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Desillusioniert im/vom Traumberuf

La_silenziosa

Neues Mitglied
Hallo liebe Community,
ich brauche jetzt dringend jemanden, der mir zuhört und vielleicht Ähnliches durchmacht/durchgemacht hat... Ich bin derzeit echt verzagt. :-( Gleich vorweg: Ich bin weiblich, noch 31 Jahre (in zwei Wochen 32) und aus dem östlichen Teil Österreichs. Das vielleicht zu meiner Person, ob es großartig zur Sache dient, weiß ich nicht, dennoch wollte ich es erwähnt haben...

Ich habe vor mittlerweile vier Jahren mein Lehramtsstudium für "Italienisch" und "Geschichte und politische Bildung" an der Universität erfolgreich abgeschlossen, uff, da merkt man erst, dass die Zeit definitiv nicht stehenbleibt, und ich bin seit Dezember letzten Jahres, 2023, in einer Mittelschule als Lehrerin tätig. Davor habe ich mein berufliches Dasein in schulischen Nachmittagsbetreuungen, also Horten, und in einem Jugendbildungszentrum (=> Berufsorientierung für junge Menschen) gefristet. Ich war so froh, dass sich Ende 2023 endlich eine Lehrer-Stelle ergeben hat, so lange habe ich darauf gewartet, ich habe ja doch 6,5 Jahre studiert und kann endlich in die Schule den Kids Wissen vermitteln, meiner Leidenschaft nachgehen - kurz gesagt: meinen Traumberuf ausüben - ich wollte schon seit Kindheitstagen Lehrerin werden, nicht ohne Grund habe ich oft und viel Nachhilfe gegeben, mit meinen Geschwistern Schule gespielt, ich bin die geborene Lehrerin... Das haben mir nicht nur meine Kids, sondern auch meine Lehrer*innen aus Schulzeiten mehrmals bestätigt à la: "Na, wenn die keine Lehrerin wird, wer soll es sonst werden?!"

Wait, what?! Jetzt bin ich also in der Schule, in einer Mittelschule, gelandet und darf Englisch und das verpflichtende Wahlpflichtfach Naturwissenschaften, im folgenden mit Nawi abgekürzt, unterrichten. Gut, Englisch geht ja noch, ist zwar nicht die Sprache, die ich studiert hatte (Italienisch wäre mir lieber, aber ja, ist halt so), aber da ich nie schlecht darin war, kann/konnte ich mich damit gut arrangieren. Aber Nawi?! Nawi habe ich selbst immer, na ja gehasst würde ich nicht sagen, aber geliebt habe ich es auch nicht - es war ok. Jetzt darf ich es unterrichten, jetzt darf ich vertiefende Inhalte zu Bio/Chemie/Physik frechen, pubertierenden, respektlosen Kids beibringen, deren Eltern ich gar nicht kennenlernen möchte - zu viele Schauergeschichten gehen im Lehrerzimmer um... Warum ich nicht meine zwei gelernten Fächer unterrichten darf? Na ja "Italienisch" wird bei uns nicht angeboten und für "Geschichte" gibt es zu viele Kolleg*innen... Außerdem ist es, zumindest bei uns in Österreich so, dass du in Mittelschule alles quer Beet unterrichten darfst, sollst, MUSST!

... und was ist jetzt mit mir los?! Tja, das wüsste ich gerne. Ich bin irgendwie unzufrieden, verzweifelt und gleichermaßen down, weil ich einfach das Gefühl habe, ich bringe den Kids nicht wirklich was Vernünftiges bei, ich bin dem Ganzen nicht gewachsen, weil ich ja doch fachfremd bin, was die Kids natürlich auch checken: Erst kürzlich durfte ich mir wieder pampige Antworten anhören. Natürlich gehen grad bei den Kids die Hormone durch, das ist das Alter, wir waren alle mitsamt nicht anders, eh klar, aber dennoch fressen mich die Selbstzweifel auf, und das obwohl ich noch nicht mal ein halbes Jahr im Schulleben bin ... Wie soll das weitergehen? Wird das besser? Ich will eigentlich nicht schon jetzt auf's Aufgeben denken, da ich mir irgendwie auch denke: "Hey, come on, es ist mein erstes Dienstjahr. Das ist okay. Ich bin sicher nicht die Einzige, der es so geht/ging" Aber dann gibt es wieder so Tage, wo ich mir denke "Ich war schon ein naiver Idiot, hätte ich doch was Anderes studiert und meine Leidenschaft, das Unterrichten, hätte ich beim Nachhilfe geben bleiben sollen..."

