anonymchen9
Mitglied
Hallo,
ich muss mir nun hier auch mal etwas von der Seele schreiben, weil ich mich gerade einer Lebens- und Studiensituation befinde, wo bald die Weichen für das weitere Leben und die Berufsaussichten gestellt werden und alles momentan sehr surreal ist.
Ich stamme aus einer Familie, in der niemand einen Studienabschluss besitzt. Meine Mutter hat mal irgendwann was begonnen und abgebrochen, die genauen Gründe kenne ich nicht. Ich bin nicht direkt "Arbeiterkind", es liegen stattdessen Berufsausbildungen vor, aber Akademikerkind bin ich eben auch nicht und habe das im Studium echt gemerkt. Mir fehlt(e) es definitiv irgendwie an akademischem Einfluss und Anreiz in der Familie. Geld war ebenfalls nie viel da, in der Schule hatte ich starke Probleme durch Mobbing... ich hatte eigentlich gar keine Lust und Kraft mehr darauf, aber ich habe ein Abi mit mittelmäßiger Note geschafft und nach einem Jahr zwangsweiser (Devise: aus dem Elternhaus ausziehen oder arbeiten gehen und Kostgeld zahlen; Auszug mangels finanzieller Möglichkeit war nicht machbar) Arbeit in einem absoluten Schrottjob, in psychischer Hinsicht, in einem Telefonbüro habe ich ein Studium der Rechtswissenschaften begonnen. Das ging damals nur, weil das Bundesland die Studiengebühr abgeschafft hatte, sonst wäre ein Studium finanziell nicht möglich gewesen. So begann das alles eigentlich schon verdammt erbärmlich.
Mittlerweile stehe ich kurz vor dem 2. Anlauf der Examensvorbereitung, das erste Repetitorium musste ich leider wegen Corona abbrechen, da es nicht ausreichend Lehrangebot gab. Spätestens jetzt, wo viele die kommerzielle Examensvorbereitung machen und da hunderte, ja tausende Euro reinstecken, ist für mich das Märchen von der Chancengleichheit im Studium gefressen und ich fühle mich komplett verarscht vom Leben.
Klar kann man das auch mit dem kostenlosen Repetitorium der Uni gut schaffen. Aber es ist eben auch nicht dasselbe, es ist quasi eine Zwei-Klassen-Gesellschaft dort, wo es sowas nicht geben sollte. Das Ganze hat mir emotional einen richtigen Dämpfer verpasst. Klar kann ich jetzt den Sommer Vollzeit als Werkstudent arbeiten gehen und danach das kommerzielle Rep starten, aber zu welchem persönlichen Preis, wenn ich mein letztes Hemd, alles Ersparte und jede Rücklage dafür gebe und jemand anders das von den Eltern selbstverständlich geschenkt bekommt. Und am Ende ist auch das Kommerzielle keine Garantie, genausowenig wie das Kostenlose. Der Gedanke zerfrisst mich total, auch das ewige Vergleichen zu anderen Studenten. Andere haben nebenbei schon ein Fuß in der Tür zur Politik, sind in entsprechenden Verbänden, der Fachschaft aktiv und ich muss halt in der Freizeit jobben gehen, um Miete, Krankenkasse (bin 25+), Lebensmittel, Fixkosten, das verpflichtende Studienticket zu zahlen. Alternative ist halt weitere Verschuldung, aber das möchte ich nicht.
Richtig bombe lief es bei zwei alten Schulkolleginnen, die ins selbe Fach sind, allerdings herrschte da auch ein anderer familiärer Halt, eine andere Situation vor. Ich weiß, dass ich das nicht vergleichen darf, was die Startvoraussetzungen angeht, ich bin halt kein Einser-Abi und mangels Kohle damals auch nicht auf das englischsprachige internationale Gymnasium gewechselt, aber wenn ich dann sehe, dass sie schon fertig sind, die eine zu den anderen "Von" und "Zu"s in die Großkanzlei gegangen ist, während ich hier noch jeden Cent zusammenkratze, um dem Studium ein würdiges und halbwegs gutes Ende zu bereiten, würde ich am liebsten alles hinschmeißen und auf eine einsame Insel ziehen und in Selbstmitleid versinken. Ich weiß auch, dass Vergleiche falsch sind. Und die Einstellung total jämmerlich ist, nur einfach abstellen kann ich sie eben auch nicht. Ich fühle mich vom Leben, durch meine Familien-, Lebens-, Startbedingungen benachteiligt, obwohl wir alle am Ende vor der Uni tatsächlich nur eine Matrikelnummer waren/sind. Die eine Matrikelnummer konnte eben unbeschwert lernen, während die andere noch Schichten in der Gastro kloppte und den Tag darauf zu kaputt zum Lernen war, nur einen Teil den Pensums schaffte. Vielleicht bin ich da auch zu weich, aber körperlich macht es mir schon zu schaffen.
