weidebirke
Urgestein
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Ich habe mit meiner Mutter auch kein gutes Verhältnis. Würde den Kontakt nie abbrechen. Obwohl ich eine sehr traurige und grausame Kindheit hatte.
Ich denke, bis man den Anschnitt wagt, sich komplett von der Mutter zu lösen, da muss sehr viel passiert sein.
Aber Mütter geben sowas niemals zu. Das ist die Erfahrung meiner eigener Mutter. Die wollen sich immer bestens darstellen. Aber so läuft das nun mal nicht.
Die Erfahrung mit Deiner eigenen Mutter rechtfertigt nicht den von mir fett markierten Satz. Denn wie "Mütter" im Allgemeinen sich verhalten, weißt Du nicht. Du weißt nur, wie Deine Mutter sich verhalten hat.
Kinder brechen aus vielen verschiedenen Gründen den Kontakt zur Mutter oder zum Vater ab und manchmal hat es tatsächlich nichts mit den Elternteilen zu tun (z.B. bei einem Partner, der das unterbindet oder weil sie bei Elternstreitigkeiten von dem anderen Elternteil manipuliert werden und sich entfremden, weil sie nicht können "entführt, auf einer einsamen Insel gestrandet ...", weil sie irrtümlich von einer schweren schuld des elternteils für eine schwere Tat ausgehen....)
Die häufigste, nicht bei dem verlassenen Elternteil liegende Ursache dürfte die Entfremdung sein.
Die allerhäufigste Ursache ist jedoch, dass sich die Kinder so schwer mit ihrer Kindheit auseinandersetzen (müssen) oder diese Auseinandersetzung wegen so schwerer Belastungen nicht führen können, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt als den Kontakt abzubrechen. Und daran hat das Elternteil immer seine Anteile.
Ich bin auch geneigt, erst einmal nicht daran zu glauben, dass man nichts mit dem Verlassen-worden-sein zu tun haben solle.
Es ist richtig, dass es schwer fällt, zuzugeben, dass man so als Mutter oder Vater versagt hat. Und es ist eine Wahrheit, zu sagen, man konnte damals nicht anders (wenn man das Kind nicht gerade misshandelt hat, in dem Fall lasse ich das nicht gelten). Es ist auch eine Wahrheit, zu wünschen, dass all die guten Dinge, die man den Kindern ermöglicht hat/ ihnen mitgegeben hat, nicht so sang- und klanglos verschwinden und so gar nicht honoriert werden. Vor allem dann, wenn man es sehr schwer hatte und wirklich gekämpft hat und sein bestes gegeben hat.
Aber die andere Wahrheit ist die des Kindes. Und die sagt: ich muss heute mit dem leben, was meine Eltern an mir versagt haben. Dass sie auch an gewissen Stellen funktioniert haben (denn sonst wäre ich ja tot), ist nicht separat besonders zu loben, denn dafür sind sie ja Eltern geworden. Es war ihre Pflicht. Und die haben sie nur zum Teil erledigt, kein besonderer Anlass für Lob.
Das einzige, was einem Elternteil bleibt, ist Ehrlichkeit. Vor sich selbst und vor dem erwachsenen Kind. Ehrlichkeit und Reflektion sind aus meiner Sicht die einzigen Wege, um miteinander zu einer Heilung in der Beziehung zu kommen.
Ich habe mich sehr viel mit dem Thema auseinander gesetzt, weil es mein Thema ist. Als misshandeltes Kind und als Mutter, die einige ziemlich falsche Entscheidungen getroffen hat, mit denen die erwachsenen Kinder heute leben müssen.
Da den Weg zwischen Ehrlichkeit und Selbstmitleid zu finden, zwischen Reflektion und Ertrinken in Schuld, ist eine schmerzhafte Gratwanderung. Auch vor dem Kind selbstbewusst zu sein und bei allem auch für die eigenen Bedürfnisse einzustehen und deren Beachtung einzufordern.
An all dem übe ich.