Hallo polgara,
es scheint, als hätten wir die gleiche Sorte von Sohn
Es wunderte mich eben auch, dass dein Sohn auch auf die Klassenfahrt verzichtet hat.......
Was macht dein Sohn denn jetzt?
Wie hast du alles geschafft?
Na ja, ich bin Erzieherin und habe deshalb wenig Hemmungen Beratungsstellen oder auch das Jugendamt aufzusuchen. Mach ich sowieso beruflich.
Als die Situation eskalierte und mein Sohn auch teilweise mit 15 knapp 16 teilweise eine Woche lang verschwunden war (bei Freunden von ihm) bin ich zum Jugendamt. (er konnte mit den Grenzen die ich zuhause gesetzt hatte nicht umgehen)
Er bekam dann einen Sozialarbeiter zugeteilt, der ein bestimmtes Wochenpensum für ihn zur Verfügung hatte. Da haben die beiden gequatscht, sind Kaffee trinken gegangen , haben Rasen gemäht, anderen Jugendlichen beim Umziehen geholfen, waren auf dem Arbeitsamt usw. Toller Mann und eine große Hilfe und jetzt nach Abschluss der Maßnahme ein guten Bekannter von uns.
Zuhause wurde es natürlich nicht besser. Drogenkonsum, exzessives PC-Spielen, Schulverweigerung, Schulwechsel, Schulverweigerung... Zimmer vollgemüllt, Essensreste wie bei Messies, nicht geduscht, keine Zähne geputzt (über Wochen).
Wenn ich im Zimmer was raus räumen wollte, dann nur unter Streit, Gebrülle.. ich sage ja, es war richtig heftig. Habe zu der Zeit auch Kontakt zum Kinderarzt gehabt. War einmal kurz davor ihm einliefern zu lassen. Teilweise lag er im Bett und weinte und sagte er wolle nicht mehr leben (wahrscheinlich chemische Drogen)
Gegessen hat er trotzdem kaum (wobei er schon immer sehr dünn war). Hat ausgesehen wie der Tod.
Ich habe ihn dann irgendwann Mitte der neunten Klasse mal ganz abgemeldet (er hätte dann auf die Berufsschule müssen weil er noch nicht volljährig war). Er wollte einfach nicht mehr. Die Polizei war auch bei uns (ich wusste davon, dass sie kommen, um ihn in die Schule zu holen. Das hatte ihn kurzfristig geschockt, aber nichts bewirkt). Dann war die Idee, dass er zuhause alleine seinen Hauptschulabschluss macht (bei einer Fernschule). Das klappte natürlich auch nicht.
Und durch einen riesengroßen Zufall wurde er wieder in seiner alten Schule aufgenommen. Und dort hat er mit Hängen und Würgen durchgehalten, bis zur Realschulprüfung (die er übrigens mit drei abgeschlossen hat, obwohl er nie Hausaufgaben gemacht hat und den größten Teil der Zeit gefehlt). In Mathe hat er einem Nachhilfelehrer zugestimmt, einem jungen türkischen Studenten, der auch positiven Einfluss nahm.
Dann nach der Schule wusste er überhaupt nicht, was er machen sollte und letztes Jahr im August war noch keine Bewerbung geschrieben. ich habe ihm das Messer auf die Brust gesetzt und ihm gesagt, dass er entweder mit Beginn des neuen Schuljahrs einen Schulplatz, einen Ausbildungsplatz oder einen Job hat. Sonst gäbe es keine Kohle mehr.
Die Bewerbungen habe ich für ihn geschrieben (er saß neben mir) und wie so oft in seinem Leben hat dieses Kind so viel Glück, dass er tatsächlich beim zweiten Vorstellungsgespräch genommen wurde (auch er sagte immer, warum ich mich so aufrege, es geht doch immer gut und er hat es doch immer geschafft - naja was soll ich sagen : Er hat Recht. Wobei ich denke, dass dahinter auch immer mein Wirken stand
und das der guten Geister um ihn herum).
Der Ausbildungsbetrieb war so schlimm, dass ich zustimmte, dass er kündigt. Er hatte allerdings ein Praktikumsplatz in einem anderen Betrieb der gleichen Branche (durch beziehungen meines Mannes)und er war sich sicher, dass die ihn nehmen nach dem Praktikum.
Und was soll ich sagen? So war es. Das war letzten November.
Seitdem steht er morgens mit uns auf, geht freudig arbeiten und identifiziert sich mit seinem Betrieb und Job. Ein Problem bleibt: An Schultagen ist er extrem schwer wach zu bekommen, wobei er es nicht übertreibt.
Und wie hält man sowas durch? Es war teilweise sehr schlimm. Ich habe Seiten an mir erlebt für die ich mich heute schäme - wie ich mich so gehen lassen konnte ihm gegenüber. Aber ich habe immer zu ihm gehalten, in den schlimmsten Zeiten konnte ich manche kurze normale Gespräche führen. Auch er hat mir mal gedroht mich zu schlagen, aber ich glaube meine Reaktion war so mächtig und überzeugend, dass er es nie gewagt hat.
Ich habe keinerlei Ansprüche mehr an ihn gehabt. Ich war froh über alles Kleine was gelang und was an sozialem Kontakt zu ihm möglich war.
Und ich habe einen tollen Mann (nicht der Vater) der mich durch diese schwere Zeit geleitet gestützt kritisiert und aufgeheitert hat.
Und ich hatte tolle Freunde die mich aufheiterten. Ein rundrum gutes Netzwerk.
Selbst heute lebe ich dennoch von Monat zu Monat und werde nervös, wenn er nicht gleich aufsteht morgens.
Aber es ist als ob ein neuer Mensch nach dieser schlimmen Zeit geboren ist, der all die Werte, die ich ihm versucht habe zu vermitteln, über die schlimme Zeit tief in sich verwahrt hat, um sie jetzt als Erwachsener wieder hervor zu holen. Das stimmt mich optimistisch.
Was übrigens auch eine kurzfristige Änderung in seinem Verhalten bewirkt hatte, waren neue Kleider. Zu seinem Geburtstag hatten wir alle mal zusammen gelegt und er konnte sich im coolsten Laden der Stadt vollkommen neu einkleiden. So als ob eine äußere Veränderung eine Innere bewirkt (wie im Märchen
).
So das war aber viel.
Es wird deine Situation nicht ändern, aber du bist nicht alleine.
So habe ich es geschafft.