Für ein Stipendium war ich nie gut genug, weder zu Schulzeiten noch jetzt in der Uni, BaFöG gab es irgendwann nicht mehr, da bei uns die Leistungsnachweise recht streng waren und ich nicht alles direkt im ersten Anlauf packte, ich halte mich aktuell mit auslaufendem Studienkredit und Nebenjob komplett alleine über Wasser. Dadurch, dass ich früher "ohne alles" aufgewachsen bin - alleinerziehende Mutter, kein Geld, kein gar nix, immer alles gerade so ausreichend zur Existenz, Überleben statt Leben - bin ich als Erwachsene irgendwie schon materiell geworden. Ich habe gesehen, was die Studienkollegen alles haben, ohne dafür gearbeitet zu haben und ich wollte das auch, um nicht wieder abgehängt zu werden (ja, dumm!), aber ich musste dann eben mehr Jobben gehen. Durch Studium zogen sich immer wieder Phasen mit falscher Prioritätensetzung, mehr Jobben, mehr Geld, aber dafür nicht so auf den Hosenboden gesetzt, was Lernen angeht mangels Zeit. Durchgekommen bin ich trotzdem, aber toll ist es rückblickend nicht. Vielleicht will ich auch zu viel, ich will auch mal leben. Vielleicht ist es zu viel verlangt. Irgendwann bin ich sonst im Berufsleben und hätte als junger Mensch nie gelebt. Ist das egoistisch und falsch? Gefühlt muss ich jetzt alles nachholen, das früher fehlte und das ist verdammt viel. Nur das Materielle eben, es lauern noch viel mehr alte Probleme wie emotionale Vernachlässigung früher als Kind, verbale und psychische Gewalt zuhause, doch das sind Dinge, die kann ich heute durch nichts mehr richten, sondern kann sie nur auszublenden versuchen. Sie werfen leider schon einen Schatten, das gebe ich nicht gerne zu.
Ob ich das alles wie ich es so gemacht habe bereue, weiß ich aktuell nicht, denn ich habe mir mehr ermöglichen können, als ich früher hätte erträumen können. Geblieben ist dennoch der Vergleichszwang. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Wie kann ich ein Examen, ausreichend für Großkanzlei, Staatsdienst usw. erzielen, wenn ich nebenbei noch Teilzeit jobben muss, auch wenn ich "materielles" herunterfahre... da ist so eine große Leere momentan. Corona hat eine ganze Weile gefressen, es sind Semester verloren gegangen, die zeitlich und finanziell nicht ersetzbar sind. Von der Bank ist natürlich keine weitere Hilfe zum Studienabschluss zu erwarten, eine Verlängerung des Studienkredites gibt es nicht. Das sind die Bedingungen, die habe ich ja damals akzeptiert. Netterweise wurden mit Corona mal die direkt zu zahlenden Zinsen erlassen, aber das bringt nach hinten raus eben nichts, wenn man länger studieren muss. Jetzt habe ich das Gefühl, ich habe mich durch eine Verkettung diverser Umstände selbst Schachmatt gespielt.
Ich weiß, dass ich das Studium beenden kann und muss. Ich weiß auch, dass mich das alles an körperlichen, psychischen und finanziellen Reserven kosten wird, dass es das aber wert ist. Aber der Weg bisher und noch dahin, das ist alles total verkackt. Anders kann ich es nicht beschreiben. Es ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau. Irgendwie aber auch nicht. Ach, ich weiß auch nicht. Danke, falls jemand bis hier unten gelesen hat, ich wollte es einfach alles einmal loswerden.
