Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Suizidversuch des Bruders

Taya

Mitglied
@primavera7 Es klingt so, als seist du total festgefahren in deiner Annahme, dass der einzig richtige Weg für jeden nach einem Suizidversuch eine stationäre Therapie ist. Was sagt dir, dass es für Samuel nicht der richtige Weg ist, sich nur ambulant behandeln zu lassen, wie es sein Wunsch ist?
Es mag sein, dass in mir nur die verzweifelte, unwissende Stimme einer Angehörigen spricht, aber ICH kann weder ihn, noch meine Familie zu etwas zwingen. Ich bin 16! Ich kann das nicht auf meinen Schultern tragen!
Ich bin hier hergekommen, weil ich mir ein klein wenig seelische Unterstützung, Ermutigung, Trost erhofft habe, aber mir scheint, als kämen nur Vorwürfe gegen mich, meinen Bruder und meine Familie, wie wir damit umgehen.

Ich war heute im Übrigen bei meinem Hausarzt und habe ihm die Situation geschildert. Er hat mich überhaupt nicht ernst genommen, hat mein "Problem" mit "zwei 5en in Mathe" verglichen, mir dann aber eine Liste mit Kontaktdaten zu Psychologen in meiner Umgebung gegeben und gesagt, ich solle einfach mal anrufen.
 
P

primavera7

Gast
Hallo Taya,

mir ist vollkommen klar - und ich denke, ich habe das auch klar genug zum Ausdruck gebracht -, dass du deinen Bruder nicht mit vorgehaltener Pistole zwingen kannst, sich in stationäre psychiatrische Behandlung zu begeben. Auch deine Eltern kannst du zu nichts zwingen.

Ebenso deutlich habe ich gemacht, dass ich die Einstellung deines Bruders für falsch halte und außerdem finde, dass deine Eltern, solange sie noch erziehungsberechtigt sind, nicht einfach alles laufen lassen sollten. Zwischen den beiden Extremen Zwang und Alles-Laufen-Lassen gibt es aus meiner Sicht für Eltern noch viele andere Handlungsmöglichkeiten, wie z.B.
- sich bei Fachleuten zu informieren,
- sich für sich selbst Hilfe und Unterstützung in Form von Beratung und Therapie zu suchen,
- als Eltern offen mit den Lehrern zu sprechen (und nicht um jeden Preis - wie es viele heute gern tun - die Fassade von der Superfamilie mit den "pflegeleichten", hochbegabten Superkindern aufrecht zu erhalten),
- auch als geschiedene Eheleute wenigstens hier an einem Strang zu ziehen,
- sich mehr um den Bruder zu kümmern,
- trotz seines abweisenden Verhaltens immer wieder behutsam zu versuchen, mit ihm ins Gespräch zu kommen, ohne ihn dabei allzu sehr zu bedrängen etc.

Dass dies alles andere als einfach ist, weiß ich auch.

Es ist sowohl für euch als auch für jeden außenstehenden psychiatrischen Laien schwierig zu beurteilen, ob dein Bruder nach diesem ernst zunehmenden Suizidversuch eine stationäre psychiatrische Behandlung braucht. Diese ist zwar nicht in jedem Fall erforderlich. Je höher jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die betreffende Person an einer schweren psychischen Krankheit leidet (etwa paranoider Psychose oder schweren Depressionen) und dass sie weiterhin akut suizidgefährdet ist, desto notwendiger wäre allerdings eine stationäre Einweisung. Ob diese Voraussetzungen bei deinem Bruder gegeben sind, kann selbst ein erfahrener Psychiater nicht mit letzter (100 %-iger) Sicherheit beurteilen, auf jeden Fall aber besser als dein Bruder, deine Eltern, du oder ich. Und selbst wenn eine stationäre Therapie nicht notwendig sein sollte, ist eine konsequente ambulante Therapie das Mindeste, was sofort und nicht erst nach einer monatelangen Wartezeit erforderlich ist, wenn er diese Krise überwinden will. Sonst wird er spätestens im Studium (Gymnasium und Abitur sind dagegen ein Kinderspiel - damit meine ich nicht nur die Lerninhalte, sondern auch die sonstigen Rahmenbedingungen!) erneut in die nächste suizidale Krise geraten. Man kann ihn nicht einfach gewähren und sich gegen alles sperren lassen. Auch eine ambulante Therapie ist nur erfolgreich, wenn man sie nicht abbricht und nicht alle paar Stunden einen neuen Therapeuten aufsucht, weil der alte Therapeut irgendetwas gesagt oder getan hat, was einem nicht passt. Die Gefahr sehe ich bei deinem Bruder nämlich, so, wie du ihn hier beschreibst.

