Ich schließe mich Vorrednern an,
es ist hart sich das einzugestehen, aber mit 12, wenn man sowieso in der Pubertät steckt und eigentlich ein wandelnder Hormoncocktail ist, ist es kaum mehr durchsetzungsfähig "Strafen" anzuhängen.
Das funktioniert vielleicht noch irgendwie hier und da im jungen Kindesalter, mit der Pubertät verschieben sich aber die autoritären Rollen. Das muss man irgendwo begreifen. Kinder fangen schon im Alter von 8-10 an ihre Eigenständigkeit zu entwickeln, Strafen werden da eigentlich immer nebensächlicher, da man die Autorität hinterfragt und sich nicht einordnen kann und will.
Das ist irgendwo schon ein bisschen ein "Machtkampf". Kinder nabeln sich von ihren Eltern ab, wollen ihre selbstständigen Handlungen durchziehen. Das Ventil davon ist meistens "kategorisches Ablehnen". Sozusagen "Anti-Alles". Der Knackpunkt ist meistens, dass Eltern versuchen in diesem Zeitraum immernoch die autoritären Rollen durchzusetzen, was natürlich immer gegen eine felsenfeste Mauern knallt. Das schwierige ist, dass Eltern es versäumen sich auch "abzunabeln" und die Zügel zu lockern. Das hängt meist daran, dass Eltern ihre Kinder nicht loslassen können und ihnen noch weiterhin diese Rollen aufzwängen, alles "zum Schutz des Kindes".
Das Kind braucht diesen Schutz aber ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr, wehrt sich also gegen alles und jeden. Wichtig ist für das Kind nurnoch zu wissen, dass es einen Rückzugsort in Form des Elternhauses hat. Ist das Elternhaus irgendwann nurnoch von "Sanktionen" und "Strafen" geprägt, bricht dieser Rückzugsort zusammen.
Wie schon vorher gesagt wurde, machen Eltern oft einen entscheidenden Fehler und zwar, dass sie die Person, nicht die Handlung, missbilligen. "Du gehst mir auf die Nerven", "Ich ertrage dich nicht" oder "Du bist ein undankbarer Mensch". Das sind alles negative Aspekte. Da das Kind gerade nur so überschwappt mit Hormonen ist es schwierig für das Gehirn diese Informationen einzuordnen und konstruktiv zu entschlüsseln. Ja, es hat hier viel mit dem Gehirn und seinen Mechanismen zutun. Da viele Botenstoffe im Umlauf sind werden auch neue Brücken zwischen einzelnen Synpasen gebaut. Diese Brücken werden mit Informationen gefüttert. Eine Art "Assoziationskette" entsteht. Wenn das Kind nun, als Folge seiner Handlung, in seinem Individuum als negativ bezeichnet wird, so assoziiert das Kind diese Information nun auch mit seinem Umfeld.
Aber es kommen halt dann auch die erzieherischen Aspekte aus der Vergangenheit mit dazu, und zwar wie das Kind in Folge von positiven und negativen Handlungen behandelt wird. Bekommt es eher Aufmerksamkeit durch negative Handlung (auch Strafe ist eine Aufmerksamkeit) so wird es sich negativ äußern. Die "Anti-Haltung" entsteht. Als Folge eines Defizits.
Du solltest also darüber nachdenken, in welchem Punkt eures familiären Umgangs besteht ein Defizit? Habt ihr noch positive Assoziationen zueinander? Gibt es untereinander Lob?
Fehlt es am mangelnden Interesse füreinander? Fühlt sich deine Tochter eigentlich wohl im Haushalt? Hat deine Tochter gerade Stress, ist überfordert?
Generell stehen Strafen schon lange in Diskussion als "kontraproduktiv" zu gelten was die Erziehung anbetrifft. An sich ein spannendes Thema worüber es sich zu lesen lohnt. Woher stammt das eigentlich? Warum denken wir, dass es förderlich ist? Was bezwecken wir eigentlich damit?