.... und jetzt? Jetzt sitze ich da, vor meinen Schulsachen, die ich eigentlich für morgen vorbereiten sollte, bin aber gerade viel zu sehr emotional, um irgendwas vernünftig vorzubereiten, geschweige denn zu planen... ich schreibe lieber in ein anoymes Forum meinen Frust/meine Emotionen... Ach herrje...

Danke für's Zuhören und für etwaige Mutmach-Sprüche oder sonstiges.

La silenziosa
 

SSSSSSundnocheinS

Aktives Mitglied
Hallo,

wieso hast du dich denn überhaupt darauf beworben, wenn es nicht deine Fächer sind? Das war doch schon deine eigene Enscheidung. Wenn ich Lehrer werden wollen würde, würde ich mich auch nur auf passende Stellen bewerben, "meine Fächer". Aber gut jetzt ist es so.
Was bleibt dir jetzt anderes übrig, als das Beste daraus zu machen. Dir Mühe zu geben, entspannt zu bleiben. Ich an deiner Stelle, würde mich auf passende Stellen bewerben (mit deinen Fächern), sodass du im Idealfall schon in ein paar Monaten wechseln kannst, andernfalls noch ein Jahr länger dort bleibst. Dann hast du doch deine Traumvorstellung, also warum jetzt aufgeben?
 

Pappenheimer

Aktives Mitglied
Hallo La_silenziosa,

ohne Experte auf diesem Gebiet zu sein, denke ich, da ist noch Hoffnung und du darfst das nicht so negativ sehen. Du stehst noch am Anfang und musst mit den Herausforderungen deines Berufs erst noch umgehen lernen. Ich würde den Rat eines erfahrenen Kollegen (generisches Maskulinum) suchen bzw. mir einen Mentor suchen, insbesondere was die Frage der Autorität im Klassenzimmer betrifft.

Das mit den Fächern dürfte nicht soo wichtig sein, schließlich findet der Unterricht nicht auf Universitätsniveau statt. Du musst natürlich fachlich so fit sein, dass du die Inhalte vermitteln und (bis zu einem gewissen Grad) Fragen beantworten kannst und dass dir keine großen Fehler unterlaufen. Diesen Anspruch solltest du m.E. schon an dich haben. Es sollte mit der Zeit möglich sein, sich das zu erarbeiten. Die Einstellung "Ich hasse Naturwissenschaften" dürfte dabei wohl nicht sehr hilfreich sein. Und ich weiß auch nicht, wie du es gegenüber Schülern, die ein Fach nicht mögen, vertreten kannst, dass sie es trotzdem lernen sollen, wenn du selbst nicht dazu bereit bist. Du musst es ja auch nur einmal lernen und verstehen und kannst es dann jahrelang weitergeben und dich dabei auf die Art der Vermittlung und die Schüler konzentrieren. Mit der Zeit dürften die sich wiederholenden Inhalte immer unwichtiger werden und die Kunst des Lehrens in den Vordergrund geraten.

Letztlich denke ich auch nicht, dass deine Autorität davon abhängt, ob du fachlich sehr kompetent bist. Ich glaube eher, dass das nur ein Punkt ist, der zu deiner generellen Unsicherheit beiträgt. Die Unsicherheit wirst du aber überwinden können mit der Zeit, der Erfahrung, der Routine und der Hilfe von Kollegen oder anderen Leuten (Supervision? Schulpsychologe?).

Gleichzeitig kannst du ja alles tun, um vielleicht doch noch andere Fächer unterrichten zu können, sei es an dieser oder einer anderen Schule. Aber aufgeben würde ich jetzt nicht, das wäre zu früh. Du schaffst das schon.

Viel Glück.

P.S.: Was genau ist eine Mittelschule?
 
