Hallo!
Mit Geisteswissenschaften hast du ein Fach studiert, in dem man extrem schlecht Arbeit bekommt.
Ich würde mich anstatt zu warten eher für eine neue Ausbildung bewerben/ein Fernstudium oder neues Studium anschließen.
Diese Pauschalverurteilung ist wahrscheinlich der Grund, warum die TE etwas länger warten wird müssen, bis sie eine Anstellung findet, weil sie derart verbreitet ist.
Geisteswissenschaften umfassen ein breites Feld an Fachgebieten, von der Interkulturellen Kommunikation, über Kommunikationswissenschaften, Sprachwissenschaften, Geschichtswissenschaften und Politikwissenschaft bis hin zu den sozialwissenschaftlichen Bereichen.
In den Geisteswissenschaften ist es das primäre Ziel, den kritischen Umgang mit Quellen zu erlernen, diese zu finden, kritisch zu bewerten und aus ihnen Hypothesen abzuleiten.
Die Methoden unterscheiden sich da je nach Fachbereich, ihre Ziele sind jedoch immer dieselben: das kritische Denken zu fördern und den Studenten dazu zu ermächtigen, sich eigenständig Überblick über komplexe Themenbereiche zu verschaffen.
Ein Historiker findet seine Quellen in den Bibliotheken, eine Soziologin findet ihre Quellen in der Bevölkerung (durch Umfragen, etc.), der Politikwissenschaftler im Parlament.
Wer sich ernsthaft fragt, wo diese Kompetenz gebraucht wird, muss darüber im Klaren werden, dass die Berufswelt nicht nur aus Handwerkern und Ingenieuren besteht:
Überall wo ein Produkt hergestellt wird, muss dieses gestaltet, vermarktet und verwaltet werden.
So könnte der Historiker in der technischen Dokumentation arbeiten, ein essentieller Bestandteil im Produktionsprozess, oder in der medizinischen Dokumentation, in welcher Fallstudien aufgezeichnet werden. Seine Fähigkeiten im Quellenstudium und -vergleich sind ihm hier in jedem Fall sehr hilfreich.
Die Soziologin könnte Marktforschung für ein Unternehmen betreiben, oder im Vertrieb die entsprechenden Produkte selbst bewerben. Ihre Fähigkeit zur statistischen Auswertung größerer Datenmengen ist essentiell im Marketing.
Der Kommunikationswissenschaftler könnte als Social Media Manager für ein Unternehmen die PR-Strategie im Internet bestimmen und damit einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben.
Diese Liste an Beispielen lässt sich unendlich fortsetzen, dennoch schlagen Geisteswissenschaftlern ununterbrochen unqualifizierte Voruteile entgegen, die vermutlich auf mangelnde Vorstellungskraft desjenigen zurückzuführen sind.
@TE: Lass dich von diesen Vorurteilen nicht von deinem Ziel abbringen, sondern lege in deinen Bewerbungen den Fokus auf genau diese Fertigkeiten. Sie zu erwerben hast du sicher viel Zeit investiert, die auf keinen Fall verschwendet war.
Im Kontakt mit den Personalabteilungen wird dir vermutlich derselbe herablassende Ton in der Bewertung deiner Fähigkeiten begegnen, wie das im obigen Post geschehen ist. Begegne ihm damit, dass du konkrete Beispiele für deine Fertigkeiten gibst und dein Profil schärfer zeichnest.
Wenn du etwa mit Programmen (z.B. SPSS o.ä.) gearbeitet hast, nenne deine Projekte konkret und biete evtl. Arbeitsproben an.
Lasse deine Bewerbungsunterlagen von Externen überprüfen, wie etwa Bekannten und dem Arbeitsamt. Es gibt zur Gestaltung von Bewerbungsunterlagen auch Ratgeber, die du sicher auch in deiner Stadt- oder Uni-Bibliothek entleihen kannst, wenn du kein Geld investieren möchtest.
Traue dich auch, Initiativbewerbungen zu verfassen und evtl. in der Personalabteilung eines potentiell interessanten Arbeitgebers anzurufen und so Kontakt aufzunehmen. Stelle dich dabei kurz vor und erläutere dein Anliegen. In etwa so:
"Hallo, mein Name ist [...], ich würde mich Ihnen gerne vorstellen, hätten Sie etwas Zeit für mich?"
Wenn nicht, dann:
"In Ordnung, kann ich Sie am nächsten [...] etwa um [...] Uhr noch einmal kontaktieren? Würde Ihnen das besser passen?"
Und so weiter. Wichtig ist dabei, konkrete Terminvorschläge zu nennen und Informationen zu deiner Person und deinem Anliegen knapp zu halten.
Auch, wenn diese Anrufe sicher nicht hunderprozentig Erfolg versprechen, siehe sie als Chance, deine Kompetenzen im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern zu stärken. Kunde, weil du in deiner Situation deine eigene Arbeitskraft vermarkten musst.
Der Einstieg ins Berufsleben ist für viele junge Menschen mühsam, ich selbst habe einige Bekannte, bei denen dieser Einstieg sehr lange gedauert hat. Nichtsdestoweniger sind deine Chancen als Akademiker gut und je konkreter deine Vorstellungen von deinem Beruf sind, desto eher wirst du auch einen Beruf finden, der nicht nur Geld, sondern auch eine erfüllende Beschäftigung verspricht.
Viel Glück!
Nagelring