@Knabberkeks: Du warst schon lange nicht mehr im Forum aktiv, was ich sehr schade finde. Mich würde es brennend interessieren, wie es dir gerade so geht und was momentan in deinem Berufsleben passiert. Deine Geschichten habe ich immer mit großem Interesse gelesen und mich jedes Mal gewundert, dass du auf der Arbeit ständig auf so komische Leute triffst, die wegen lächerlichen Kleinigkeiten (ja, das SIND Kleinigkeiten!) an die Decke gehen.
Inzwischen glaube ich zu wissen, wo dein Problem liegt. So wie ich das verstanden habe, waren deine Arbeitgeber in erster Linie Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, usw. Also Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Nach vielen Jahren in der freien Wirtschaft bin ich in diesem Jahr in den öffentlichen Dienst gewechselt. Seither habe ich so einige Erfahrungen gemacht, die starke Parallelen zu deinen Erzählungen aufweisen.
Auch bei mir auf der Arbeit ist es nicht gern gesehen, wenn Mitarbeiter (insbesondere rangniedrige und neue Mitarbeiter) eigenständig Entscheidungen treffen. Selbstverständlich frage ich, ob das in Ordnung geht, wenn ich z. B. mal im Home Office arbeiten oder frei haben möchte. Aber bei uns muss auch in vielen Situationen fragen, in denen ich nie auf die Idee gekommen wäre, es zu tun und "einfach gemacht" hätte. Wenn ich z. B. für unsere Führungskraft ein Dokument mit vielen Seiten ausdrucken oder kopieren muss, sollte ich aufpassen, dass die Kollegen in den benachbarten Räumen (Drucker/Kopiergerät befindet sich auf dem Gang) in der Mittagspause oder in Besprechungen sind. Sonst könnte es sein, dass sie sich von dem Geräusch des Gerätes extrem gestört fühlen. Und zwar auch, wenn die Bürotüren verschlossen sind. Das ist so ein klassisches Beispiel für so eine "unausgesprochene Regel", die man als Neuling nicht unbedingt wissen kann, weil es in den meisten Privatfirmen einfach nicht üblich ist.
Bei uns ist es auch so, dass die meisten Leute dich nicht im höflichen Tonfall darauf hinweisen, wenn du aus Unwissenheit etwas falsch gemacht hast. Sie werden größtenteils aufbrausend und pampig, manche reden dann auch mal 1-2 Tage kein Wort mit dir. Den Umgang mit Fehlern finde ich unter aller Kanone. Die Person, die mich eingearbeitet hat, sagte mir gleich in den ersten Tagen, dass Fehler bei uns absolut nichts Schlimmes sind, weil man sie schnell und problemlos korrigieren kann und kein Fehler negative Auswirkungen auf die Arbeit hat. Ich mache wirklich selten Fehler, aber wenn es mal passiert, machen die besagte Person und diverse andere Leute ein Riesendrama daraus und falten mich zusammen. Im Real Life würde ich mir so einen Tonfall sofort verbitten. Auf der Arbeit habe ich mich noch nicht getraut, weil diese Menschen ziemlich eng mit unserer Führungskraft sind und ich Angst habe, dass sie mich beim Vorgesetzten schlecht machen könnten. Ich werde mich demnächst mit jemandem vom Personalrat in Verbindung setzen, der eine hohe Meinung von mir hat.
Meine gleichgestellte Kollegin hat es neulich auch probiert und der Führungskraft erzählt, dass ich böse unverschämte Person es gewagt habe, zu telefonieren, während sie sich ihr Wurstbrot geschmiert und ihren Kaffee gekocht hat. Der Vorgesetzte hat ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass ein geschäftliches Telefonat eine höhere Priorität hat als die Zubereitung eines Frühstücks. Nun, meine Kollegin steht auf derselben Stufe wie ich und ist neu bei uns Haus. Sie kann es sich nicht erlauben, mir Vorschriften zu machen. Anders sieht es bei Kollegen aus, die schon länger bei uns arbeiten oder die höhere Positionen haben.
Hierarchien werden im öD viel stärker ausgelebt als in der fW. Viele höhergestellte Mitarbeiter lassen es mich immer wieder spüren, dass ich in der Rangordnung unter ihnen stehe. Das habe ich in dieser Form noch nie so empfunden wie ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber der Fall ist.
Was deine und meine Kollegen mit uns abziehen, sind Machtspielchen. Dein "Problem" ist deine Beliebtheit bei den Schülern. Viele Menschen sind neidisch und können nicht damit umgehen, wenn andere beliebter sind als sie selbst.
Bei mir ist es die Tatsache, dass ich sehr selbstbewusst bin, eine schnelle Auffassungsgabe habe und meinen Job wirklich gut mache. Diesen Eindruck hatte mein Vorgesetzter schon beim Einstellungsgespräch von mir und ist mit meiner Leistung auch sehr zufrieden. Die "älteren" Mitarbeiter aber scheinen sich irgendwie von mir bedroht zu fühlen.
Im öD ist es wichtig, in der Anfangszeit sehr sehr ruhig, zurückhaltend und so unauffällig und devot wie möglich aufzutreten. Zu viel Offenheit, Selbstbewusstsein und Beliebtheit ist eher schädlich als nützlich. Die Leute wissen genau, wie sie anderen schaden können, weil sie nach der Probezeit so gut wie unkündbar sind.
Wenn du dich nicht zurückhalten kannst oder nicht willst, würde ich dir zu einem Wechsel in die freie Wirtschaft raten.