G

Gelöscht 129160

Gast
Nun, was soll man sagen? Dass der Lehrerberuf auch negative Seiten hat, hast du vorher nicht kommen sehen? Nachhilfe zu geben, ist eine Sache. Da sind die Kinder motiviert. In der Schule sind sie frech und rebellieren auch mal. So ist das eben. Du warst doch selbst in der Schule und müsstest wissen, wie Schüler sich verhalten. War niemand in eurer Klasse damals vorlaut oder unverschämt zu den Lehrern?
Zu den Fächern: Ich weiß nicht, wie es in Österreich ist, aber in Deutschland unterrichten nur wenige Schulen Italienisch. Entsprechend sollte doch vorher klar gewesen sein, dass Italienisch-Lehrer nicht unbedingt gefragt sind, oder nicht?
Und wo liegt das Problem beim fachfremden Unterricht? Ich kenne Informatiker, die Projektmanagement machen, Ingenieure, die Kostenkalkulationen aufstellen (müssen) und Ärzte, die sich um ihre Praxis-IT kümmern müssen, alles fachfremd. Man schafft es sich drauf und macht seinen Job.
Die Alternative ist, dass du gezielt nach Stellen suchst, bei denen du deine Fächer unterrichten kannst. Dann musst du da eben Energie hineinstecken, so eine Stelle zu finden und dann ggf. bereit sein, andere Kompromisse einzugehen z.B. indem du den Wohnort wechselst. Frech sind die Kinder aber überall.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Boone92

Aktives Mitglied
Deine Fächerkombi war ehrlich gesagt verdammt unklug, Italienisch ist nunmal ein totales Nischenfach und Geschi ist IMMER über Bedarf da, weil das eben so ein typisches Zweitfach ist, zumindest in DE, aber scheint bei euch wohl ähnlich.

Also ich fürchte, du musst dich damit abfinden, in anderen sprachlichen Fächern (Deutsch, Englisch) eingesetzt zu werden und Geschi kommt dann hfftl. irgendwann zusätzlich wenn ältere Kollegen in Ruhestand sind.

Falls du die Stelle nun fest hast würde ich da bei der Planung für nächstes Schuljahr auch schonmal drauf pochen, dass du dich in NaWi garnicht wohl fühlst und eher in deine Richtung möchtest.

Im Übrigen finde ich es ziemlich naiv wie hier einige behaupten, das sei ja garkein Ding, fachfremd zu unterrichten. Das mag ja in der Grundschule noch klargehen, aber völlig ohne Vorbereitung plötzlich naturwissenschaftliche Themen der Mittel- und Oberstufe nicht nur selbst wieder präsent zu haben sondern auch noch didaktisch aufbereitet zu unterrichten, kann nur schwierig funktionieren.
 
G

Gelöscht 129160

Gast
Ich finde es etwas blauäugig, Orchideenfächer zu studieren und zu erwarten, man bekäme den Traumberuf auf dem Silbertablett serviert. Und dann fällt man aus allen Wolken, weil die Arbeit anstrengend und die Kinder frech sind.
Lehrer ist ein fordernder Beruf. Überdurchschnittlich viele Lehrer werden vorzeitig berufsunfähig. Die Kinder sind zunehmend schwieriger, die Zusammenarbeit mit den Helikoptereltern problematisch. Zu den Unterrichtsstunden kommen Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche und Korrekturen (bei Sprachen ein massiver zeitlicher Faktor!). Dazu Konferenzen und Elternsprechtage. Kein Lehrer, den ich kenne, kommt mit einer 40h-Woche aus. Obendrein ist der Schulbetrieb zum Spielball der Politik geworden, die alle paar Jahre eine neue Sau durchs Dorf treibt, ohne wirklich etwas zu verbessern.
Auf der anderen Seite arbeitet man mit Menschen zusammen und man hat die Gelegenheit, etwas zu bewegen. Man kann jungen Leute etwas mitgeben und sie ein Stück weit auf ihrem Weg begleiten. Wenn das gut läuft, kommt dabei auch viel zurück und das kann sehr zufriedenstellend sein. Außerdem winkt zumindest in DE eine Verbeamtung, was weitere Vorteile mit sich bringt. Speziell für Frauen, die eine Familie gründen möchten, wohl die beste Art, finanziell abgesichert zu sein.
Irgendwo in diesem Spannungsfeld bewegt sich der Lehrerberuf. Und darüber sollte man sich Gedanken machen, bevor man diesen Beruf ergreift.
 

