Wie gesagt, ich habe zwei gute Freund*innen, die ich sehr schätze. Und natürlich sind sie daran interessiert, wie es mir geht, was ich mache, undsoweiter. Trotzdem haben sie aber vor allem erstmal ihr eigenes Leben. Beide haben ihren Alltag, ihre Belastungen - und auch ihre eigenen Familien.
Deshalb finde ich es (u.a.) auch so schwierig, wenn man pauschal rät "mach deine Freunde zu deiner Familie". Die meisten haben bereits eine. Das bringt ein enormes Ungleichgewicht. Meine Freund*innen wären zwar sicher traurig, wenn unsere Freundschaft irgendwann mal zerbräche, hätten aber immer noch ihre Familie als Konstante. Ich eben nicht. Und Freundschaften gehen nun mal oft auseinander, das ist meine Erfahrung, und für mich eben auch der Hauptunterschied zu einer Familie. Wenn nicht der Tod dazwischen kommt, hat man seine Familie im Normalfall ein Leben lang, egal, was passiert. Man hat Menschen, denen man (mehr oder weniger gern) verpflichtet ist, die einem (mehr oder weniger gern) verpflichtet sind. Nur mal so als Beispiel: wenn jemand einen Autounfall hat - wer wird benachrichtigt? Wenn jemand stirbt - an wen wird sich dann gewendet, um alles zu organisieren, etc.? Richtig, die Familie.
Ein weiteres Beispiel: meine Freundin. Sie hatte vor ein paar Wochen eine Blinddarmentzündung - ihre Eltern haben sie im Krankenhaus besucht, und anschließend, zum Kurieren, mit zu sich genommen. Ja, sie ist erwachsen, ja, sie wohnt allein, ja, sie hat ein eigenes Leben - und trotzdem war es für sie einfach schön, "zuhause" zu sein und umsorgt, gehegt zu werden. Ganz bestimmt mussten ihre Eltern wegen ihres spontanen Besuchs das ein oder andere umplanen - aber das war eben gar keine Frage, das wurde einfach so gemacht.
Wenn mir etwas passiert, dann habe ich niemanden, der einfach so da ist.
Und bitte, bitte sagt mir jetzt nicht, dass es aber auch Leute gibt, die Familie haben und trotzdem niemanden, der da ist, dass es mit Familie auch schwer ist - ich weiß das alles, glaubt mir.
Wie ich schon mal schrieb: sehr lange habe ich versucht, das wegzuschieben, nicht daran zu denken, "nicht rumzuheulen, weil das auch nichts ändert". So oft hat man mir gesagt, ich solle doch lieber froh sein, nicht den Stress zu haben, den andere mit ihren Familien haben, so oft habe ich gehört, dass andere es aber auch schwer haben, dass ich irgendwann einfach nichts mehr gesagt habe. Wie soll man das jemandem begreiflich machen, der es schlicht nicht verstehen KANN? Viele unterstellen dann, dass ich mich nur wichtig machen, den "Wer hat's am schwersten"-Contest gewinnen will. Was noch mehr dazu führt, dass ich lieber nichts mehr sage.
Ich wünschte einfach, ich hätte Menschen mit ähnlichem Hintergrund, die.. ja, halt verstehen. Das Nicht-Verstanden-werden, das Sich-verteidigen-und-erklären-müssen werden macht nur noch einsamer.
(Bitte nicht falsch verstehen, ich habe durchaus wahrgenommen, dass manche in diesem Thread teilweise ähnliche Erfahrungen haben. Und diese Momente des Verstehens tun gut.)