LG
ich muss mir nun hier auch mal etwas von der Seele schreiben, weil ich mich gerade einer Lebens- und Studiensituation befinde, wo bald die Weichen für das weitere Leben und die Berufsaussichten gestellt werden und alles momentan sehr surreal ist.
Ich stamme aus einer Familie, in der niemand einen Studienabschluss besitzt. Meine Mutter hat mal irgendwann was begonnen und abgebrochen, die genauen Gründe kenne ich nicht. Ich bin nicht direkt "Arbeiterkind", es liegen stattdessen Berufsausbildungen vor, aber Akademikerkind bin ich eben auch nicht und habe das im Studium echt gemerkt. Mir fehlt(e) es definitiv irgendwie an akademischem Einfluss und Anreiz in der Familie. Geld war ebenfalls nie viel da, in der Schule hatte ich starke Probleme durch Mobbing... ich hatte eigentlich gar keine Lust und Kraft mehr darauf, aber ich habe ein Abi mit mittelmäßiger Note geschafft und nach einem Jahr zwangsweiser (Devise: aus dem Elternhaus ausziehen oder arbeiten gehen und Kostgeld zahlen; Auszug mangels finanzieller Möglichkeit war nicht machbar) Arbeit in einem absoluten Schrottjob, in psychischer Hinsicht, in einem Telefonbüro habe ich ein Studium der Rechtswissenschaften begonnen. Das ging damals nur, weil das Bundesland die Studiengebühr abgeschafft hatte, sonst wäre ein Studium finanziell nicht möglich gewesen. So begann das alles eigentlich schon verdammt erbärmlich.
Mittlerweile stehe ich kurz vor dem 2. Anlauf der Examensvorbereitung, das erste Repetitorium musste ich leider wegen Corona abbrechen, da es nicht ausreichend Lehrangebot gab. Spätestens jetzt, wo viele die kommerzielle Examensvorbereitung machen und da hunderte, ja tausende Euro reinstecken, ist für mich das Märchen von der Chancengleichheit im Studium gefressen und ich fühle mich komplett verarscht vom Leben.
Klar kann man das auch mit dem kostenlosen Repetitorium der Uni gut schaffen. Aber es ist eben auch nicht dasselbe, es ist quasi eine Zwei-Klassen-Gesellschaft dort, wo es sowas nicht geben sollte. Das Ganze hat mir emotional einen richtigen Dämpfer verpasst. Klar kann ich jetzt den Sommer Vollzeit als Werkstudent arbeiten gehen und danach das kommerzielle Rep starten, aber zu welchem persönlichen Preis, wenn ich mein letztes Hemd, alles Ersparte und jede Rücklage dafür gebe und jemand anders das von den Eltern selbstverständlich geschenkt bekommt. Und am Ende ist auch das Kommerzielle keine Garantie, genausowenig wie das Kostenlose. Der Gedanke zerfrisst mich total, auch das ewige Vergleichen zu anderen Studenten. Andere haben nebenbei schon ein Fuß in der Tür zur Politik, sind in entsprechenden Verbänden, der Fachschaft aktiv und ich muss halt in der Freizeit jobben gehen, um Miete, Krankenkasse (bin 25+), Lebensmittel, Fixkosten, das verpflichtende Studienticket zu zahlen. Alternative ist halt weitere Verschuldung, aber das möchte ich nicht.
Richtig bombe lief es bei zwei alten Schulkolleginnen, die ins selbe Fach sind, allerdings herrschte da auch ein anderer familiärer Halt, eine andere Situation vor. Ich weiß, dass ich das nicht vergleichen darf, was die Startvoraussetzungen angeht, ich bin halt kein Einser-Abi und mangels Kohle damals auch nicht auf das englischsprachige internationale Gymnasium gewechselt, aber wenn ich dann sehe, dass sie schon fertig sind, die eine zu den anderen "Von" und "Zu"s in die Großkanzlei gegangen ist, während ich hier noch jeden Cent zusammenkratze, um dem Studium ein würdiges und halbwegs gutes Ende zu bereiten, würde ich am liebsten alles hinschmeißen und auf eine einsame Insel ziehen und in Selbstmitleid versinken. Ich weiß auch, dass Vergleiche falsch sind. Und die Einstellung total jämmerlich ist, nur einfach abstellen kann ich sie eben auch nicht. Ich fühle mich vom Leben, durch meine Familien-, Lebens-, Startbedingungen benachteiligt, obwohl wir alle am Ende vor der Uni tatsächlich nur eine Matrikelnummer waren/sind. Die eine Matrikelnummer konnte eben unbeschwert lernen, während die andere noch Schichten in der Gastro kloppte und den Tag darauf zu kaputt zum Lernen war, nur einen Teil den Pensums schaffte. Vielleicht bin ich da auch zu weich, aber körperlich macht es mir schon zu schaffen.
