Natürlich spielt das kräftig in die Situation mit hinein. Ich (57) hatte in meinem Leben auch erst spät und auch nur wenige Partnerschaften und habe nie geheiratet. Habe jetzt wenigstens eine Wochenendbeziehung. Hatte ich mir früher so aber auch nicht vorgestellt. Ich war an meinem Gymnasium eine der besten Abiturientinnen meines Jahrgangs, hatte ein paar Schulfreundinnen, war zwar Männern gegenüber sehr schüchtern, der eine oder andere schien mich aber durchaus zumindest sympathisch zu finden, wenngleich ich damals noch keinen Freund hatte. Ich wollte ursprünglich nicht nur studieren, sondern auch heiraten, eine Familie gründen, ein Haus erwerben und meinen Beruf natürlich auch ausüben. Nun tue ich von alledem nur Letzteres und bin froh, wenigstens mein Studium geschafft zu haben, einen gescheiten Beruf auszuüben und als Beamtin im höheren Verwaltungsdienst auch finanziell recht gut abgesichert zu sein.Ja ich musste viel und oft mithelfen. Privatleben blieb da oft auf der Strecke.... ja meine Erziehung war total streng, ständig gab es Streitigkeiten die sehr heftig waren!! Wir als Familie unternahmen sehr wenig und wenn dann wurde vorher ein Fass aufgemacht usw.... tja.... es war und ist nicht einfach...
Es wird wahrscheinlich so sein, dass das auch mit in meine Situation reinspielt-
In meiner Kindheit und Jugend gab es zwischen meinen schon recht alten Eltern auch häufig Streitigkeiten, Mutter war seit meiner Kindheit chronisch krank und erwartete von meiner Schwester und mir Rücksichtnahme darauf. Bei meiner mit uns im Haus wohnenden Oma väterlicherseits und der unverheirateten Tante war es genauso. Meine Eltern waren auch nicht gerade gesellig, zumal sie auch nicht viel Geld hatten. Sie lebten sehr zurückgezogen. Ab und zu mal Besuche von und bei Verwandten oder mal eine Plauderei zum Kaffee bei Geburtstagsfeiern mit den Nachbarn - mehr spielte sich in der Hinsicht in meinem Elternhaus nicht ab. In Urlaub führen wir auch nur selten (nicht mal jedes Jahr) und wenn, dann höchstens nach Bayern oder Österreich. Für großartige Hobbys und Unternehmungen zwischendurch war gar kein Geld da. Meist sah man als Kind fern, las oder spielte bei Nachbarskindern oder bei uns im Garten. Ein Zoobesuch war für meine Schwester und mich schon ein Riesenhighlight und kam höchstens einmal im Jahr vor. Immerhin durfte man als Kind zum Geburtstag drei bis sechs andere Kinder einladen und dann auch zu deren Geburtstagsfeiern gehen. Meinen Akkordeonunterricht (das Instrument hatte mein Vater mir mehr oder weniger aufgedrängt) bezahlte eine Großtante. Meine Schwester war eine Pferdenärrin und hätte gern Reitunterricht genommen - war finanziell nicht drin. In sportlicher Hinsicht machten unsere Eltern nichts, absolut nichts, mit uns. Eine Lehrerin in der Grundschule hatte mal empfohlen, ich sollte Ballettunterricht nehmen - finanziell war ebenfalls gar nicht daran zu denken. Erst mit elf Jahren bekam ich ein Fahrrad, meine Schwester mit neun. So, dass ich mich auf dem Fahrrad wirklich sicher fühle und auf öffentlichen Straßen fahren würde, habe ich das Radfahren nie gelernt. Ähnliches gilt für andere gängige Sportarten. Motorisch würde ich mich als deutlich minderbegabt bezeichnen. Andere sind Legastheniker - ich bin "Sportasthenikerin" und absoluter Sportmuffel. Auch der Sportunterricht in der Schule war mir immer ein Gräuel.
Meine Kindheit und Jugend bestand mehr oder weniger darin, brav und möglichst pflegeleicht zu sein und fleißig für die Schule zu lernen. Das Resultat sehe ich jetzt.
Wie man sich nach außen hin möglichst vorteilhaft darstellt, "Netzwerke" aufbaut und in "gehobener" Gesellschaft sicher und gewandt auftritt, konnte ich angesichts solcher Rahmenbedingungen in meinem Elternhaus nicht lernen. Meine Schwester ist mit Anfang 30 auch noch psychisch schwer erkrankt mit Wahnvorstellungen, nimmt keine Hilfe an. Dadurch ist einiges den Bach heruntergegangen bis hin zum Verlust des gemeinsam ererbten Elternhauses....
