Amicellini
Mitglied
Ich habe lange gezögert, mich hier anzumelden. Schon vor zwei Jahren habe ich hier gestöbert und darüber nachgedacht mich anzumelden. Aber schon damals dachte ich, das ist nicht wichtig genug, ich bin nicht wichtig genug. Es ist ja nicht so schlimm, stell dich nicht so an.
Meine Probleme sind vielfältig. Ich wurde hochgradig schwerhörig geboren und habe bis 2004 immer nur kaum helfende Hörgeräte getragen. Im Zuge dieser Vereinsamung fing ich an, aus Frust mir immer mehr Fett anzuessen. Das begann in der 1. Klasse, als ich auf eine Montessorigrundschule kam und die einzige Schwerhörige war. Die anderen fingen an, mich dafür zu mobben, dass ich Extrawürste brauchte, dass sie wegen mir Mikrofone verwenden mussten. Kaum ging ich durch den Frust in die Breite fing auch dort das Mobbing an. Ich hatte nur eine einzige Freundin, die in der zweiten Klasse dann die Schule wechselte. Ich vereinsamte und habe mich irgendwann jede Pause in der Bücherei verkrochen. Dort wuchs auch meine Liebe zu den Büchern.
Zur gleichen Zeit bekam mein Vater schwerste Depressionen, die er an mir ausließ. Nachdem ich von allen drei Kindern ihm am ähnlichsten war und auch den gleichen Sturkopf besaß, bot ich ihm die meiste Angriffsfläche. Wir stritten uns beinahe allabendlich und immer öfter bekam ich Zimmerarrest, Computerverbot, einen Pantoffel nachgeschmissen und mit Schimpfwörtern übergossen.
Mein Vater war selbst in seiner Kindheit übergewichtig und wollte mir das Schicksal des Gemobbtwerdens ersparen. Leider waren seine Methoden mich vom Übergewicht abzubringen die falschen. Er beschimpfte mich als faule Socke, als dicke Kuh und dergleichen mehr. Ich wurde beschimpft wenn ich mehr nehmen wollte und fing darum an, abends und nachts den Kühlschrank leerzuessen und den Süßigkeitenvorrat zu durchforsten. Ich wurde immer dicker.
Als auch das entdeckt wurde, sperrten meine Eltern alles Süße weg und versuchten auf vielen Wegen mich abnehmen zu lassen. ich kam in eine Kinderkur, wo ich für 4 Wochen abnehmen sollte. Es war die Hölle, ich verstand nicht, was sie wollten, mir war nicht klar, dass ich wirklich dick war. Ich nahm ein wenig ab und wie ich wieder zuhause war, wurde alles immer schlimmer.
Zu dieser Zeit bekam ich auch das erste Cochlear Implantat. Ein spezielles Gerät das implantiert wird in den Kopf, mit dem man besser hörte. Kurzzeitig half es mir. Ich fing an zu lügen und Geld zu stehlen, meine kleine Schwester zu schlagen. Meine beiden Geschwister waren immer erfolgreicher gewesen als ich. Sie waren dünn, sie konnten perfekt hören, sie hatten Freunde ohne Ende, sie konnten singen und Instrumente spielen. All das war mir vergönnt und so wurde ich rasend eifersüchtig.
Als ich auf die Realschule kam, hoffte ich, dass alles besser werden würde. Ich kam auf eine Schwerhörigenrealschule, da waren wir ja alle im gleichen Boot nicht wahr? Aber es kam viel schlimmer. Dadurch, dass ich nie richtig das soziale Gefüge gelernt habe, war ich auch hier unsicher und wurde bald wieder zum Pausenbücherleser, der von der Männergruppe verhöhnt und gemobbt wurde. Zuflucht fand ich hier einzig und alleine bei der Mathelehrerin, die mich mehrere Male in der Woche aus dem Unterricht nahm und mit mir den Stand der Dinge besprach.
Zuhause wurde derweilen nichts besser, mein Vater und ich stritten uns bei jeder Möglichkeit und auch meine Mutter war langsam aber sicher überfordert mit Vaters Depression.
Ich bin nicht gut in Jahreszahlen und auch meine Erinnerung lässt mich im Stich, deswegen mag es vielleicht nicht sehr chronologisch sein, was ich hier von mir gebe.
