Verletzt dich so eine Aussage nicht? Damit hält er dich quasi auch für Verrückt, denn du hast ja eine Therapie gemacht. Und gebracht hat es dir doch auch was, warum sollte es ihm nicht auch helfen?
Ich glaub, da steckt noch mehr dahinter... Meine Eltern schickten mich auch in Therapie, aber ich hatte nie den Eindruck gewonnen, dass Therapien nur was für Verrückte wären. Ich vermute eher, dass Freunde oder Klassenkameraden irgendwie von seiner Therapie Wind bekommen haben und er vielleicht deswegen gehänselt wurde. Oder man hat sich in seinem Umfeld generell über psychisch Kranke lustig gemacht und er hat sich das zu sehr zu Herzen genommen. Ich weiß noch, dass z.B. meine Mitschüler auch gerne über psychisch Kranke und die „Klapse“ im Nachbarort herzogen. Im Grunde nur blödes Gerede und auch nicht wirklich ernst gemeint, aber hätte sicherlich jemanden schwer treffen können, der sich gerade in einer Therapie befindet bzw. unter psychischen Problemen leidet.
Ich denke, wenn er solche Ansichten vertritt, wird ihm auch eine Therapie nicht viel bringen, da er sich dann nicht öffnen würde.
Ich weiß auch nicht, ob es helfen würde, wenn du nochmal mit deinem Mann über eine Therapie sprichst und versuchst, ihm die Vorurteile und Ängste etwas zu nehmen. Aber ich glaube, er ist da wohl zu verbohrt und wird sich nicht so leicht umstimmen lassen.
Im Grunde ist es ja auch sein gutes Recht, keine Therapie zu machen. Doch wenn er sich so entscheidet, dann wäre es besser, wenn du ihm sagst, dass du diese Entscheidung nicht mitträgst. Dann würde ich auch zur Trennung raten. Denn darauf hoffen, dass er seine Probleme alleine in den Griff bekommt würde ich an deiner Stelle nicht.
Doch, das ist schon verletzend und das habe ich ihm auch schon mitgeteilt, dann nimmt er das wieder zurück und sagt, er hätte es so nicht gemeint.
Ob er diesbezüglich aufgezogen wurde, das weiß ich nicht, aber er wurde in seiner Kindheit oft und lange gemobbt, weil er in vielem anders war/ist und in der Provinz war/ist das oft alles ja noch extremer.
Mein Mann hat generell einen "Vaterschaden", ich glaube, das kann man schon sagen, den er auch nicht wirklich zugeben will, obwohl er sich dem teilweise schon bewusst ist. Sein Vater hat die Familie damals verlassen, als mein Mann fünf Jahre alt war. Und er hat ihn unschön manipuliert, wollte zum Beispiel Jahre nicht mehr mit ihm reden oder ihn zu sich nehmen, weil er sich für seine Mutter "entschieden" habe. Als ich seinen Vater kennen lernte, riet er mir sogar von einer festeren Beziehung ab, denn "der wird dich nur unglücklich machen". Ich fand das damals unglaublich...
Als er krank war, ist jeder bei meinem Mann vorbei gekommen bis auf seinen Vater. Den mussten wir dann besuchen gehen, nachdem mein Mann aus der Reha entlassen wurde (Vater lebt im Ausland), was mit Anstrengungen und Aufwand verbunden war, aber mein Mann wollte es so und was man nicht alles mitmacht... Jetzt beim Schreiben wird mir gerade bewusst, dass der große Einbruch meines Mannes während dem Aufenthalt bei seinem Vater anfing. Das habe ich damals gar nicht in Verbindung gebracht, weil einfach so viel los und zu tun war. Aber es fällt mir jetzt auf, dass er zuvor noch wesentlich zugänglicher war.
Mein Schwiegervater hat meinen Mann eigentlich immer nur abgelehnt und ihn seine eigenen Frustrationen spüren lassen. Trotzdem will mein Mann seinem Vater, der auch nur 17 Jahre älter als er ist, immer gefallen und misst sich irgendwie an ihm. Ich sehe da ein Muster. Und das will ich unserem Sohn nicht antun. Und er hat heute im Laufe des Tages dann auch tatsächlich noch den Knaller gebracht, unsere Tochter anzurufen und ihr anzubieten, dass, wenn sie so traurig über seinen Aufenthalt bei dem Freund ist, sie ja einfach mit ihm gehen kann. Von unserem Sohn keine Rede. Und wessen Geschwister wurden ihm gegenüber von seinem Vater bevorzugt? Richtig, seine.
Ich vermute, dass er sich durch seine Behinderung jetzt zum Teil auch darin bestätigt sieht, dass er der "Verlierer" ist, den sein Vater immer schon aus ihm machen wollte. Und in seinem Anderssein, was er ja jetzt nach außen wirklich ist. Gott, das macht mich so wütend. Es ist doch wirklich schrecklich, wie kaputt man jemanden schon als Kind machen kann und was für Kreise das dann zieht.
All das zusammen genommen hat irgendwie immer schon bewirkt, dass er so eine Fassade und ein Schutzschild aufgebaut hat. Er hat denke ich zu oft die Erfahrung gemacht, dass er, wenn er seine weiche Seite, seine Verletzlichkeit zeigt, doch nur dafür abgestraft wird. Aber zwischen uns war das immer anders und, dass er sich dann auch mir gegenüber so abschottet, das ist wirklich eine große Veränderung und für mich auch einfach traurig. Vielleicht klingt das ja überzogen, aber mir tut es weh für ihn. Ich habe ihm nichts davon gezeigt, weil ich nicht wie der weinende Kumpel an seinem Bett sein und ihn noch mehr runterziehen wollte, aber manches, wo er sich durchquälen musste in den letzten Jahren, konnte ich als bloßer Zuschauer auch kaum aushalten - gerade, weil ich rein gar nichts tun konnte, außer zusehen, hoffen, reden und versuchen irgendwie da zu sein.
Ich würde mir SO wünschen, er könnte sich auf eine Therapie einlassen und irgendwie ein bisschen heilen. Vieles, von dem, was ich hier über ihn geschrieben habe, klingt sehr negativ, aber er hat ganz andere Seiten. Vor allem wollte er andere und besonders mich, immer glücklich machen. Nicht umsonst hat er so wahnsinnig viele Freunde und Bekannte gehabt, er wollte immer eine Bereicherung für andere sein und war das auch. Ist es noch. Ich wünschte nur, er würde sich selbst jetzt mal helfen lassen.