Da eine analoge Welt automatisch auch unendlich komplex ist wird es dir nie gelingen alles zu verstehen. Bei der Frage, ob man trotzdem versuchen sollte möglichst viel zu verstehen, wird es Philosophisch. Je mehr du verstehst desto fundierter und verlässlicher deine Entscheidungen, das hat viel damit zu tun ob du dich einer Verantwortung stellen möchtest oder nicht.
Man kann natürlich auch auf Risiko spielen, insbesondere wenn man sich in einen beruflichen Bereich ohne persönliche Folgen von Fehlentscheidungen zurückzieht, und einfach hoffen dass einen die Konsequenzen nicht mehr zu Lebzeiten einholen.
Auch machst es erwiesenermaßen deutlich glücklicher sich nicht selbst in der Verantwortung für sein Leben und Entscheidungen zu sehen, sondern ungerechter Weise die Schuld immer bei anderen oder "dem System" zu suchen. Intelligente Menschen mit einem komplexen Weltbild leiden dagegen weit überdurchschnittlich häufig an Depressionen.
Außerdem macht es sehr sehr einsam. Die positive Seite ist oft ein wirtschaftlicher (selbstverdienter) Erfolg, nicht selten Anerkennung sowie das Öffnen diverser weiterer Türen und eine hohe Stabilität und Sicherheit im Leben. Und wenn man denn Freunde oder Partner findet die einen für die Verantwortungsfähigkeit mögen sind diese Beziehungen in der Regel besonders stark .
Choose your poison, sozusagen.
Es sollte auch nicht verschwiegen werden dass man früher oder später in den inzwischen das ganze Land spaltenden Konflikt zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethikern hingezogen wird. Wer hinterfragt entwickelt ein alternatives Weltbild, eine alternative Meinung und wählt dann wahrscheinlich auch irgendwann alternativ. Im Grunde glauben beide Seiten dass die Welt untergeht wenn die andere Seite gewinnt, entsprechend zugespitzt ist der Konflikt inzwischen.
Der Aufgabe doch so etwas wie eine belastbare und verlässliche Wahrheit zu finden hat sich die Wissenschaft angenommen. Dazu zählt insbesondere die Falsifikation, bei der man sich im Grunde konstant nach oben irrt. Entsprechend beliebt sind in diesem Bereich Formulierungen wir "nach unserem derzeitigen Kenntnisstand.." oder "Unter der Annahme dass..."
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Das bewuste Denken hat sich in der Evolution erst sehr spät entwickelt, es ist quasi noch ganz neu und wenig erprobt. Dem entsprechend werden Entscheidungen in unserem Gehirn nach wie vor vorwiegend bedürfnisorientiert getroffen, was unter anderem z.B. auch zu Gruppenzwang wider besseren Wissens führen kann.
Unser Gehirn ist außerdem extrem gut darin sich selbst gut darzustellen, weswegen insbesondere Menschen mit wenig Überblick und geringen Fähigkeit sich selbst gerne mal maßlos überschätzen.
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Das einzige was also hilft wenn man wirklich Selbsterkenntnis und damit ein ungefilterteres Bild der Realität haben möchte, ist eine schonungslose oft unangenehme Überprüfung nach streng logischen Gesichtspunkten.
Als Informatiker muss ich natürlich außerdem die Computertechnik empfehlen. So ein Computer tut immer nur und exakt genau das was man ihm sagt. Wenn es dann nicht zu dem Ergebnis kommt was man gewollt hat, dann immer weil der Fehler bei einem selbst liegt und man ihm nicht gesagt hat was man meinte. Gibt also nichts besseres als das Beherrschen einer Programmiersprache und die Entwicklung und voraussage des Verhaltens von komplexen Systemen, um eigene Annahme prüfen und korrigieren zu können.
Die Fähigkeit etwas infrage zu stellen und den Denkfehler zu finden muss man nämlich erst einmal erwerben, die ist nicht angeboren. Ein hohes Abstraktionsvermögen hilft hierbei sehr, um die dafür notwendigen gedanklichen Werkzeuge zu erlangen.
Emotionen und erste Eindrücke sind dabei leider keine Hilfe, im Gegenteil.
Ebenfalls aus dem Bereich der Wissenschaft kommt die offene Diskussion. Also nicht das was man im Fernsehen sieht, wo die Leute aneinander vorbei reden und sich ihre "Argumente" eigentlich an das Publikumund potentielle Unterstützer richten.
Sondern der Versuch einen Standpunkt zu formulieren bzw. diesen zu widerlegen. Man macht eine These also bewusst angreifbar gegenüber dem besseren Argument, weil man mehr an der Wahrheitsfindung als am Rechthaben interessiert ist.
Das ist dann wieder die Idee sich so lange noch oben zu irren bis man die nach aktuellen Kenntnisstand beste Theorie gefunden hat.
Das funktioniert natürlich nur dort wo diese Diskussion nicht zensiert oder unterdrückt wird, weil natürlich immer die "Gefahr" besteht dass die gefundene Erklärung dem eigenen bisherigen Wohlfühl-Weltbild widerspricht.
