Danke dir sehr für die Zeit, die du dir für diese ausführliche Antwort genommen hast! Ich bin wirklich froh über alle Sichtweisen, weil es mich dann ja auch wieder auf neue bringt.
Das nagt am Selbstwert, am allgemeinen Wohlbefinden und es kommt die Angst auf, nicht mehr attraktiv zu sein und nicht mehr zu genügen.
Ja, das spielt wohl mehr eine Rolle als ich dachte bzw. dachte ich wohl, dass er damit inzwischen besser zurecht kommt.
Umso größer ist dann das Bedürfnis, sich seiner eigenen Männlichkeit und Attraktivität zu versichern. Was eignet sich dazu besser als positivr Resonanz von anderen Frauen und v.a. Sex mit der Partnerin? Das ist die Bestätigung für den Mann, dass er „gewollt“ und „angenommen“ ist. Ich glaube, Männer ticken da häufig anders als Frauen und brauchen nicht viele schöne Worte, sondern direkte Bestätigung.
Ja, auch das wird sicher so sein. Dass es mit Worten allein nicht getan ist. Aber das war bei uns ja auch gar nicht so, bis er dann so abgedriftet ist, dass ich dann wirklich dieses Jahr Abstand genommen habe aufgrund seines teils schon groben Verhaltens. Es ist schwierig für mich, wie ich ihm das noch klarer machen soll, denn ich muss mir ja nicht mal Mühe geben, für mich ist er wirklich noch genauso anziehend wie früher, rein körperlich.
Zur Therapie: Ich finde es gut, dass er nun mitkommen will und vielleicht hilft ihm das auch. Ich möchte aber 2 Aspekte zu bedenken geben:
1. Menschen sind verschieden und verarbeiten Dinge unterschiedlich. Ich kann ihn da schon verstehen. Ich ticke da ähnlich und würde mir denken: „Was soll ein Therapeut mir Neues sagen, was ich nicht selbst schon weiß? Fakt ist: Das Bein ist weg, das Leben ist vergänglich und ich muss damit klarkommen. Was soll all das Blabla bringen, außer dass man sich selbst noch mehr reinsteigert und in Selbstmitleid suhlt und sich überlegt, wie man weiterleben könnte, anstatt zuhause damit zu beginnen? Ein Therapeut ist auch nur ein Mensch mit seinen eigenen Lebenseinstellungen und Wertungen, die genauso subjektiv sind wie meine und nicht richtiger. In der Zeit gehe ich lieber aus oder nehme ein heißes Bad, anstatt mein Leben durch nervige Termine noch unangenehmer zu machen.“ Ich sage nicht, dass diese Sichtweise allgemeingültig richtig ist. Aber ich halte es für ebenso verfehlt, eine Therapie als Patentrezept für jeden Menschen zu verkaufen. Manche Menschen verarbeiten, indem sie viel mit anderen Menschen reden und nachdenken. Andere verarbeiten, indem sie sich gerade nicht stundenlang im Unglück suhlen, sondern versuchen, das Leben „zu leben“. Nachdem meine langjährige Beziehung in die Brüche ging, wollte ich nicht ewig nachdenken und reden, sondern ich schob das Thema beiseite, machte schöne Dinge und auch ich bin nun darüber hinweg, einfach weil ich gesehen habe, dass das Leben weitergeht und trotzdem noch schön ist.
Da er aber ohnehin anscheinend nur in seiner Trauer versinkt, kann eine Therapie helfen, zurück zu einer positiveren Lebenseinstellung zu finden.
Das kann ich gut nachvollziehen, es war für mich selbst auch eine große Überwindung und ich habe jetzt fast ein Jahr überlegt, ob ich mir eine Therapie nochmal "antun" soll. Es kann schon ein schmaler Grad sein zwischen guter Verarbeitung und die Negativ-Situation noch mehr am Leben zu halten.
Nur ist es so, dass ich beispielsweise keinen wirklich mehr zum Reden habe. Meine beste Freundin ist gestorben und mit meinem Mann rede ich darüber ja eben auch nur selten. Und er wiederum hatte zwar immer viele Freunde, aber nie einen wirklichen Freund. Jemanden, mit dem er wirklich mal offen reden und alles rauslassen kann, den hat er einfach nicht wirklich. Früher haben wir immer über alles geredet, aber vor mir zieht er sich in der Hinsicht ja auch zurück.
Und dann sagte er er bei unserem Gespräch neulich ja auch noch, dass er das nicht so gut verdrängen kann wie andere Probleme, weil er ja schon, wenn er wach wird, merkt, dass sein Körper nicht mehr ist, was er war und warum das so ist, sprich, da kommt der Gedanke an den Krebs dann auch wieder. Ich befürchte leider, er hängt da gedanklich fest und je nachdem, was der Therapeut für ein Typ ist (ich habe leider wirklich auch nicht so tolle schon erlebt) könnte es ihm vielleicht wenigstens etwas bringen, diese Gedanken mal irgendwo "abzuladen".
