Ich habe den Kontakt zu meinem Vater vor vielen Jahren abgebrochen, weil er in der Trennungsphase vor der Scheidung Gewalt gegen meine Mutter ausgeübt und uns bedroht hat.
Ich war all die Jahre unversöhnlich. Heute - auch durch die Therapie - ahne ich, daß diese Unversöhnlichkeit auch ein Schutz war, um den Schmerz über den Verlust des Vaters, der Schmerz diese dunkle Seite an ihm erfahren zu müssen und die Sehnsucht nach einer Versöhnung nicht spüren zu müssen.
Ich finde sein Verhalten noch immer ungeheuerlich und unanständig. Ich glaube aber auch, daß er damals in einer Ausnahmesituation war. Alle waren verletzt. Keiner hat über seine Gefühle gesprochen.
Meine Mutter war auch nicht ohne... Sie hat auch mit unfairen Mitteln gekämpft.
Und ich steckte mittendrin. Weil meine Eltern nicht mehr miteinander sprachen, mußte ich die gegenseitigen Forderungen am Telefon überbringen.
Ich erkenne, dass du Spielball geworden bist - für beide Elternteile.
Und du hast deinen Vater mit Liebesentzug bestraft, weil er Probleme mit seiner Frau gehabt hat. Hast du auch deine Mutter bestraft? Sie hat ja auch manipuliert, schriebst du, oder? Weisst du, jemandem die Liebe wegnehmen, mit Liebesentzug bestrafen ist die vielleicht härteste Strafe, die es gibt. Weisst du, warum? Weil wir Liebe-Wesen sind. Ich kann deinen Schmerz verstehen - und als das Kind ist man oft parteiisch und glaubt, gegen eines der Elternteile mit kämpfen zu müssen. Und wird dabei manipuliert.
Aber ich möchte dir ganz klar sagen: das ist nicht dein Job, absolut nicht! Du bist das Kind deiner Eltern - beider Eltern! Und keines der Eltern darf dich manipulieren und gegen den anderen Teil aufhetzen. Das ist ihr Ding, nicht deines!
Du darfst eines: sie beide liebhaben. Ihnen beiden dankbar sein. Denn sie beide haben dich gezeugt und wachsen lassen, und ohne sie wärst du heute nicht. Wir haben alle unsere dunkle Seiten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, jeder für sich, richtig? Und egal, wie sie sich damals benommen haben - das war nicht wirklich gegen dich gerichtet, - es waren nur ihre eigenen Verletzungen und Unversöhnlichkeiten. Die Angst, übervorteilt zu werden.
Schau, meine Ex-Frau und ich, wir haben uns auch scheiden lassen. Wir haben einen Sohn.
Aber wir haben einen gemeinsamen Anwalt genommen - auch damit unser Sohn, den wir beide lieben, nicht zu stark verletzt wird...
Auch so geht es. Es kann sein, dass man sich auseinander lebt und dann geneigt ist, dem Partner Vorwürfe und ihn verantwortlich dafür zu machen. Meist für die eigenen Schwächen. Die Kinder haben keine Schuld daran.
Nun, was würde passieren, wenn du deine bisher unversöhnliche Härte aufgibst? Kannst du dir vorstellen, wieder Frieden in dir selber zu machen? Glaube mir, deine Herz wünscht sich das - bestimmt seit vielen Jahren.
Sag mir eines, bitte: wieso siehst du dich schuldig und als Versagerin? In dem Kampf deiner Eltern hast du ja nur eine Nebenrolle gespielt, oder? Bitte schau dir diesen Aspekt etwas genauer an. Und bitte schreib dir nichts zu, was nicht zu dir gehört, ok?
Ich sehe für dich zwei Wege, wieder heil zu werden (kombinierbar). Der eine ist, die Therapie fortzusetzen, egal ob mit diesem oder einem anderen Therapeuten.
Der andere ist eine sogenannte
Familienaufstellung. Da kann man in sehr kurzer Zeit sehr viel in Ordnung bringen.
Wenn du magst erzähl ich dir mehr davon.
Und wir hier können dir vielleicht auch ein bisschen helfen, dich aufrichten und dir Mut zusprechen.
Und noch eines: bitte schäme dich nicht mehr. Wir alle machen Fehler. Das ist nun mal die Situation auf diesem Planeten...
🙂 Wir lernen durch Fehler - trial and error. Ist ganz normal. Gilt für dich wie für mich...
🙂