Jedenfalls hat Mama eines Tages gesagt, Schluss jetzt, du gehst jetzt in eine Kur und machst etwas gegen deine Depression. Mein Vater kam also in die Klinik und bekam Tabletten gegen die Depression verschrieben. Dummerweise waren es schlechte und es ging ihm noch viel schlimmer. Ich selbst habe in der Zeit eigentlich kaum noch zuhause irgendetwas gemacht. Nach der Schule ging ich in den Hugendubel und las dort bis ich mit dem letzten Bus nachhause fuhr und mich dort vor den computer fläzte und im Internet chattete. Das Internet war und ist lange meine Zuflucht gewesen.
Erst als ich in die 7. Klasse kam und wir die Kurse wählen mussten, wurde es besser. Ich wählte Wirtschaft und ich kam in eine komplett neue Klasse. Hier war es besser. Als die Jungs erneut versuchten, mich zu mobben, stand ich für mich selbst auf und habe mich bei einem Lehrer beschwert. Danach wurde es besser, ich fand sogar zaghaft einige wenige erste Freunde. Privat änderte sich jedoch wenig, erst nach ein oder zwei Jahren wurde mein Vater auf ein neues Medikament gesetzt, was auch zu wirken schien.
Von einem Tag auf den anderen war er für mich wie ausgewechselt. Er lachte und wollte mich umarmen, kuscheln, steckte mir Geld ohne Ende zu und entschuldigte sich immer wieder für sein Gebaren.
Ich bekam Angst vor ihm, so war nicht mein Vater. Mein Vater war wütend, streitsüchtig, rechthaberisch. Der neue Vater machte mir Angst und ich kapselte mich ab. Ich sagte nie etwas, weil er ja damit glücklich schien. Ich habe mich immer für das Wohl anderer zurückgenommen. Irgendwann entwickelte ich dadurch eine heftige Antipathie gegen seine Berührungen, die ja eigentlich durchweg harmlos waren. Aber noch immer sagte ich nichts.
In der 10. Klasse wurde mir langsam bewusst, dass ich ja wirklich dick war und wollte unbedingt etwas dagegen tun. Erneut fuhr ich auf eine Abnehmkur. Es das reinste Albtraumcamp. Ich wurde wieder einmal übelst gemobbt, weil ich so sozial-unsicher und inkompatibel war. Die Betreuer gingen nicht dazwischen und auch so fühlten wir uns von einigen Betreuern ausgenutzt und mies behandelt. Ja, ich nahm ab, aber als ich nach 9 Wochen rauskam, war ich psychisch zerstörter als davor.
Dadurch war es kein Wunder, dass ich die 14 Kilo innerhalb kürzester Zeit wieder draufhatte, ungeachtet der Tatsache, dass ich zum Fitnessstudio ging.
Nach der Kur, die in den Sommerferien war, ging ich auf ein Gymnasium, das eine spezielle Einführungsklasse für Schwerhörige hatte.
Aber hier fing das ganze Thema mit dem Mobben wieder von vorne an, aber es wurde subtiler. Es war nichts mehr, von wegen dem ich zum Lehrer hätte gehen können. Auch die Lehrer hier fand ich fürchterlich. Nachdem ich von der Relaschule kleine Klassen und sehr fürsorgliche Lehrer gewohnt war, war das hier ein Albtraum. Den Lehrern ging es nur um die Noten, sie vergaßen unsere Namen, sprachen den meinigen konsequent falsch aus und bald wurde die Schule die Hölle. Besonders der Schulsport.
Zu dieser Zeit hatte ich bereits wieder eine Therapeutin, schon seit meiner jüngsten Kindheit hatte ich diverse Therapeuten, die alle kaum etwas brachten. Diese Therapeutin war allerdings von mir selbst gewünscht. Doch selbst jetzt im rückblick könnte ich nicht sagen, ob sie wirklich etwas gebracht hat. Jedenfalls war der Schulsport aufgrund meines Übergewichtes und der anderen Mädchen schlimmer als alles andere, ich baute eine regelrechte Panik auf vor dem Dienstagmorgen. Ich bekam immer ernstere Depressionen und heulte mich beinahe jeden Abend in den Schlaf. auch die Selbstmordgedanken kamen vermehrt auf. Irgendwann konnte ich die Therapeutin dazu überreden, mir ein Attest für den Schulsport zu schreiben, wenn ich dafür jeden Dienstag schwimmen ging. eine Weile ging das auch.
