Ist das ein Gesetz? Oder doch nur ein westlich geprägter Glaubenssätze, den wir überall eingetrichtert bekommen, um mit der Unmenschlichkeit umgehen zu können? Ich finde nicht, dass dies allein in meiner Macht steht oder besser: stehen sollte.
In anderen Kulturen gibt es gesellschaftliche Höflichkeitsregeln, die darauf bedacht sind, sein Gegenüber nicht zu verletzen. Da ist das Wohl der Mitmenschen ebenso von Bedeutung, wie das eigene. Hier aber bekommt man an allen Ecken ein außerst Ich bezogenes Weltbild vermittelt... Nur du bist für dich selbst verantwortlich... nur du hast die Macht über deine Empfindungen... Nur du bist wichtig. Ich mag mit meiner Weltsicht eine Einzelkämpferin hierzulande sein, aber ich bin überzeugt davon, dass es eben um viel mehr geht, als um mich selbst. Wenn ich etwas falsches gesagt oder getan habe, möchte ich mich darauf verlassen können dürfen, dass mir das mitgeteilt wird, ohne fürchten zu müssen, dass die Bindung sofort aufgelöst wird. Wenn jemand mir gegenüber etwas falsch macht, dann möchte ich das ebenso kommunizieren und aushandeln dürfen. Alle Menschen haben blinde Flecken. Warum wird nicht versucht gemeinsam daran zu arbeiten, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen?
Ich habe mit so vielen Opfern von Gewalt inzwischen gesprochen... Was die allermeisten vereint, ist die Tatsache, dass diese sich stets immer nur eines gewünscht haben: aufrichtige Einsicht in das Verhalten/die Taten der Täter. Keiner dieser Menschen wollte Rache, will Geld, will Erklärungen... Sie wollen echte Einsicht und vielleicht auch eine Entschuldigung. Aber gerade darin sind wir Menschen ganz besonders mies. Zu dem stehen, was wir getan haben.
Ich habe aufgehört mit Tätern Mitgefühl zu haben, wie es hier gefordert wird, so lange, bis sie mir aufrichtig gegenüber treten und sie zu ihren Taten stehen. Dann erst darf neu verhandelt werden. Diese Türe lasse ich allen Menschen offen, denn niemand ist perfekt und niemand wird böse geboren. Und wer mir massiv schadet, der hat sehr wohl einen Anteil daran. Wenn ich jemanden versehentlich töte, dann mag das auch keine Absicht gewesen sein. Die Konsequenzen habe ich aber dennoch zu tragen. Leider bleiben diese bei emotionaler Gewalt und Missbrauch oft aus, weil wir keine guten Werkzeuge haben, das zu sühnen. Also braucht es Krücken wie: es ist ja deine Entscheidung, ob dich das verletzt oder nicht, krank macht oder nicht. Westliche Krücken, um von dem ICH, ICH und nach mir ICH nicht abrücken zu müssen. Anstatt sich einfach mal zu entschuldigen, werden Rechtfertigungen vorgebracht. So, wie es Savay auch tut.
Ich habe neulich meinem Lehrer volles Brett ins Gesicht geschlagen. Das war keine Absicht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er nicht ausweicht. Anders als mein erster Lehrer dies gerne tat und dem Trainingspartner die volle Verantwortung dafür gibt, weil er " ja nicht ausgewichen ist", wenn er ihn verletzt hat, habe ich mich kurz bei meinem Lehrer entschuldigt und gezeigt, dass mir klar ist, dass ich ihn verletzt habe. Dass er aber darauf vertrauen darf und kann, dass dies keine Absicht war. Ein solches Verhalten fehlt vielen Menschen. Sie kehren es lieber schnell unter den Teppich oder ziehen weiter, anstatt zu dem zu stehen, was sie getan haben. Unsere "Verbindung" aber stärkt es, da wir darauf vertrauen, dass Verletzungen im Miteinander eben passieren können, dies aber niemals den Respekt voreinander untergräbt. Dazu braucht es stets beide Seiten.