Hey David, erstmal Danke für deinen langen und netten Kommentar. Was du schreibst, klingt, und das meine ich völlig unironisch, wirklich großartig. Der Vollständigkeit halber und auch um auf deinen Punkt einzugehen muss ich leider etwas ausholen. 🙈
---ACHTUNG TRIGGERWARNUNG---
Vor etwa einem halben Jahr, wurde es so schlimm, dass ich drei Wochen nicht mehr zur Arbeit konnte und in ein noch tieferes Loch gefallen bin, wenn ihr versteht was ich meine. Diese Phase gipfelte schlussendlich darin, dass ich in der Stadt eine dreispurige Hauptstrasse bei vollem Verkehr überquerte, ohne Rücksicht auf mich oder andere. Es war mir einfach egal. Dann ging alles eigentlich ziemlich schnell.
Long story short, daraufhin schaffte ich es endlich, mich meinem Hausarzt zu offenbaren, der mir eine, wie von dir beschriebene Überweisung, gab. Noch am selben Abend war ich dann das erste Mal in der Uniklinik für Psychiatrie, hatte mein erstes Gespräch mit Neurologe und Psychotherapeut und man 'überführte' mich noch in der Nacht in die Klinik für Psychiatrie der benachbarten Stadt. Die Klinik in meiner Heimatstadt (bekannt/mit Reputation) war leider hoffnungslos überfüllt.
Nun ist es so, dass die Klinik der benachbarten Stadt auch die 'krassen Fälle' der ganzen Region aufnimmt, sprich inklusive geschlossenem Vollzug etc. Also hab ich erstmal geschluckt, aber habe der Überführung eingewilligt, unter der Maßgabe jederzeit gehen zu dürfen und nachdem mir versichert wurde, dass es dort klar getrennte Bereiche gäbe und ich nichts zu befürchten habe.
Dort angekommen, es war mittlerweile 3 Uhr Nachts, teilte man mir vor Ort mit, dass der für mich angedachte Platz ebenfalls bereits belegt sei, dass man aber ein Zimmer für mich habe, mit 2 netten jungen Männern. Bett sei bezogen, Frühstück um xy. Ob ich noch Hunger habe - tatsächlich hatte ich etwa 4-5h in der Psychiatrie meiner Heimatstadt verbracht und nichts gegessen. Ich war einen Moment lang gerührt und fühlte mich umsorgt.
Also habe ich noch ein Abendessen bekommen, ein Klötzchen Butter, 2 Scheiben Weißbrot, 1x Scheibe Wurst, 1x Scheibe Käse. Pfefferminztee. Ich hasse Pfefferminztee - Jugendherbergenflashbacks. Geübt überschlug ich im Kopf den Wareneinsatz des Essen (bin gelernter Koch, inzwischen in der IT) aber aß ohne mich zu beschweren. Falls sich jemand jetzt wundert: Von der Zöliakie habe ich erst etwa einen Monat später erfahren.
Im Zimmer angekommen, alle schliefen schon, versuchte ich es ihnen gleichzutun. Es wollte mir partout nicht gelingen. Ich hatte rund 10 Jahre nicht mehr mit anderen Männern in einem Raum geschlafen. Immer wieder Schreie aus einem Stockwerk tiefer. Schlafe generell sehr hellhörig und habe wie im Eingangspost erwähnt Schlafstörungen. Es war die Hölle, ich wollte einfach nur abschalten.. Zum ersten Mal in meinem Leben nahm ich Schlafmittel in Anspruch.
Das Mittel hatte wohl irgendwann gewirkt. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kam ich mit meinem Zimmernachbar, nennen wir ihn Tim, ins Gespräch. Er klärte mich darüber auf, dass wir uns in 'der halbgeschlossenen' befinden. Er war, genau wie ich, in Ermangelung an Plätzen in 'der offenen' verbracht worden. Wir verstanden und gut. Tim leidet unter Depressionen & Burnout und war schon die 5. Woche dort. Er und ich waren die einzigen auf der Station, die freien Ausgang und alle Rechte etc hatten.
