Da muss ich einiges korrigieren. Es wird von fehlender Selbstverantwortung gesprochen. Das ist so nicht richtig. Richtig ist das man weniger auf sich allein gestellt war. Wenn du zwei linke Hände hattest gab es im Freundeskreis Leute die zwei rechte Hände hatten. Die Menschen haben sich untereinander mehr geholfen. Da war es eher so das man seine Nachbarn zu Freunden zählen konnte. Heutzutage kennen viele ihre Nachbarn noch nichtmal.
Auch die fehlende Vielfalt hat dazu beigetragen das die persönlichen Interessen der Menschen nah beieinander lagen und sie dadurch mehr verbunden waren.
Die Wende hat vielen erstmal Arbeitslosigkeit beschert und durch die freie Marktwirtschaft Konkurrenzdenken im Land verbreitet was man bis dato nicht kannte. Die einzige Konkurrenz gab es damals im Westen hinter den Mauern und nun war sie mitten unter den Menschen.
Wie gesagt man kann nicht von fehlender Selbstverantwortung sprechen. Es ist eher die fehlende Sicherheit in einem sozialen Netzwerk was in der damaligen DDR nicht so leicht zerbrechen konnte und somit Menschen in die Isolation verbannte.
Ich würde diese Tatsache als positiv statt negativ bewerten. Denn wie es heutzutage oft festzustellen ist, leben Menschen Tür an Tür nebeneinander, kennen sich nicht und führen ein einsames Leben in Isolation.
Auf seine Mitmenschen angewiesen zusein und nicht alles allein bewältigen zukönnen war in der DDR ein Segen für das Zusammenleben.
Super beschrieben!
Genauso habe ich es damals auch erlebt und empfunden. Und das war etwas, was ich so nicht kannte als ein in Westdeutschland aufgewachsener Mensch, der halt viel mehr Distanz gewohnt gewesen war. Und als ich dann Jahre später wieder zurück im Westen gewesen bin, da habe ich das Mehr an Nähe auch sehr schnell wieder vermisst. Und ich habe dann auch wieder einige schlechte Erfahrungen machen müssen, die ich auch so gar nicht mehr kannte.
Denn diese Beständigkeit, der soziale Halt, das sich aufeinander verlassen können, die gegenseitige Hilfe, die Aufmerksamkeit für andere, das ist nach meiner Erfahrung im Westen eher seltener geworden, und es ist gar nicht mehr so leicht zu finden. Stattdessen habe ich zurück im Westen leider sehr oft wieder Unbeständigkeit erlebt.
Wie oft hört man hier, dass die Leute keine Zeit mehr haben. Damit wird oft so vieles, was dann gar nicht mehr stattfindet, immer wieder sehr gerne gerechtfertigt. Der Wessi ist halt immer im Stress und nervös, er ist immer unterwegs, er muss auf 1000 Hochzeiten gleichzeitig sein, aber nirgendwo ist er wahrscheinlich so mal richtig da und anwesend, auch das kannte ich im Osten so gar nicht. Wenn ich heute nach "drüben" komme, dann habe ich auch heute immer noch das gute Gefühl, dass ich mich dort einfach geborgener, sicherer und oft auch mehr wahrgenommen fühle.
Meine beiden Kosengs aus dem Osten, die damals beide noch sehr jung waren, sind nach der Wende für ein paar Jahre im Westen gewesen. Sie sind hier aber beide im Westen nicht besonders gut klar gekommen, einer ist sogar ziemlich depressiv geworden. Und beide leben jetzt auch wieder in ihrer alten Heimat in Sachsen-Anhalt.
Ich muss aber hinzufügen, dass das ja vielleicht nur noch in den eher ländlichen Gegenden gilt, in denen sich meinem Eindruck nach ja auch gar nicht so viel verändert hat. In den Städten wird das inzwischen bestimmt auch schon ganz anders aussehen.