Aus eigener Erfahrung kann ich auch erzählen, Nichtbeachtung und Ignorieren, das ist mit das schlimmste auf der ganzen Welt. Scheinbar ist deine Tochter über irgendwas sehr verletzt. Und sie hat wohl gelernt, dass Nichtbeachtung meistens auf etwas stößt. Wir lernen aus eigenen Gefühlen. Wurde sie oft so behandelt, dann rächt sie sich mit gleichen Taten. Feuer mit Feuer bekämpfen. Ich war auch so, im Alter deiner Tochter.
Aber das resultierte aus diesen "Strafen" und dem Leistungsdruck ein unauffälliger und unkomplizierter Mensch zu sein. Das wollte ich nicht, also wurde ich immer rebellischer. Was zu weiteren Strafen führte. Das einzige, wie ich dagegen ankämpfen konnte war auch so zu handeln. Ich habe mich von meiner Familie abgekapselt um mich selbst zu schützen, weil ich halt auch sehr verletzt war und ich kein Ventil für diese Gefühle hatte.
Von Seiten meiner Mutter kamen dann irgendwann Nichtbeachtung, weil ich ihr zu anstrengend wurde. Das war das schlimmste in meinem Leben, und es tut mir auch heute, viele Jahre später, immernoch sehr weh und hat die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter irreparabel geschädigt. Sie hat zwar ihren Fehler eingesehen, sich entschuldigt, aber das Gefühl kann sie mir damit nicht nehmen. Es ist in meinem Gehirn, und ich bin auf Medikamente angewiesen um diese Brücke in meinem Gehirn zu überwinden. Also es wird mit der Zeit immer besser, aber die Beziehung zu meiner Mutter bleibt halt trotzdem geschädigt. Da kann man tun was man will.
Aber das ist oft der Fall, und der ultimative Auslöser für diese "Krankheitsbilder" sind die Strafen der Mutter und die Erziehung in der pubartären Phase, weswegen man heute das Thema der Erziehung kritisch betrachten muss. Strafen sind meistens Auslöser der elterlichen Gefühle und Konsequenzberatungen. Strafen wenden sich aber nicht gegen die Handlung, sondern gegen die Person. Die Person wird bestraft, zum Beispiel mit Sanktionen, die nicht zwangsläufig etwas mit der Handlung zutun haben. Was hat ein Geschenk mit der Ignoration eines Anrufes zutun? Diese Assoziation baut man selbst auf, da es einfach ist. Aber an sich bringt es nichts. Man kann es vermitteln, indem man sagt "Du kriegst das Geschenk nicht, weil du nicht ans Handy rangegangen bist." aber nicht zu selten kommt der Einwand "Was hat das miteinander zutun?", welcher berechtigt ist. Wir projezieren oft vieles. Auch negative Gefühle. Sind wir nicht einverstanden mit einer Handlung projezieren wir diese Gefühle auf eine unserer zukünfitgen Handlungen. Das Geschenk wäre so eine zukünftige Handlung. Deine Tochter assoziert das erstmal nicht, obwohl sie es womöglich schon versteht. Eine sinnvolle "Strafe" wäre dann eher etwas was mit der Situation zutun hat, wie zum Beispiel "Du rufst den Holgerxyblabla an und entschuldigst dich, dass du nicht ans Telefon gegangen bist. Wenn du das gemacht hast, dann werden wir gemeinsam dein Wunschgericht kochen und wenn es gut schmeckt, dann bekommst du dein Geschenk.". Hier könnte man dann sozusagen sagen, sie möge es selber kosten und wenn sie damit einverstanden ist wie es schmeckt bekommt sie das Geschenk.
Ich würde dir definitiv dazu raten, deine Erziehungsstrukturen zu überdenken. Und vorallem nichts zu erzwingen.
Es wird oft gesagt Kinder brauchen interdisziplinäre Strukturen und Strafen, weil sie sonst tun und lassen was sie wollen. Das ist so nicht richtig. Oft ist es sogar das Gegenteil der Fall. Das ist zum Beispiel das Prinzip in Waldorfkindergärten und -schulen. Hier wird nicht mit großen strafen geahndet und oft entspringen diesen Kindergärten und Schulen sehr viel selbstständigere und ausgeglichenere Menschen. Das ist zwar ein priviligiertes Beispiel, aber das Konzept lässt sich auch auf die Erziehung übertragen. Zum Beispiel, dass Kinder ihre Strafen selbstständig formulieren und bedenken.
