipielle Gespräche und Klärung und weniger darum, sich zu fragen, wer wie Schuld ist oder zu wenig dankbar. Wenn man jetzt ausdiskutiert, wer Schuld ist und wer nicht und wer zu wenig Dankbarkeit gezeigt hat, verstrickt man sich schlimmstenfalls noch mehr in den Konflikt. Jetzt geht es meiner Ansicht nach erstmal um Schadensbegrenzung und die verhärteten Fronten ansatzweise wieder zu öffnen.
Ich glaube, gut geht es den Söhnen mit diesem Verhalten auch nicht. Und der TE geht es offensichtlich ja auch nicht klasse im Moment.