Dass ich nicht von einer 16-Jährigen erwarte, die Verantwortung für all das zu übernehmen, dürfte ebenfalls deutlich genug geworden sein. Das ist schon für Erwachsene schwer genug und darf minderjährigen Geschwistern unter keinen Umständen abverlangt werden. Niemand macht dir einen Vorwurf. Ich habe lediglich gesagt, dass ich an deiner Stelle und an der Stelle deiner Eltern den Bruder nicht auch noch in seiner Abwehrhaltung bestärken und seine Einstellung und Bedenken nicht unreflektiert und ungefiltert 1:1 übernehmen würde. Vielleicht wäre es besser, ich könnte meine Beiträge direkt an deine Eltern richten.

Ich habe dir dazu geraten, dir selbst psychologische Hilfe zu suchen, was du ja jetzt auch versuchst. Den unsensiblen Hausarzt kannst du offenbar vergessen, aber ich hoffe, du findest einen guten Psychologen bzw. eine gute Psychologin. Schön wäre es ja auch gewesen, wenn deine Mutter dich gegenüber dem Hausarzt unterstützt und evtl. in dieser Ausnahmesituation dorthin begleitet hätte. Wäre ich deine Mutter (die ich vom Alter her - ich bin 51 - ohne Weiteres sein könnte), würde ich dich in dieser Lage jedenfalls nicht dir selbst überlassen. Dasselbe gilt in Bezug auf deinen Bruder.

Du kannst von diesem Forum nicht erwarten, dass hier nur Meinungen geäußert werden, die mit deiner übereinstimmen und dich bestätigen. Es ist auch nicht so, dass du nur den Leuten Leid tust, die dir hier hochemotional nach dem Mund reden. Aber seelische Unterstützung bedeutet nicht, dass man genauso denken muss wie der Mensch, dessen Schicksal einen berührt. Es bedeutet, dass man dem anderen nach bestem Wissen und Gewissen sagt, was man von der Sache hält und welche Auswege man sieht. Auch dann, wenn es von der Sichtweise des anderen total abweicht. Oder wäre es dir lieber, ich würde lügen und heucheln? Du schreibst hier, was du für richtig hältst, und ich schreibe, was ich für richtig halte. Du musst dich meiner Ansicht nicht anschließen. Wer von uns beiden Recht hat, weiß nur der liebe Gott. Vielleicht liegt die Wahrheit ja auch in der Mitte, oder jede von uns beiden hat auf ihre Weise Recht. Wer weiß das schon?

Da meine Überlegungen und Empfehlungen für dich aber nicht hilfreich zu sein scheinen, werde ich mich aus diesem Thread zurückziehen; denn ich habe dem, was ich zu deinem Problem bzw. dem deines Bruders bereits ausgeführt habe, nichts mehr hinzuzufügen und bleibe bei meiner Meinung, auch vor folgendem persönlichen Hintergrund:

Meine eigene Schwester (49) ist mindestens seit dem Jahr 2000 schwer psychotisch. Ich habe seither über 12 Jahre (!) lang alles Mögliche versucht, damit sie professionelle Hilfe bekommt. Vergeblich. Ich habe das in der Tat bis vor ca. 1 1/2 Jahren allein "auf meinen Schultern getragen". Alle anderen, insbesondere im verwandtschaftlichen Umfeld, haben sich nämlich feige zurückgezogen. Inzwischen habe ich es auch aufgegeben, weil ich sonst selbst nervlich und psychisch daran zugrunde gegangen wäre. Sie ist krankheitsbedingt ebenso uneinsichtig wie dein Bruder. Meine (längst verstorbenen) Eltern haben früher auch den Fehler gemacht, alles laufen zu lassen, sie zu nichts zu zwingen (als es noch möglich gewesen wäre), es ihr zu bequem zu machen und nicht rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Mit dem Erfolg, dass sie - obwohl sie auf dem Gymnasium eine gute Schülerin war - mit ihren 49 Jahren weder ein Studium noch eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, noch nie gearbeitet hat, von Hartz IV lebt, ihr Leben komplett ruiniert hat, sozial isoliert ist und unser gemeinsam ererbtes Elternhaus demnächst völlig unter Wert zwangsversteigert wird, weil sie sich gegen alle anderen sinnvollen Verwertungsmöglichkeiten sperrt. Dass sie, die das Elternhaus mit großem Garten seit dem Tod unserer Mutter vor über drei Jahren allein bewohnt, sich etwas antut, wenn es dann zur Zwangsräumung kommt, kann ich auch nicht ausschließen. Es graut mir schon jetzt davor...

Vielleicht kannst du nun zumindest nachvollziehen, weshalb ich es als meine Pflicht ansehe, meine Mitmenschen in ähnlichen Fällen davor zu warnen, zu nachsichtig gegenüber den selbstzerstörerischen "Entscheidungen" von psychisch kranken und möglicherweise nur eingeschränkt zurechnungsfähigen Angehörigen zu sein.

Alles Gute für dich und deine Familie, und mögen euch weitere schlimme Erfahrungen erspart bleiben!
 
Zuletzt bearbeitet:

Anzeige (6)

Ähnliche Themen

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

    Anzeige (2)

    Oben