Unter all den Depressionen litten auch meine Schulnoten immer mehr. Ich bin generell eine sehr gute Schülerin, ich hatte meine mittlere Reife mit 1,5 in den Hauptfächern abgeschlossen und auch sonst war ich sehr schlau. Zum Ende des ersten Schuljahres jedoch wurde es immer schlimmer uind als ich in die 11 Klasse kam, war alles vorbei. Ich kroch auf dem Zahnfleisch, lernte nicht mehr, passte nicht mehr auf und konnte nicht mehr.
Im Gymnasium hatte ich eine einzige Freundin, nennen wir sie Angelika, die ein paar Fächer mit mir teilte und mit der ich jede Pause - soweit es denn ging verbrachte. Sie selbst hasste das Gymnasium ebenfalls und hatte den Plan, nach den Zwischenzeugnissen das Gymnasium zu verlassen und sich bei einer Kunstfos zu bewerben. Ich fand die Idee immer toller und besprach mit der Therapeutin und meinen Lehrern das alles und erhielt positive Rückmeldung.
Als ich jedoch diesen Vorschlag meiner Mutter unterbreitete, war sie ganz und gar nicht begeistert. Das war im Dezember, der 11 Klasse. Es war am Abend und ich saß zusammen mit ihr auf dem Bett und erzählte ihr davon. Sie verstand es nicht und hielt es für eine beschissene Idee, das Gymnasium wegen solch einer Kleinigkeit zu verlassen. Ich fing an zu weinen und erzählte ihr alles, davon wie ich mir mit der Nagelfeile meinen Handrücken in Hautfetzen zerlegt hatte, wie sehr ich Albträume hatte, wie panisch ich jeden Morgen war, wie apathisch ich den unterricht mitmachte, wie schlecht die Noten waren und angesichts all dessen beschloss meine Mutter, mich erstmal für 2 Wochen von der Schule zu nehmen. In diesen zwei Wochen blühte ich so sehr auf. Ich fing wieder an zu malen und zu fotografieren und eventuell sah auch meine Mutter ein, dass es wirklich besser war mich runterzunehmen.
So meldete ich mich noch im Dezember von der Schule ab und wir überlegten, was wir denn bis zum Sommer noch machen sollten.
Die Weihnachtszeit blieb ich noch daheim und im Februar fuhr ich dann für 2 Monate zu meiner Tante, die auch schon früher immer wieder Unterschlupf für mich bot. Sie ist komplett anders, als meine Familie, eher esoterisch veranlagt und half mir viel. In diesen 2 Monaten hatte ich auch eine Familienaufstellung und ähnliches. Von dort aus meldete ich mich auch für eine psychologische Kur an, die ich dann im März antrat und die mir sicherlich viel half. Sie war unglaublich hart, aber fruchtete. ich blieb dort für 14 Wochen und als ich danach rauskam, kämpfte ich darum, ausziehen zu dürfen. Ich brauchte den Abstand und hatte das extreme Bedürfnis danach, mein Leben selbst auszurichten und mir von keinem mehr sagen zu lassen, was ich zu tun oder zu lassen haben sollte. Nach einigen Kämpfen und der schlussendlichen Unterstützung Angelikas, die selbst bereits alleine wohnte und meinte, sie würde mich unter ihre Fittiche nehmen, wenn ich in ihre Nähe ziehen würde, durfte ich nicht einmal einen Monat nach meinem 18. Geburtstag in die Einzimmerwohnung ziehen.
Ich liebte das Alleinesein von Anfang an. Es ging mir gut und auch die neue Kunstfos - die ich leider nicht mit Angelika teilte, da sie sich bei einer anderen beworben hatte, dort nicht genommen wurde und schließlich auf den Sozialzweig ging - tat mir gut.
Das mit meinem Vater änderte sich nur langsam. Er schrieb mir viel und versuchte das ganze aus seiner Sicht zu erklären. Wir fingen mit vorsichtigen Annäherungsversuchen an und verabredeten uns immer öfter zum gemeinsamen Restaurantgang.
Am Anfang dieses Jahres hat sich jedoch herausgestellt, dass mein Vater Hautkrebs vierter Stufe hat. Also bereits Metastasen in den inneren Organen wuchern hatte. Er ist bis jetzt 4mal operiert worden und hat zum Glück noch keine Chemo machen müssen. Aber keiner der Ärzte kann sagen, wie lange er noch leben wird. Es könnte ein Jahr sein, oder 5, give or take.