Um 11:00 war eine Privatsitzung mit einem Arzt/Psychologen angesetzt. Nur gestört von einer Patientin, die es offenbar in Ordnung fand alle 5 Minuten die Tür des Arztbüros gefühlt aus den Angeln zu klopfen. Auch nach der 7. oder 8. Störung war der Mann kaum aus der Ruhe zu bringen. Ungemein sympathischer und einfühlsamer Kerl, der Arzt. Ein Mann zum schwul werden^^Habe zum Ersten Mal alles relevante erzählt. Sehr langes und aufschlussreiches Gespräch. Er legte mir die langfristige Behandlung vor Ort ans Herz - stationär und offene Therapie. Ich sei den ganzen Zeitraum über krankgeschrieben, betreut, 3 Mal am Tag Essen, jemand macht meine Wäsche. Wow.
Der Haken?
Die Plätze in der offenen Therapie seien hoffnungslos belegt. Warteliste über ein Jahr. Die Wartezeit sei jedoch massiv verkürzt, für Patienten, die bereits vor Ort 'untergebracht' sind. Ich könne auf dieser Station bleiben, er würde die Therapie hier mit mir starten, solange bis ich auf der anderen Station nachgerückt sei. Auf die Frage hin wann das in etwa sei, fing er an rumzudrucksen. Mit einem Monat müsse ich schon rechnen. Soweit so gut. Vielleicht hab ich mir es nur eingebildet, aber er schien fast froh zu sein, ein derartig konstruktives und ergebnisorientiertes Gespräch geführt zu haben. Motiviert ging ich zum Mittagessen.
Inzwischen hatten sich die Gänge mit Leben gefüllt. Die meisten Patienten schienen relativ 'normal'.
Besagte Patientin jedoch schien offenbar einen Narren an mir gefressen zu haben. Sie hatte etwa das 3-4 fache meiner Körperfülle (bin schmächtig, 185cm, 62kg) und sich in den Kopf gesetzt mich ins Bett zu bekommen. Meine Worte hatten wenig Gewicht. Das uferte langsam schon in Richtung Nötigung aus. Zweimal musste das Personal eingreifen. Das Essen war gelinde gesagt schrecklich.
Nun könnt ihr mich anspruchsvoll, wählerisch oder sonstwas nennen. Denkt meinetwegen was ihr wollt. Ich habe nunmal ursprünglich Koch gelernt und habe ein paar Jahre in der Sternegastro gearbeitet. Das soll kein Flex sein, im Gegenteil, habe unter anderem dadurch eine Essstörung entwickelt, bin sehr wählerisch geworden - verzichte dann leider oft auch auf Essen, habe große Probleme mit Stoffwechsel, wenn ihr wisst was ich meine, muss also vorsichtig bei allem sein..
Nun ernähre mich deshalb auch eher fleischarm und wenn ich Bock drauf hab dann Bio-Fleisch (for obvious reasons).
Versteht mich nicht falsch.
Ich bin durchaus bereit meine Ansprüche runterzuschrauben. Aber einen Fleischkäse, in einer braunen Fertigsauce mit diesen vorgeschälten geschwefelten Kartoffeln..
Ab-so-lut Widerlich!! Ich habe mir nichts anmerken lassen, habe es versucht runterzukriegen, ich habe es nicht geschafft.. Vielleicht kann es jemand ja nachempfinden und hält mich jetzt nicht für hochnäsig ¯\_(ツ)_/¯
Zurück im Zimmer mit Tim (32) stellte sich raus, dass dieser seit 5 Wochen vergeblich auf einen Platz in 'der offenen' wartet. Er hatte mittlerweile ein Ritual entwickelt, jeden Tag passt er um eine gewisse Uhrzeit einen der Leiter der Einrichtung ab und fragt, wann er rüber kann. Eine verbindliche Antwort gibt es nie. Dürfen sie auch angeblich auch nicht geben. Tim hatte keine finanziellen Probleme. Aber immensen psychischen Druck. Depression is a bitch.
Die Umstände in 'der halboffenen' haben ihm ganz offensichtlich nicht gut getan. Er war ungemein reflektiert und wirkte geläutert. Er erzählte mir von einigen 'Anekdoten' die in seiner Anwesenheit, in der Station passiert sind. Ich erspare euch und etwaigen Gleichbetroffenen die Details. Er warnte mich vor der Patientin, die ich schon kennenlernen durfte, und erzählte von der Frist, die er sich selber gesetzt hatte. Wenn er nach 2 Monaten immer noch nicht verlegt wurde, reise er wieder nach Spanien und versuche da wieder Lebensfreude zu entwickeln. Er lud mich ein mitzukommen. Ich lehnte ab.