Depressionen sind wie Segeln bei Böen. Man kommt schon vorwärts, aber nur ruckartig.
Da man so ständig nachjustieren muss, kann es auch sein, dass es zeitweise etwas rückwärts geht.
Wer in Behandlung ist, hat beim Segeln den Hilfsmotor angeworfen. Aber auch das ist nicht dasselbe wie Segeln bei beständiger Brise, weil der Motor wiederum Hilfe, Wartung etc braucht und man sich um ihn kümmern muss.
Weiter oben stand, dass Depressive nicht beziehungsfähig sind.
Man kann beides als "und" verstehen: Beziehung und Depression.
Eine Beziehung kann fördern und fordern, eine Depression fordert dagegen schon ganz gut. Also verstärkt ein negatives Zusammentreffen beides , bei positivem Zusammentreffen kommt man immerhin in einen neutralen Bereich, der aber oft nicht das ist, was ein Partner von einer Beziehung erhofft.
Auf jeden Fall sind die letzten Monate ein Auf und Ab. Es gibt Tage da meldet er sich gar nicht, reagiert auf keine Nachrichten von mir, obwohl er online war. Wenn ich ihn darauf anspreche sagt er es wächst ihm alles über den Kopf.
Dies wird daran liegen, dass er Mühe hat, nicht-depressiv zu sein. Wenn ihm "alles" über den Kopf wächst, steht eine Phase an, die tatsächlich "alles" umfasst, in der eher nichts mehr geht.
Ich weiß nicht wie ich mit ihm umgehen soll. Ich lasse ihm Freiraum und mache auch keinen Druck. Aber es fühlt sich so falsch an. Es gibt Tage da bräuchte ich ihn auch, ich habe auch Sorgen die ich gerne mit meinem Partner teilen möchte. Füreinander da sein, wäre schön.
Ich fühle mich von ihm zurückgestoßen.
In solchen Phasen hat er auch keine Kraft mehr, sich um irgend etwas reales zu kümmern. er versinkt sozusagen auf seinem Weg durchs Leben in einem Schlammloch und hält irgendwie Ausschau nach festem Untergrund.
Gefühlt wirst Du, wie Du sagst, zurück gestoßen.
Dein Freund wird aber die Erfahrung gemacht haben, dass man Andere mit immer demselben Problem ziemlich schnell auslaugt, dass dem Gegenüber die Argumente ausgehen, weil es nicht weiss, was an Rat zielführend ist und zu einem greifbar nahen Ergebnis führt.(Er fürchtet Dich abzustoßen).
Genau so einen Rat gibt es aber nicht, da ein Betroffener selber - mit Hilfe eines Arztes oder Beraters -Änderungen herbei führen muss. Dies insoweit, als rein körperliche Krankheitsbestandteile ausgeschlossen sind.
Man kann also nicht zu einem Arzt gehen, sich in Narkose versetzen lassen und behandeln lassen sondern man wird seine eigenes Denken, seine Einstellung, die man bisher für gut und richtig gehalten hat, ändern müssen.
Dazu muss man zugeben, dass man bisher alles falsch gemacht hat.
Als Kontrollgedanken kann man aufführen, dass der Betroffene sich einen Coach holt, der im siebten Himmel schwebt, welcher ihm ab Tag x peinlich genau befiehlt, was er zu denken, zu träumen, zu planen und wie er sekundengenau zu leben hat.
Der Betroffene hätte also sofort zwangsweise positive glückliche Gedanken, Träume und Umstände.
Da dies zum einen niemand zulässt und zum anderen niemand leisten kann, erfordert eine Therapie häppchenweises Umdenken, einen langen Lernprozess und vor allem die Bereitschaft, sich eine Zeit lang um nichts anderes mehr als um das zu kümmern.
Alternativ ist der Weg halt der, dass man sich selber eine Gehirnwäsche verpasst, indem man alles was negativ ist, entschieden willentlich ablehnt und sofort durch positives ersetzt.
So war's bei mir, und so bin ich durch eigenen Zwang zwar nicht mega glücklich aber immerhin nicht mehr depressiv. Im Vergleich mit anderen kann ich meiner Überzeugung nach damit so gut auskommen, dass ich sogar glücklicher als andre (darüber) bin, nicht (mehr) unglücklich zu sein.
Ich besitze seitdem einen "persönlichen Coach" im Kopf und traue diesem mehr als "mir" selbst.
Er sagt mir zB, wenn etwas nicht läuft, dass ich das einfach vergessen soll und mich um Dinge kümmern soll, die mich weiter bringen.
Gefühlt traue ich daher keinen Empfindungen mehr sondern hinterfrage sofort, was ich empfinden sollte, damit es eine schöne Empfindung ist. Die setze ich dann blitzschnell um.
Aktuell ist Dein Freund noch nicht gesund. Er könnte es aber später sein - oder auch nicht.
Daher bleibt dir nur, entweder bei ihm zu bleiben und zu fordern, dass er sich endgültig fallen lässt, um gesund wieder aufzustehen - oder es bleibt wie es ist und Du musst damit leben oder eben nicht.
Die Gefahr, die Dir nun droht, ist Co-Abhängigkeit.
Du bist unglücklich, weil es ihm schlecht geht, weil es seiner Katze schlecht geht, da es ihm schlecht geht und so weiter. Daher brauchst Du - auf jeden Fall! - die nötige Distanz zu seinen Problemen und darfst Dich nicht wie ein domino-Stein - in einer Kette wiederfinden, in der Du mitgerissen wirst.