Das hat mich sehr mitgenommen. Ich habe über die Jahre immer ein extremes Verhältnis zu meinem Vater gehabt und es war schon immer eine Art Hassliebe. Nicht zu kanpp habe ich ihm den Tod an den Hals gewünscht und mich dann doch wieder rührend um ihn gekümmert, wenn er krank war. Diese zwiespältigkeit frisst mich jetzt auf, da ich jetzt für ihn lieb und nett und alles handle, damit er zumindest das Gefühl hat, seine letzte große Aufgabe, wie er es immer sagte, erfüllt zuhaben: Fireden mit mir zu schließen.
Ich selbst kann aber nicht sagen, ob das, wie ich jetzt mit ihm umgehe, wirklich ist, oder gespielt. vermutlich ist es beides. Tatsache jedoch ist, es frisst mich auf.
auch habe ich seit der Kur, die jetzt ein Jahr her ist, langsam vermehrt Depressionen bekommen und immer öfter Streit oder Unsicherheiten mit meinen wenigen Freunden gehabt. Ich habe ernorm zugenommen und fühle mich immer schlechter.
Um jetzt den Bogen zu dem Thematitel zu schließen;
ich habe mich jetzt wieder für eine Therapie angemeldet und mein erstes Testgespräch am Donnerstag. Etwas, was mich jedoch über all die therapien und Kuren begleitet hat, war der Gedanke
'Es ist doch alles nicht so schlimm. Ich bin nur ein bisschen traurig. Ich habe doch keine großen Probleme. Darf ich wirklich den Therapieplatz belegen, wenn es doch Leute gibt, die ihn viel dringender nötig haben. Darf ich mich wirklich so anstellen?'
Was meint ihr? Ich kann dieses Gefühl nicht abschütteln und fühle mich immer wahnsinnig schlecht, wenn ich eine Depression habe und ich denke, dass ich mich nicht so anstellen soll. Ich habe es ja doch immer noch so gut. Meine Eltern zahlen die Wohnung und das Wohnungsgeld, sie untersützen mich, soweit sie können. Ich habe keine ernsthaften Traumas, wurde nicht vergewaltigt oder sonstwas. darf ich mich wirklich so anstellen?
Meine Probleme sind vielfältig. Ich wurde hochgradig schwerhörig geboren und habe bis 2004 immer nur kaum helfende Hörgeräte getragen. Im Zuge dieser Vereinsamung fing ich an, aus Frust mir immer mehr Fett anzuessen. Das begann in der 1. Klasse, als ich auf eine Montessorigrundschule kam und die einzige Schwerhörige war. Die anderen fingen an, mich dafür zu mobben, dass ich Extrawürste brauchte, dass sie wegen mir Mikrofone verwenden mussten. Kaum ging ich durch den Frust in die Breite fing auch dort das Mobbing an. Ich hatte nur eine einzige Freundin, die in der zweiten Klasse dann die Schule wechselte. Ich vereinsamte und habe mich irgendwann jede Pause in der Bücherei verkrochen. Dort wuchs auch meine Liebe zu den Büchern.
Zur gleichen Zeit bekam mein Vater schwerste Depressionen, die er an mir ausließ. Nachdem ich von allen drei Kindern ihm am ähnlichsten war und auch den gleichen Sturkopf besaß, bot ich ihm die meiste Angriffsfläche. Wir stritten uns beinahe allabendlich und immer öfter bekam ich Zimmerarrest, Computerverbot, einen Pantoffel nachgeschmissen und mit Schimpfwörtern übergossen.
Mein Vater war selbst in seiner Kindheit übergewichtig und wollte mir das Schicksal des Gemobbtwerdens ersparen. Leider waren seine Methoden mich vom Übergewicht abzubringen die falschen. Er beschimpfte mich als faule Socke, als dicke Kuh und dergleichen mehr. Ich wurde beschimpft wenn ich mehr nehmen wollte und fing darum an, abends und nachts den Kühlschrank leerzuessen und den Süßigkeitenvorrat zu durchforsten. Ich wurde immer dicker.