Welcher Mann ist schon scharf darauf, in solche problembeladenen Verhältnisse einzuheiraten?! Da kann man als junge Frau durchaus passabel aussehen, freundlich sein, einen guten Charakter haben, den Mann aufrichtig lieben, sich sogar noch einen gewissen Charme und Humor bewahrt und im Hinblick auf Partnerschaft, Ehe und Kinder die besten Absichten haben... Über diese Eigenschaften verfügen viele Töchter aus besserem Hause auch - Töchter, deren Eltern gebildeter und wohlhabender sind, eine bessere Ehe führen, körperlich fitter sind, einem Schwiegersohn in spe finanziell und in punkto "Vitamin B"mehr zu bieten haben, ihre Töchter im Hinblick auf deren äußere Erscheinung und Auftreten ganz anders beraten und ausstaffieren und zudem ihre erwachsenen Kinder leichter "loslassen" können. Natürlich werden diese ohnehin schon von Geburt an privilegierten Töchter von den Männern dann vorgezogen. Den Frauen aus problematischeren Verhältnissen bleibt nur die Wahl zwischen ewigem Alleinbleiben und einer Besser-als-nichts-Beziehung. Jedenfalls dann, wenn nicht noch eine gehörige Portion Glück dazu kommt.
Auch Frauenfreundschaften oder sonstige bloße Freundschaften zu anderen Menschen werden durch eine solche Lebensgeschichte erschwert. Paare laden Singles nicht gern zu sich ein. Und selbst wenn man einen Partner hat, wird von Bekannten und potentiellen Freunden auch sehr darauf geachtet, wie dessen Status und soziale Stellung sind. Passt es nicht, fällt man trotz Partner durch's Raster und wird nicht (mehr) zusammen eingeladen. Mein Partner und ich haben - abgesehen von einer Cousine und deren Lebensgefährten, die wir etwa einmal jährlich sehen - kein einziges anderes Paar, mit dem wir uns in der Freizeit treffen können. Auch keinen Single. Die wenigen Kontakte laufen nur telefonisch oder per E-Mail. Und wir sind obendrein froh, dass wir wenigstens diese Kontakte noch haben.
Ich weiß heute jedenfalls sehr genau, warum ich nicht verheiratet bin und beruflich auch nicht mehr weiter kommen werde als bisher. Ich bin inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem man durch Fleiß und eigene Bemühungen oder gar Anstrengungen nichts mehr verbessern kann - weder beruflich noch privat. Hätte ich aber überhaupt nicht an mir gearbeitet, wäre ich bei meiner Biografie noch nicht mal dahin gekommen, wo ich heute bin. Wie es noch viel schlimmer hätte enden können, habe ich ja bei meiner Schwester erlebt, die früher eine sehr attraktive, begabte, charmante und beliebte junge Frau war. Heute lebt sie in unserer Heimatstadt in einer Sozialwohnung unterm Dach, inzwischen wahrscheinlich von Grundsicherung, und hat nur noch zu einer einzigen früheren Mitschülerin Kontakt, die ebenfalls psychisch schwer gestört ist und von Grundsicherung lebt.
Die meisten Menschen, die im Privatleben bessere Ausgangsvoraussetzungen und mehr Glück hatten, verstehen aber nicht, dass es solche oder auch andere ungünstige Umstände gibt, die die Chancen auf Heirat und Familiengründung oder auch nur einen Freundeskreis signifikant verringern oder sogar völlig vereiteln, ohne dass man etwas dafür kann. Sie wollen einem dann vermitteln, man sei an allem selbst schuld, seit jeder unattraktiv, unsympathisch und mache etwas falsch. Mithin: Nicht liebens"wert" in des Wortes wahrster Bedeutung. Das ist hier im Forum nicht anders als im realen Leben.
Im Grunde hilft es nur, nach Menschen Ausschau zu halten, die für so etwas Verständnis haben, entweder weil es ihnen genauso bzw. ähnlich ergangen ist wie dir oder sie - falls sie Familie haben - wenigstens mehr Toleranz für abweichende Lebensläufe und Einfühlungsvermögen besitzen. Man hat eben nicht alles im Leben selbst in der Hand. Man kann innerhalb gewisser Grenzen einiges machen, manche Grenzen bis zu einem bestimmten Punkt auch ausdehnen - und das sollte man auch tun, um sich selbst nichts vorwerfen zu müssen. Aber komplett abschaffen oder beliebig ausdehnen kann man die Grenzen, die das Leben, die Herkunft, Schicksalsschläge etc. einem setzen, nun mal nicht.
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