Wenn eine Strafe auferlegt wird, dann hat das Kind oft keinen Bezug dazu, es hat nämlich nicht darüber nachgedacht. Das hat jemand, die Eltern, übernommen. Wenn man selbstständig über eine Strafe nachdenkt bekommt man einen Bezug zu der Situation und vorallem einen anderen Blickwinkel. Man muss seine Handlung sozusagen selber überdenken und selbstständig kritisch betrachten. Was habe ich falsch gemacht? Inwiefern ist jemand zu Schaden gekommen? Was kann ich tun um den Schaden zu minimieren? Wie kann ich in Zukunft handeln?
Nun ja, das lässt sich aber mit 12 kaum mehr durchsetzen, also nicht unmöglich, ist aber schwierig, weil die Grundbasis für selbstständiges kritisches Hinterfragen der eigenen Handlung und Konsequenzen fehlt. Manche machen das irgendwann im Alter von 18-20, wenn sie dann alleine leben, bzw in ihrer eigenen Verantwortung stehen. Sie lernen dann, dass sie zwar keine Strafen in der Form erhalten, aber sich dennoch Konsequenzen bilden. So muss man dann vieles neu lernen und umdenken.
Wie gesagt, Strafen finde ich irgendwie überflüssig, denn sie bringen im Grunde erstmal garnichts bis wenig, außer dass sich Situationen immer weiter anspannen, bis eine Konsequenz entsteht, die sich DIREKT auf das Kind äußert.
Ich denke auch nicht, dass sie "untherapierbar" ist, sondern, dass sie einfach mit den Gefühlen in ihr gerade nicht umgehen kann und will. Da kann ich auch von mir erzählen, wurde auch von Therapie zu Therapie geschickt. Im Grunde wusste ich, dass es mir nicht gutgeht, aber ich konnte das nicht aussprechen, weil sonst sehr viel in mir zusammengefallen wäre. Das lässt sich mit "Todesangst" eigentlich ganz gut beschreiben, das Gefühl. Belächelt habe ich auch sehr viel.
Dazu muss ich sagen, dass das geprägt wurde wie ich die negativen Gefühle meiner Mutter mitbekommen habe. Meine Mutter war zum Beispiel manisch depressiv und ich musste viele Zusammenbrüche meiner Mutter miterleben, wie sie zum Beispiel uns beide irgendwann gemeinsam im Badezimmer einschloss und den Schlüssel im Klo runterspülte und mich anschrie warum ich sie dazu bringen musste sowas zu tun. Das wäre halt der Härtefall solcher Ausmaße.
Aber es steht als Beispiel. Sie selbst war der Auffassung ich würde sie dazu bringen, dass sie überfordert mit allem ist und keinen Ausweg weiß. Somit konnte ich meine negativen Gefühle auch nicht äußern, bzw habe sie unterdrückt, aufgrund der Angst, dass ich auch so enden würde.
Ich hatte halt nie gelernt wie man mit negativen Gefühlen richtig umgeht, eher, dass sie nicht okay sind und man sie unterdrücken MUSS, weil ich mein Umfeld sonst belasten würde. Ingnoration und Ablehnung war also mein Ventil diese Gefühle dennoch irgendwie auszudrücken. Bis heute habe ich Schwierigkeiten damit meine Gefühle richtig auszudrücken und lasse sie eher in mir ausbrüten, bis ich nichtmehr kann.
Etwas ähnliches könnte in deiner Tochter passieren.
Wie gehst du mit negativen Gefühlen um? Wie gehst du mit jemandem um, der dich verletzt? Wie verhälst du dich, wenn du dich schlecht behandelt fühlst?
Wie hier schon gesagt wurde, Kinder sind das Spiegelbild ihrer Eltern. Nur schlummert es irgendwo in ihnen, in ihrem Gehirn und sie haben Angst davor, vor negativen Aspekten ihrer Persönlichkeit.