Als auch das entdeckt wurde, sperrten meine Eltern alles Süße weg und versuchten auf vielen Wegen mich abnehmen zu lassen. ich kam in eine Kinderkur, wo ich für 4 Wochen abnehmen sollte. Es war die Hölle, ich verstand nicht, was sie wollten, mir war nicht klar, dass ich wirklich dick war. Ich nahm ein wenig ab und wie ich wieder zuhause war, wurde alles immer schlimmer.
Zu dieser Zeit bekam ich auch das erste Cochlear Implantat. Ein spezielles Gerät das implantiert wird in den Kopf, mit dem man besser hörte. Kurzzeitig half es mir. Ich fing an zu lügen und Geld zu stehlen, meine kleine Schwester zu schlagen. Meine beiden Geschwister waren immer erfolgreicher gewesen als ich. Sie waren dünn, sie konnten perfekt hören, sie hatten Freunde ohne Ende, sie konnten singen und Instrumente spielen. All das war mir vergönnt und so wurde ich rasend eifersüchtig.
Als ich auf die Realschule kam, hoffte ich, dass alles besser werden würde. Ich kam auf eine Schwerhörigenrealschule, da waren wir ja alle im gleichen Boot nicht wahr? Aber es kam viel schlimmer. Dadurch, dass ich nie richtig das soziale Gefüge gelernt habe, war ich auch hier unsicher und wurde bald wieder zum Pausenbücherleser, der von der Männergruppe verhöhnt und gemobbt wurde. Zuflucht fand ich hier einzig und alleine bei der Mathelehrerin, die mich mehrere Male in der Woche aus dem Unterricht nahm und mit mir den Stand der Dinge besprach.
Zuhause wurde derweilen nichts besser, mein Vater und ich stritten uns bei jeder Möglichkeit und auch meine Mutter war langsam aber sicher überfordert mit Vaters Depression.
Ich bin nicht gut in Jahreszahlen und auch meine Erinnerung lässt mich im Stich, deswegen mag es vielleicht nicht sehr chronologisch sein, was ich hier von mir gebe.
Jedenfalls hat Mama eines Tages gesagt, Schluss jetzt, du gehst jetzt in eine Kur und machst etwas gegen deine Depression. Mein Vater kam also in die Klinik und bekam Tabletten gegen die Depression verschrieben. Dummerweise waren es schlechte und es ging ihm noch viel schlimmer. Ich selbst habe in der Zeit eigentlich kaum noch zuhause irgendetwas gemacht. Nach der Schule ging ich in den Hugendubel und las dort bis ich mit dem letzten Bus nachhause fuhr und mich dort vor den computer fläzte und im Internet chattete. Das Internet war und ist lange meine Zuflucht gewesen.
Erst als ich in die 7. Klasse kam und wir die Kurse wählen mussten, wurde es besser. Ich wählte Wirtschaft und ich kam in eine komplett neue Klasse. Hier war es besser. Als die Jungs erneut versuchten, mich zu mobben, stand ich für mich selbst auf und habe mich bei einem Lehrer beschwert. Danach wurde es besser, ich fand sogar zaghaft einige wenige erste Freunde. Privat änderte sich jedoch wenig, erst nach ein oder zwei Jahren wurde mein Vater auf ein neues Medikament gesetzt, was auch zu wirken schien.
Von einem Tag auf den anderen war er für mich wie ausgewechselt. Er lachte und wollte mich umarmen, kuscheln, steckte mir Geld ohne Ende zu und entschuldigte sich immer wieder für sein Gebaren.
Ich bekam Angst vor ihm, so war nicht mein Vater. Mein Vater war wütend, streitsüchtig, rechthaberisch. Der neue Vater machte mir Angst und ich kapselte mich ab. Ich sagte nie etwas, weil er ja damit glücklich schien. Ich habe mich immer für das Wohl anderer zurückgenommen. Irgendwann entwickelte ich dadurch eine heftige Antipathie gegen seine Berührungen, die ja eigentlich durchweg harmlos waren. Aber noch immer sagte ich nichts.
In der 10. Klasse wurde mir langsam bewusst, dass ich ja wirklich dick war und wollte unbedingt etwas dagegen tun. Erneut fuhr ich auf eine Abnehmkur. Es das reinste Albtraumcamp. Ich wurde wieder einmal übelst gemobbt, weil ich so sozial-unsicher und inkompatibel war. Die Betreuer gingen nicht dazwischen und auch so fühlten wir uns von einigen Betreuern ausgenutzt und mies behandelt. Ja, ich nahm ab, aber als ich nach 9 Wochen rauskam, war ich psychisch zerstörter als davor.
