Hallo,
vielen Dank für eure Antworten mit den vielen verschiedenen Meinungen und Ratschlägen!
Ich bin echt gerührt, dass sich fremde Menschen solche Mühe gegeben haben. Seid mir bitte nicht böse, wenn ich nicht auf alles eingehe.
Was die Ärzte und mögliche Diagnosen betrifft, so hatte ich vielleicht wirklich Pech. Ich glaube auch weder an eine "frühe Hirnschädigung" noch an Epilepsie. Bei mir soll eine Absencen-Epilepsie vorliegen, wo bei Betroffenen Bewusstseinspausen auftreten. Die beginnt in der Regel im Kindesalter. So hat der Neurologe das Ganze wohl auch nach meinen Schilderungen eingeschätzt. Meine Großeltern nannten mich als kleines Mädchen oft "Träumerchen", meine Klassenkameraden nannten mich "Schildkröte" oder "Schnecke". Rückblickend sehe ich mich wie der Hanns aus "Hanns Guck-in-die Luft". Ich stolperte oft über einen winzigen Stein, viel plötzlich eine ganze Treppe runter, lief gegen eine Straßenlaterne, machte plötzlich einen Schlenker mit dem Rad und rammte ein parkendes Auto.
Generell sah mich mein soziales Umfeld als Person, die "zu nichts zu gebrauchen ist".
Ich habe tatsächlich das Abitur geschafft, aber mit einem sehr schlechten Durchschnitt. Ich musste sogar in die Nachprüfung, weil ich von vier Abiturfächern in zwei Fächern eine Fünf hatte. :-(
Ich konnte schon immer gut formulieren und habe wenig Fehler gemacht. Trotzdem war ich in Deutsch immer nur mittelmäßig.
Als Kind habe ich mal darüber nachgedacht, Schriftstellerin zu werden. Doch irgendwann wurde mir klar, dass ich mich zwar gut ausdrücken kann, aber niemals die nötige Fantasie hätte.
Somit liegt bei mir absolut keine Hochbegabung vor. Ich hatte in der Schule keine schlechten Noten, weil ich vieles langweilig fand und mich der Unterricht unterforderte. Im Gegenteil, ich habe eine langsame Auffassungsgabe und es dauerte bis ich neuen Lernstoff verstand. Manches verstand ich auch nie, wie in Mathe oder Naturwissenschaften.
Irgendwann einmal habe ich mich auch mit ADS und dem Asperger-Syndrom beschäftigt und konnte mich damit identifizieren. Ich bat die Psychiaterin, die mir schon seit Jahren ein Antidepressivum verschreibt, um eine Überweisung zu einer Autismusambulanz. Dort hatte ich zwei Gespräche. Das erste führte ich mit einer Psychiaterin, die im Anschluss daran meinte, dass ich sicherlich nicht autistisch sei. Ich habe sehr gut ihre Mimik gespiegelt. Einige Monate später hatte ich das Abschlussgespräch mit einem Oberarzt, der sich ausführlich mit mir unterhielt. Seiner Meinung nach könnte man bei mir das Asperger-Syndrom ausschließen. Er begründete das mit den fehlenden Spezialinteressen und Routinen und mir würde die typische monotone Sprechweise fehlen. Die Gründe für meine Probleme in der sozialen Interaktion sah er in meinem Elternhaus, wo ich vernachlässigt worden bin und psychische Gewalt erfahren habe.
Ich konnte seine Ausschlussdiagnose nachvollziehen. Dennoch fragte ich ihn, ob bei mir ADS vorliegen könnte. Auch das schloss er aus mit der Begründung, dass man sich flüssig mit mir unterhalten könne. Menschen mit AD(H)S würden im Gespräch schnell den roten Faden verlieren.
Er verabschiedete sich mit den Worten "Alles ist gut. Versuchen Sie, alles etwas lockerer zu sehen".
Doch natürlich kann ich nichts locker sehen, wenn ich in meinem Leben keinen Schritt vorwärts komme. Denn das führt auch dazu, dass niemand Respekt vor mir hat. Jeder sieht in mir nur eine Person, die nichts erreicht hat.
Sicherlich mache ich manchmal insgeheim meinen Eltern Vorwürfe, die eben nur ein Sorgenkind in mir gesehen haben und nicht die nötige Geduld aufgebracht haben. Mit ein bisschen Förderung hätte man vielleicht mehr aus mir rausholen können. Stattdessen haben sie mir immer nur ihre Enttäuschung darüber gezeigt, dass ich nicht so klug bin wie die Kinder ihrer Bekannten und von Verwandten. Von denen arbeitet auch heute niemand im Niedriglohnsektor oder ist gar arbeitslos. Doch natürlich weiß ich auch, dass ich die Verantwortung für mein Leben selbst übernehmen muss.
Es geht ja auch nicht nur um die finanzielle/materielle Situation. Ich habe auch so große Probleme, mit anderen Menschen zurechtzukommen. Ich bin sehr harmoniebedürftig und damit verbunden konfliktscheu. Das ist eine schlechte Kombination mit meinem mangelnden Selbstwertgefühl. Man greift auf mich zurück, wenn man mich braucht, ansonsten bin ich uninteressant. Oft bin ich auch als Fußabtreter gut zu gebrauchen. Es braucht lange bis ich Grenzen setze. Ich halte viel Schlimmes zu lange aus. Wenn es mir aber reicht, kann ich sehr impulsiv reagieren und werde dann auch teilweise sehr verletzend.
Manchmal habe ich Angst, dass sich das ewig in einer Endlosschleife so fortsetzen wird.
Viele Grüße,
Milda