Guten Abend
@Fussel.
Die meisten User, die hier antworten, so ist mein Eindruck, sind Kinder von Eltern, die diese Beziehung gekappt haben. Aus jeweils einzigartigen und nachvollziehbaren Gründen.
Nur wenige Eltern äußern sich, sicherlich auch geschuldet dem Altersdurchschnitt bei den Usern, die es betrifft. Aber auch, weil dieses Thema bis heute behaftet ist mit starkem Vorbehalt und fast immer sofort der Auslöser gefunden ist, nämlich es sind die Eltern oder Großeltern. Und so ist es auch in den allermeisten Fällen, keiner macht sich so eine Entscheidung leicht, weil sie nicht nur sehr schmerzhaft ist, sondern sich auch oft über viele Jahre nicht aufdröseln lässt, weil allein der Kontaktabbruch nicht die ersehnte Lösung oft ist.
So eine Trennung ist eine harte Art der Ablösung von der Familie bzw. Mutter oder Vater.
Natürlich geschieht in einem gewissen Alter eine Ablösung der Kinder von den Eltern, das ist die normale Entwicklung. Und das wünschen sich die Eltern ja auch, dass ihre Kinder zu Menschen werden, die ihr Leben gut meistern und die sich selbst ihr eigenes Leben gestalten.
Allerdings wird wenig bedacht, so meine ich, dass diese Ablösung nicht nur Sache der Eltern ist, denn somit wäre es ja mehr oder weniger nur eine Einbahnstraße, doch so ist es nicht. Die Kinder müssen sich von ihren Eltern lösen. Und die Eltern müssen ihre Kinder auch loslassen, dem Alter natürlich angemessen.
Es heißt ja, gib Deinen Kindern Wurzeln, damit sie aufwachsen können und gib ihnen Flügel, damit sie fliegen können. Je besser die Kommunikation ist, desto besser gelingt das auch in den meisten Familien.
Diese emotionale Ablösung, die erwachsene oder heranwachsende Kinder durchleben, ist ein wichtiger und unabdingbarer Prozess. Zu dieser Zeit müssen unsere Kinder die Erwartungen, die sie an uns als Eltern haben, auch genau hinterfragen und darauf schauen, was in der Beziehung zu meinen Eltern passt eigentlich noch und was davon passt überhaupt nicht mehr in mein Leben. Wie will oder kann oder möchte ich gar nicht leben? Und das ist auch ein Zeitpunkt, an dem Eltern und Kinder auseinanderdriften in ihren Lebensvorstellungen, doch das lässt sich kommunizieren und die wenigsten Eltern legen ihren Kindern Steine in den Weg. Es gibt die Eltern, die sich zuviel einmischen, ganz sicher, die zuviel Verantwortung abnehmen, zuviel erledigen, was nicht mehr ihre vorrangigste Aufgabe ist. Beide Seiten müssen da lernen und leider gehen auch dadurch viele gute Eltern-Kind-Beziehungen zu Bruch. Das habe ich in vielen Jahren viel zu oft gesehen, doch die Menschen sind nun einmal verschieden und verschieden emotional.
Eine andere Seite ist – und das fällt vielen Kindern richtig schwer, weil es teilweise eine echt schmerzhafte Sache ist, zu erkennen, dass Kinder irgendwann aufhören müssen, sich von den Eltern etwas zu wünschen, was diese aber auch noch nie geben konnten. Die Eltern haben ebenfalls eine Vorgeschichte und sind auf keinen Fall fehlerfrei. Die meisten möchten ihren Kindern einen guten Start ins Leben geben.
Die Kinder müssen also an die eigenen Erwartungen an ihre Eltern ran und auch wirklich akzeptieren, dass Eltern enttäuschen können. Es ist illusorisch zu denken, dass Eltern die berechtigten Vorwürfe akzeptieren und verstehen (Ich schließe aber dabei Missbrauch, Gewalt, Vernachlässigung u. ä. aus).
Natürlich muss sich niemand als erwachsenes Kind gefallen lassen, weiterhin wie ein unmündiges kleines Kind behandelt zu werden. Traurig, wenn das nur mit Hilfe von Abbruch der Beziehungen scheinbar zu lösen ist. Ich habe den Eindruck, dass gerade hier in Deutschland nicht so viel Wert auf Familienbeziehungen bzw. starke Familienstrukturen gelegt wird, das ist mein persönlicher Eindruck und nicht auf alle umlegbar. Das lässt sich für mich auch nicht allein mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung, nach Selbstverwirklichung erklären. Der Zusammenhalt hat sich m. M. nach vom Inhalt her verändert. Ich habe ziemlich oft erlebt, wie lästig familiäre Bindungen, selbst wenn sie gar nicht als schlecht bezeichnet wurden, zu bestimmten Zeiten empfunden wurden. Das muss jeder für sich entscheiden, doch der Satz, dass unsere alten Menschen in der Gesellschaft vereinsamen und vergessen werden, obwohl sie auch Mutter oder Vater sind, ist keine leere Phrase.
Und auch deshalb bin ich der Meinung, dass nicht immer per se sowieso bzw. vorrangig die Eltern die Schuld daran tragen, wenn Beziehungen Eltern - Kind zerbrechen. Und es sollte gerade diesen Eltern dieses Schandmal oder dieser Makel genommen werden.
Gesehen werden muss bei einem Bruch in der Familie unabdingbar die Sicht beider Familienangehörigen.