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Lieblingsgedichte

beihempelsuntermsofa

Sehr aktives Mitglied
Gestutzte Eiche


Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.

Juli 1919
Das avanciert langsam wirklich zu einem Lieblingsgedicht.
Das ist so traurig und schön.
Das passt so zu mir.
 
J

JPreston

Gast
Ich hab gelernt, einfach und klug zu leben,
Zum Himmel aufzuschaun, zu Gott zu beten,
Und lange abends übers Land zu gehen,
Um abzukühln die nutzlose Erregung.

Wenn in den Schluchten Kletten leise rascheln,
Gelbrote Vogelbeeren niedrig stehn,
Beginn ich frohe Verse zu verfassen,
Vom faulig faulen Leben, das so schön.

Ich kehr zurück. Es leckt die Hände mir
Der weiche Kater und miaut versöhnt,
Und es beginnt ein Lichtschein hell zu flirrn
Im Türmchen auf dem Sägewerk am See.

Nur manchmal fliegt ein Storch zu seinem Nest,
Mit seinem Schrei die Stille kurz zu störn.
Und wenn du laut an meine Türe schlägst,
Kommt's mir so vor, als könnt ich dich nicht hörn.

Anna Achmatova 1912
 
J

JPreston

Gast
Sei mir gerühmt, unausweichlicher Schmerz!
König Grauauge starb gestern das Herz.

Der herbstliche Abend war purpurn und schwül.
Mein Mann kam nach Hause und sagte mir kühl:

»Weißt du, man brachte ihn heim von der Jagd,
Den Leib bei der alten Eiche man barg.

Die arme Königin, jung anzuschaun!
Im Lauf einer Nacht ist sie völlig ergraut.«

Er fand seine Pfeife auf dem Kamin
Und ging dann zur Arbeit, die nächtlich beginnt.

Ich wecke jetzt auf mein Töchterlein fein,
Schau in ihre Augen, die grauen, hinein.

Es flüstern die Pappeln vom Fenster her:
»Es gibt deinen König auf Erden nicht mehr …«

Anna Achmatova 1910
 
J

JPreston

Gast
[h=3]Die Kuh[/h] Gebrechlich, manch Zahn ausgefallen,
Die Jahre benagten das Horn.
Der Kuhhirt hat oft sie geschlagen,
Zum Wechseln des Felds angespornt.

Dem Herz wird der Lärm unerträglich,
Die Mäuse scharren im Eck.
Traurig denkt sie vergeblich
Ans Kälbchen, des Bein weiß gefleckt.

Man ließ ihr den Sohn nicht sehr lange,
Die erste Freude ging fehl.
Und am Pfahl, unter der Darre,
Zauste der Zugwind ein Fell.

Vom Buchweizentrog geht sie bald,
Den der Sohn schon vorausging, den Weg.
Man legt ihr den Strick um den Hals
Und führt sie zur Schlachtbank hinweg.

Bedauerlich, traurig und scheußlich
Muht sie auf Erden noch was …
Und träumt wohl vom Hain, dem weißen,
Von Wiesen mit saftigem Gras.

Esenin 1915
 
J

JPreston

Gast
Dich anzuschaun, es macht mich traurig,
Welch ein Mitleid, welch ein Schmerz!
Du weißt, nur Weidenhonigs Zaudern
Uns im September noch gehört.

Man hat sich gegen dich verschworen,
Dein warmes Zittern traf der Spott.
Als wär der Niesel überfroren
Durch eine Seele, die fast tot.

Was soll's! Ich fand bald andre Freude,
Die meine Angst davor vertrieb;
Denn außer feuchter, gelber Fäule
Fast sowieso nichts mehr verblieb.

An sanftes Lächeln, stilles Leben
Hab ich mit Sorgfalt nie gedacht.
Durchschritten sind nicht viele Wege,
So viele Fehler sind gemacht.

Das Leben: Chaos, sinnlos hoffen.
So war es und so wird es sein.
Wie'n Friedhof ist mit Birkenknochen
Weit übersät der blanke Hain.

So werden auch wir bald entfliehen,
Verrauschen wie des Haines Gast …
Da winters keine Blumen blühen,
Ist Trauer um sie fehl am Platz.

Esenin 1923
 
P

passata

Gast
Im Nebel


Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

(Hermann Hesse)
 

beihempelsuntermsofa

Sehr aktives Mitglied
Rosen auf den Weg gestreut

Ihr müsst sie lieb und nett behandeln,
Erschreckt sie nicht - sie sind so zart.
Ihr müsst mit Palmen sie umwandeln
Getreulich ihrer Eigenart.
Pfeift eurem Hunde wenn er kläfft -
Küsst die Faschisten wo ihr sie trefft.

Wenn sie in ihren Sälen hetzen
Sagt "Ja und Amen - aber gern!
Hier habt ihr mich - schlagt mich in Fetzen."
Und prügeln sie - so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft.
Küsst die Faschisten wo ihr sie trefft.

Und schiessen sie - : du lieber Himmel
Schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?
Nennt sie "die süssen Schnuckerchen",
Gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen.
Und verspürt ihr auch
In eurem Bauch
Den Hitlerdolch,
Tief, bis zum Heft - :
Küsst die Faschisten,
Küsst die Faschisten,
Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft.

(Kurt Tucholsky)
 

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