Aber egal wie viel Zeit man in die Vertiefung von Wissen und Reflektion steckt, irgendwo wird man darauf angewiesen sein dem zu vertrauen wovon andere etwas verstehen. Wie sich vertrauenswürdige Quellen bewerten lassen ist ein ganz eigenes Thema für sich.
Als Hinweis hier nur dass fast jeder der uns in den Medien als Experte vorgestellt wird aus einer von Soros finanzierten NGO stammt und damit eine ganz klare politische Agenda verfolgt, dessen sollte man sich bewusst sein.
Ich persönlich bevorzuge politische Blogs und generell unzensierte Kommentarsektionen, um von dem Schwarmwissen vieler Menschen, die sich in ihren Argumentationen gegenseitig stützen oder widerlegen, zu profitieren. Oder ich nehme direkt daran teil, allein seine Gedanken strukturiert zu formulieren kann mit einem Erkenntnisgewinn verbunden sein. Man sollte eben nur nicht zu sehr an seiner Meinung hängen, aber das kann man lernen.
Aber da wie erwähnt die Welt bis ins Unendliche komplex ist, wir aber trotzdem täglich dazu gezwungen sind tausende von Entscheidungen zu treffen, helfen nur Vereinfachungen. Also vereinfachte auf Beobachtung, Erfahrung, Instinkt und Ratschlägen basierte Reduzierungen, mit denen man näherungsweise richtig liegt. Oder zumindest häufiger richtig als falsch.
Man nennt diesen teilweise kollektiv tradierten Erfahrungsschatz "Vorurteile". Sie sind wichtig um überhaupt entscheidungsfähig zu sein, weil man niemals alle Faktoren, Umstände und Zusammenhänge wissen kann.
Erfolgreiche Kulturen, insbesondere was zivilisatorischen Fortschritt wie Menschenrechte, Kunst und Wissenschaft angeht, haben in der Regel über viele Generationen einen wertvollen Schatz an Näherungswahrheiten, also Vorurteilen, aufgebaut. Häufig finden diese sich im allgemeinen Sprachgebrauch, alten Geschichten oder Sprichwörtern wieder.
Der Rest ist die persönliche Einstellung. Die meisten Menschen sind risikoaversiv, nicht selten auch konservativ, und gehen Risiken nur ein wenn sie darin einen Vorteil sehen. Und natürlich braucht eine Gesellschaft auch Menschen die Vorurteile immer wieder infrage stellen und reflektieren ob diese noch zeitgemäß im Sinne von mehrheitlich richtig sind. Manch einer bezahlt diesen Versuch dann allerdings auch mit seinem Leben, wenn sich das Vorurteil dann als immer noch gültig herausstellt.
Das Wegschmeißen dieser Vorurteile wiederum hat in der Regel ziemlich häßliche Folgen, Lernen ist eben mitunter auch ein schmerzhafter Prozess. Deswegen gibt man dieses Wissen ja weiter, damit das nicht wieder jeder aufs Neue durchleben muss, Es gibt allerdings gewisse insbesondere politische Zyklen, in denen es sich offenbar eine Generation nicht nehmen lassen will bereits schon oft gemachte Fehler noch einmal zu wiederholen. Ich denke hier an die bisherigen 280 gescheiterten Versuche mit dem Sozialismus das Paradies auf Erden schaffen zu wollen.
Lief am Ende immer auf Massenmord hinaus, was ja auch logisch ist, wenn man mal darüber nachdenkt.
Hat man einmal akzeptiert dass es persönliche Grenzen gibt folgt die Resilience , also wie geht man mit dieser doch recht ernüchternden Erkenntnis der eigenen Fehlbarkeit um? Es macht keinen Sinn (mehr) sein Selbstwertgefühl daran zu koppeln dass man immer richtig liegt, stattdessen scheint es mir die bessere Strategie zu sein von vorn herein einzuplanen dass man sich irrt, Fehler macht und Dinge einfach nicht weiß. Legt man das zugrunde wird Erfolg auf einmal (wieder) planbarer, man hat einfach einen Plan B und eine Fehlertoleranz bereits vorgesehen.
Selbstironie ist auch hilfreich um durchs Leben zu kommen.
Aus meiner Sicht haben wir hier ein Problem mit der, insbesondere deutschen, Kultur. Ich finde sie sollte Fehlertoleranter werden. Hier könnten wir von den Amerikanern lernen, insbesondere auch was den Begriff der Freiheitlichkeit angeht.
Außerdem ist es, z.B. in Japan, woanders durch aus üblich dass man zu einem Thema auch mal _keine_ meine Meinung hat. Man maßt sich einfach kein Urteil an, weil man sich damit nicht auskennt. Das kann man doch ruhig mal zugeben, was ist schon dabei? Kann niemand verlangen dass man allwissend ist. Das heißt ja nicht zwingend dass es einem egal ist, man hat sich bisher halt nur noch nicht ausreichend damit beschäftigt um ein abschließendes Urteil abgeben zu können, was durchaus etwas mit dem Respekt vor der Sache und den beteiligten Menschen zu tun hat.