Dadurch war es kein Wunder, dass ich die 14 Kilo innerhalb kürzester Zeit wieder draufhatte, ungeachtet der Tatsache, dass ich zum Fitnessstudio ging.
Nach der Kur, die in den Sommerferien war, ging ich auf ein Gymnasium, das eine spezielle Einführungsklasse für Schwerhörige hatte.
Aber hier fing das ganze Thema mit dem Mobben wieder von vorne an, aber es wurde subtiler. Es war nichts mehr, von wegen dem ich zum Lehrer hätte gehen können. Auch die Lehrer hier fand ich fürchterlich. Nachdem ich von der Relaschule kleine Klassen und sehr fürsorgliche Lehrer gewohnt war, war das hier ein Albtraum. Den Lehrern ging es nur um die Noten, sie vergaßen unsere Namen, sprachen den meinigen konsequent falsch aus und bald wurde die Schule die Hölle. Besonders der Schulsport.
Zu dieser Zeit hatte ich bereits wieder eine Therapeutin, schon seit meiner jüngsten Kindheit hatte ich diverse Therapeuten, die alle kaum etwas brachten. Diese Therapeutin war allerdings von mir selbst gewünscht. Doch selbst jetzt im rückblick könnte ich nicht sagen, ob sie wirklich etwas gebracht hat. Jedenfalls war der Schulsport aufgrund meines Übergewichtes und der anderen Mädchen schlimmer als alles andere, ich baute eine regelrechte Panik auf vor dem Dienstagmorgen. Ich bekam immer ernstere Depressionen und heulte mich beinahe jeden Abend in den Schlaf. auch die Selbstmordgedanken kamen vermehrt auf. Irgendwann konnte ich die Therapeutin dazu überreden, mir ein Attest für den Schulsport zu schreiben, wenn ich dafür jeden Dienstag schwimmen ging. eine Weile ging das auch.
Unter all den Depressionen litten auch meine Schulnoten immer mehr. Ich bin generell eine sehr gute Schülerin, ich hatte meine mittlere Reife mit 1,5 in den Hauptfächern abgeschlossen und auch sonst war ich sehr schlau. Zum Ende des ersten Schuljahres jedoch wurde es immer schlimmer uind als ich in die 11 Klasse kam, war alles vorbei. Ich kroch auf dem Zahnfleisch, lernte nicht mehr, passte nicht mehr auf und konnte nicht mehr.
Im Gymnasium hatte ich eine einzige Freundin, nennen wir sie Angelika, die ein paar Fächer mit mir teilte und mit der ich jede Pause - soweit es denn ging verbrachte. Sie selbst hasste das Gymnasium ebenfalls und hatte den Plan, nach den Zwischenzeugnissen das Gymnasium zu verlassen und sich bei einer Kunstfos zu bewerben. Ich fand die Idee immer toller und besprach mit der Therapeutin und meinen Lehrern das alles und erhielt positive Rückmeldung.
Als ich jedoch diesen Vorschlag meiner Mutter unterbreitete, war sie ganz und gar nicht begeistert. Das war im Dezember, der 11 Klasse. Es war am Abend und ich saß zusammen mit ihr auf dem Bett und erzählte ihr davon. Sie verstand es nicht und hielt es für eine beschissene Idee, das Gymnasium wegen solch einer Kleinigkeit zu verlassen. Ich fing an zu weinen und erzählte ihr alles, davon wie ich mir mit der Nagelfeile meinen Handrücken in Hautfetzen zerlegt hatte, wie sehr ich Albträume hatte, wie panisch ich jeden Morgen war, wie apathisch ich den unterricht mitmachte, wie schlecht die Noten waren und angesichts all dessen beschloss meine Mutter, mich erstmal für 2 Wochen von der Schule zu nehmen. In diesen zwei Wochen blühte ich so sehr auf. Ich fing wieder an zu malen und zu fotografieren und eventuell sah auch meine Mutter ein, dass es wirklich besser war mich runterzunehmen.
So meldete ich mich noch im Dezember von der Schule ab und wir überlegten, was wir denn bis zum Sommer noch machen sollten.