Für ein Stipendium war ich nie gut genug, weder zu Schulzeiten noch jetzt in der Uni, BaFöG gab es irgendwann nicht mehr, da bei uns die Leistungsnachweise recht streng waren und ich nicht alles direkt im ersten Anlauf packte, ich halte mich aktuell mit auslaufendem Studienkredit und Nebenjob komplett alleine über Wasser. Dadurch, dass ich früher "ohne alles" aufgewachsen bin - alleinerziehende Mutter, kein Geld, kein gar nix, immer alles gerade so ausreichend zur Existenz, Überleben statt Leben - bin ich als Erwachsene irgendwie schon materiell geworden. Ich habe gesehen, was die Studienkollegen alles haben, ohne dafür gearbeitet zu haben und ich wollte das auch, um nicht wieder abgehängt zu werden (ja, dumm!), aber ich musste dann eben mehr Jobben gehen. Durch Studium zogen sich immer wieder Phasen mit falscher Prioritätensetzung, mehr Jobben, mehr Geld, aber dafür nicht so auf den Hosenboden gesetzt, was Lernen angeht mangels Zeit. Durchgekommen bin ich trotzdem, aber toll ist es rückblickend nicht. Vielleicht will ich auch zu viel, ich will auch mal leben. Vielleicht ist es zu viel verlangt. Irgendwann bin ich sonst im Berufsleben und hätte als junger Mensch nie gelebt. Ist das egoistisch und falsch? Gefühlt muss ich jetzt alles nachholen, das früher fehlte und das ist verdammt viel. Nur das Materielle eben, es lauern noch viel mehr alte Probleme wie emotionale Vernachlässigung früher als Kind, verbale und psychische Gewalt zuhause, doch das sind Dinge, die kann ich heute durch nichts mehr richten, sondern kann sie nur auszublenden versuchen. Sie werfen leider schon einen Schatten, das gebe ich nicht gerne zu.
Ob ich das alles wie ich es so gemacht habe bereue, weiß ich aktuell nicht, denn ich habe mir mehr ermöglichen können, als ich früher hätte erträumen können. Geblieben ist dennoch der Vergleichszwang. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Wie kann ich ein Examen, ausreichend für Großkanzlei, Staatsdienst usw. erzielen, wenn ich nebenbei noch Teilzeit jobben muss, auch wenn ich "materielles" herunterfahre... da ist so eine große Leere momentan. Corona hat eine ganze Weile gefressen, es sind Semester verloren gegangen, die zeitlich und finanziell nicht ersetzbar sind. Von der Bank ist natürlich keine weitere Hilfe zum Studienabschluss zu erwarten, eine Verlängerung des Studienkredites gibt es nicht. Das sind die Bedingungen, die habe ich ja damals akzeptiert. Netterweise wurden mit Corona mal die direkt zu zahlenden Zinsen erlassen, aber das bringt nach hinten raus eben nichts, wenn man länger studieren muss. Jetzt habe ich das Gefühl, ich habe mich durch eine Verkettung diverser Umstände selbst Schachmatt gespielt.
Ich weiß, dass ich das Studium beenden kann und muss. Ich weiß auch, dass mich das alles an körperlichen, psychischen und finanziellen Reserven kosten wird, dass es das aber wert ist. Aber der Weg bisher und noch dahin, das ist alles total verkackt. Anders kann ich es nicht beschreiben. Es ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau. Irgendwie aber auch nicht. Ach, ich weiß auch nicht. Danke, falls jemand bis hier unten gelesen hat, ich wollte es einfach alles einmal loswerden.
LG
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