GrayBear

Aktives Mitglied
@La_silenziosa Wenn das Unterrichten Dein Traumberuf ist, dann sollte das jetzt für Dich die Herausforderung schlecht hin sein, denn Du hast ja am eigenen Leib erfahren, wie öde ein Bio-Chemie-Physik-Unterricht sein kann. Unser Chemielehrer hat regelmäßig etwas in Brand gesetzt oder explodieren lassen und hatte Geschichten über die jeweiligen Wissenschaftler drauf, die spannend waren. Wie z.B. ein Madame Curie am Ende gestorben ist, ist schon eine Erwähnung wert. Es gibt inzwischen so viele fantastische Dokus in diesen Fächern, die auch Schüler aus der Mittelschule zumindest neugierig machen können und mit denen ein normaler Unterricht nicht konkurrieren kann.

Aber eines ist natürlich klar: am Anfang ist das viel Arbeit und Du musst einiges dazu lernen. Denn die entscheidende Frage wurde schon gestellt: wie willst Du jemanden für etwas begeistern, dass Dich nicht begeistert? Du hast geschrieben, dass Du auch etwas anderes hättest studieren können, aber das hast Du nicht. Warum?
 

Pfefferminzdrops

Aktives Mitglied
Ein Vorwurf hilft an dieser Stelle nicht wirklich weiter, auch wenn tatsächliche viele Lehrer mit anderen Vorstellungen in ihr Studium starten als dann später die Realität für sie bereit hält. Ich glaube tatsächlich auch, dass viele Lehrer den Glücksfaktor für sich in Anspruch nehmen und denken, bei ihnen würde es schon anders laufen - dass sich Beschäftigungsmöglichkeiten in Orchideenfächern schon ergeben, die Schule, an die man kommt, netter als der Durchschnitt ist, die Schüler daher lieber und lernwiliger und die Helikopter-Eltern schon so schlimm nicht sein würden. Man sagt ja auch so oft, die Hoffnung stürbe zuletzt. Meine Cousine ist Grundschullehrerin (in D) und sie sagt, hätte sie früher gewusst, was auf sie zukommt, hätte sie diesen Beruf nicht gewählt. Aber auch da hätte, hätte, Fahrradkette.

Die Lage ist vertrackt und eine schnelle Lösung nicht in Sicht. Es macht schon einen Unterschied, ob ich mich mit sprachlichem oder gesellschaftswissenschaftlichem Hintergrund an eine Schule begebe oder ob ich in der naturwissenschaftlichen/mathematischen/technischen Schiene lande. In der Regel sucht man sich ja seine Fächer nicht ohne Grund aus nach Fähigkeiten und Interesse. Wenn du also nicht plötzlich dein Faible für diese Fächer entdeckst würde ich auch versuchen, schnellstmöglich auf eine passendere Stelle zu wechseln. Meine oben genannte Cousine hat nach dem Refrendariat an eine andere Grundschule gewechselt - begeistert ist sie noch immer nicht, aber die Bedingungen dort sind deutlich besser. Manchmal spielt auch das Kollegium eine große Rolle, bei ihr war das wohl so.

Die Schüler/Eltern wirst du nicht ändern können - da solltest du schon grundsätzlich Begeisterung aufbringen können wollen, den Kids etwas mit auf den Weg zu geben und auch mit den Unbequemen zurecht zu kommen. Ansonsten ganz generell dein Berufsbild überdenken. Vielleicht wäre auch ein Wechsel an eine berufsbildende Schule noch eine Option. Da sind die jungen Leute schon erwachsener und habe nicht mehr so viele pubertäre Flausen im Kopf.

Viele Lehrer landen bei uns auch als Seiteneinsteiger in irgendwelchen Büros. Vielleicht käme dir da noch dein Italienisch zu Gute. Das wäre dann aber wirklich Zufall, deine Karriere wahrscheinlich überschaubar genauso wie dein Gehalt. Da wärst du quasi ungelernt, denn jeder Kaufmann hat dir etwas Wesentliches voraus.

Mit 32 bist du natürlich auch nicht mehr ganz taufrisch. Wenn du 6,5 Jahre studiert hast frage ich mich allerdings auch, was du bis Mitte 20 gemacht hast. Vielleicht wäre das ja noch ein Anhaltspunkt, mit dem man zu weiteren Alternativen überlegen könnte.

Zwischen Lehrer spielen oder Kindern Nachhilfe zu geben, die dein Angebot brauchen, haben wollen und deshalb kooperativ und willig sind und dem hauptberuflichen Lehrerjob liegen natürlich auch Welten. Das eine zeichnet eben das Bild des Lehrers wie es sein könnte - demgegebenüber steht die harte Realität.
 
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