Die Weihnachtszeit blieb ich noch daheim und im Februar fuhr ich dann für 2 Monate zu meiner Tante, die auch schon früher immer wieder Unterschlupf für mich bot. Sie ist komplett anders, als meine Familie, eher esoterisch veranlagt und half mir viel. In diesen 2 Monaten hatte ich auch eine Familienaufstellung und ähnliches. Von dort aus meldete ich mich auch für eine psychologische Kur an, die ich dann im März antrat und die mir sicherlich viel half. Sie war unglaublich hart, aber fruchtete. ich blieb dort für 14 Wochen und als ich danach rauskam, kämpfte ich darum, ausziehen zu dürfen. Ich brauchte den Abstand und hatte das extreme Bedürfnis danach, mein Leben selbst auszurichten und mir von keinem mehr sagen zu lassen, was ich zu tun oder zu lassen haben sollte. Nach einigen Kämpfen und der schlussendlichen Unterstützung Angelikas, die selbst bereits alleine wohnte und meinte, sie würde mich unter ihre Fittiche nehmen, wenn ich in ihre Nähe ziehen würde, durfte ich nicht einmal einen Monat nach meinem 18. Geburtstag in die Einzimmerwohnung ziehen.
Ich liebte das Alleinesein von Anfang an. Es ging mir gut und auch die neue Kunstfos - die ich leider nicht mit Angelika teilte, da sie sich bei einer anderen beworben hatte, dort nicht genommen wurde und schließlich auf den Sozialzweig ging - tat mir gut.
Das mit meinem Vater änderte sich nur langsam. Er schrieb mir viel und versuchte das ganze aus seiner Sicht zu erklären. Wir fingen mit vorsichtigen Annäherungsversuchen an und verabredeten uns immer öfter zum gemeinsamen Restaurantgang.
Am Anfang dieses Jahres hat sich jedoch herausgestellt, dass mein Vater Hautkrebs vierter Stufe hat. Also bereits Metastasen in den inneren Organen wuchern hatte. Er ist bis jetzt 4mal operiert worden und hat zum Glück noch keine Chemo machen müssen. Aber keiner der Ärzte kann sagen, wie lange er noch leben wird. Es könnte ein Jahr sein, oder 5, give or take.
Das hat mich sehr mitgenommen. Ich habe über die Jahre immer ein extremes Verhältnis zu meinem Vater gehabt und es war schon immer eine Art Hassliebe. Nicht zu kanpp habe ich ihm den Tod an den Hals gewünscht und mich dann doch wieder rührend um ihn gekümmert, wenn er krank war. Diese zwiespältigkeit frisst mich jetzt auf, da ich jetzt für ihn lieb und nett und alles handle, damit er zumindest das Gefühl hat, seine letzte große Aufgabe, wie er es immer sagte, erfüllt zuhaben: Fireden mit mir zu schließen.
Ich selbst kann aber nicht sagen, ob das, wie ich jetzt mit ihm umgehe, wirklich ist, oder gespielt. vermutlich ist es beides. Tatsache jedoch ist, es frisst mich auf.
auch habe ich seit der Kur, die jetzt ein Jahr her ist, langsam vermehrt Depressionen bekommen und immer öfter Streit oder Unsicherheiten mit meinen wenigen Freunden gehabt. Ich habe ernorm zugenommen und fühle mich immer schlechter.
Um jetzt den Bogen zu dem Thematitel zu schließen;
ich habe mich jetzt wieder für eine Therapie angemeldet und mein erstes Testgespräch am Donnerstag. Etwas, was mich jedoch über all die therapien und Kuren begleitet hat, war der Gedanke
'Es ist doch alles nicht so schlimm. Ich bin nur ein bisschen traurig. Ich habe doch keine großen Probleme. Darf ich wirklich den Therapieplatz belegen, wenn es doch Leute gibt, die ihn viel dringender nötig haben. Darf ich mich wirklich so anstellen?'
Was meint ihr? Ich kann dieses Gefühl nicht abschütteln und fühle mich immer wahnsinnig schlecht, wenn ich eine Depression habe und ich denke, dass ich mich nicht so anstellen soll. Ich habe es ja doch immer noch so gut. Meine Eltern zahlen die Wohnung und das Wohnungsgeld, sie untersützen mich, soweit sie können. Ich habe keine ernsthaften Traumas, wurde nicht vergewaltigt oder sonstwas. darf ich mich wirklich so anstellen?