2. Das hängt mit obigen Ausführungen zusammen. Man sollte die Therapie und auch die Gespräche unter Euch nicht als alleine ausreichendes Heilmittel betrachten. Zentral ist doch, dass er zurück zu Lebensfreude finden muss. Er selbst ist depressiv. Du bist depressiv und machst Dir Gedanken über die Beziehung, die Stimmung ist angespannt, Du konfrontierst ihn. Dann geht Ihr ggf. noch zur Therapie, die auch nicht spaßig, sondern anstrengend wird. Dann weiterhin Gespräche, Gespräche, Gespräche über die Beziehung. Das mag Dir helfen. Menschen wie mich (und vielleicht auch ihn) stresst das nur noch mehr. Da frage ich mich: Wo bleiben denn die positiven Aspekte des Lebens? Im Endeffekt findet man doch nur über sie wieder zu Lebensfreude. Also vielleicht mal weniger Krisensitzungen, weniger Reflexion. Zusammen Cocktails machen und trinken (vielleicht auch alkoholfrei, falls er ein Alkoholproblem haben sollte). Gemeinsam ausgehen. Zu zweit laut Musik hören. Ein Bad nehmen. Massagen. Alte Fotos ansehen. Gute Bücher lesen, Filme ansehen...Was auch immer Euch Spaß macht. Woran hattet Ihr denn früher Freude? Wie stellt Ihr Euch ein erfülltes Leben vor? Gerade weil das Leben kurz ist, muss man es doch genießen. Eine angenehme Atmosphäre schaffen. Keine Vorwürfe, nicht immer der besorgte oder sogar mitleidige Blick. Ihn Mann sein lassen. Ihn um Hilfe bitten bei verschiedenen Aufgaben, die er noch machen kann. Er soll merken, dass er gebraucht wird und noch „etwas taugt“. Auch wert auf Paaraktivitäten legen, das kommt den Kindern im Endeffekt auch zugute. Als Trennungskind weiß ich, dass die schlechte Grundstimmung schlimmer ist als eine Abwesenheit der Eltern und sogar als die Trennung. Das Problem ist, dass anscheinend auch Du Päckchen mit Dir herum trägst, weswegen Du ihn nicht mit Deiner Lebensfreude anstecken kannst. Deshalb auch darauf konzentrieren, was Du dafür brauchst, abgesehen von der Beziehung. Hobbies? Freunde? Wenn es auch nur Glühwein bei Kerzenlicht ist. Das macht Dich glücklicher und nicht zuletzt auch interessanter für ihn. Dann sieht er vielleicht auch wieder die lebensfrohe Frau, in die er sich verliebt hat und nicht mehr nur Mutter, gebeutelte Frau und Therapeutin. Und wird vielleicht aufgeweckt und mitgerissen.
Das sind nur meine Gedanken dazu. Ein Patentrezept wird es nicht geben. Ich wünsche Euch beiden von Herzen alles Gute!
Das habe ich mir auch schon so überlegt und hat mich lange davor zurück schrecken lassen, sowas wie Therapie anzugehen.
Ich habe das lange probiert mit den positiven Aspekten zurück zu gewinnen, aber wenn ich ehrlich bin, das meiste macht ihm keinen Spaß mehr. Er geht zur Arbeit, kommt heim, trifft sich hin und wieder leidlich mit Freunden (die ihn aber, wenn man ihn hört, überwiegend "nerven") und guckt Netflix. Das macht ihm glaube ich als einziges Spaß, mit seinem Sport noch (wobei er da auch recht verbissen sein kann wie bei seiner Arbeit). Er ist unter anderem Musiker und hat Klavier gespielt, aber das hat Pedale. Die braucht man nicht zwingend und er könnte das auch mit einem Fuß heutzutage, aber er hat jetzt keine Lust mehr darauf. Letztes Jahr sind wir mal verreist, ans Meer, das er so liebte. Für ihn war es nur Stress und den Ort, für den er jahrzehntelang geschwärmt hat, war nur noch doof, weil zu viele Menschen.
Ich kann mich da schon in ihn reinversetzen und verstehe, warum er manches meidet und manches gar nicht mehr will, aber mir fallen nur noch wenige Alternativen sein.
Und, dass ich ihm keine Freude sein kann, das tut mir am meisten leid/weh. Ich habe schon oft, wenn ich allein war, darüber nachgedacht, wie traurig es ist, dass ich ihm wohl kein Halt sein kann, etwas, auf das er sich freut.
Mit geht es in den letzten Monaten ähnlich. Es gab Phasen, da wusste ich wirklich nicht mehr "wofür das alles?" In den ganz schlechten Momenten wurde ich da immer von den Kindern "gerettet". Wenn mein Sohn mich einfach unvermittelt umarmt hat oder unsere Tochter wieder etwas Originelles gesagt hat. Das ist überhaupt ein Rätsel für mich, wie die Kinder trotz allem immer wieder so unbeschwert und froh sein können und das muss ich ihnen einfach erhalten.
Ich frage mich schon manchmal, ob mein Mann wenigstens noch durch die Kinder Freude und Hoffnung empfinden kann.
Vielen Dank nochmal, ich wünsche dir auch alles Liebe!