Wozu dieses Auf und Ab gut ist?
Ich weiß es nicht. Es ist eben Teil meiner Erkrankung. Mal bin ich übermäßig fröhlich und dann wieder ziemlich betrübt.
Wenn man es von außen betrachtet, dann höre ich immer wieder, dass ich emotional gleichbleibend sei. Ich sei nach außen immer sachlich, geduldig und vernünftig.
Innerlich sieht das ganz anders aus. Da könnte ich vor Fröhlichkeit die Welt umarmen, umher tanzen, fühle mich schon fast wie highm muss mich aber immer irgendwie runter regulieren. Und wenn das Tief kommt, wenn ich morgens aufwache und diese Leere fühle oder sich wieder eine depressive Episode anschleicht, muss ich mich zusammenreißen nicht ständig in Tränen auszubrechen oder einfach nur an die Decke zu starren. Überhaupt die Kraft aufbringen meinen Alltag zu bestreiten.
Und wieder sieht man es von außen nicht. Wie oft ich da sitze und mich auf meinen Atem konzentriere, um diese Gefühlswelt zu regulieren.
Oder wenn Wut von mir Besitz ergreift. Früher konnte ich das überhaupt nicht fühlen. Und seit ich es doch fühlen kann, ist es manchmal so überwältigend, dass ich vor mir selbst zurück schrecke.
Einmal machte mich ein Kerl mitte 30 dumm an, ich hätte falsch eingeparkt. Gleich fing er damit an, dass Einparken wohl nicht meine Stärke sei und duzte mich die ganze Zeit. Obwohl ich ihn vier Mal bat mich mit Sie anzusprechen, machte er dennoch weiter mit seinem Du.
Ich rastete so aus, dass er vor mir die Flucht ergriff und sehr viele Kunden des Supermarktes, auf dessen Parkplatz sich das Szenario abspielte, stehen blieben und zuschauten. Hätte er weiter gemacht, wäre ich fast handgreiflich geworden.
Im Beruf (Krankenpflege) bin ich dann wieder diejenige, die andere anleitet, die Kollegen Ratschläge gibt, diejenige, die mit kühlem Kopf reagiert, wenn meine Kollegen hibbelig werden. Wenn ich arbeite, dann kann ich das, alles was in mir tost abstellen und Leistung bringen. Die Verantwortung für die Gesundheit anderer Menschen tragen.
Vor vier Jahren sagte mir eine Kollegin einmal, dass sie es zwar als angenehm empfindet, dass ich immer so emotional gleichbleibend sei, immer freundlich und dergleichen, dass sie aber lieber Menschen mag, die auch ihre Gefühle nach außen hin mal ausleben.
Es endete damit, dass ich Zuhause einen Heulkrampf bekam und mich verletzte. Weil ich durch ihre Aussage das Gefühl hatte so wie ich bin nicht in Ordnung zu sein. Dass ich versuche mich zu regulieren, das aber auch wieder falsch wäre. Aber auch, dass sie mich so wie ich bin nicht mögen würde, obwohl ich dachte, dass sie es würde.
Im Nachhinein betrachtet war ich da nicht liebevoll zu mir.
Insofern, dank Therapie, ist es nicht mehr so schlimm wie früher. Ich greife nicht mehr zu Alkohol, nehme keine Medikamente mehr, habe meine Essstörung überwunden und verletze mich nicht mehr selbst. Auch meine Traumata habe ich zum Teil aufarbeiten können.
Und dennoch, auch wenn ich diese Leere als Teil meiner Krankheit betrachte und dass dieses Gefühl wohl immer irgendwo da sein wird, das Schlimmste für mich ist, dieses nichts fühlen können. Weder die Verbindung zu anderen, noch zu mir selbst. Alles ist nur schwarz und taub und leblos.
Sicher ist mein Mann da. Das sage ich mir dann auch immer. Ich sehe es. Ich höre seine Worte, dass er mich liebt und mich nicht alleine lässt. Und dennoch ist da kein Gefühl in mir. Es ist nur mein Kopf, der das irgendwie realisiert.
Mein Mann weiß nach all den Jahren was ich in solchen Momenten brauche. Ich denke, manch anderer wäre damit überfordert. Das ist eben auch so ein Punkt, der Vertrauen schwer für mich macht. Auf die Distanz bekommen andere all das nicht so mit. Nur wenn man mir am nächsten steht.
Mein Mann und auch seine Familie haben mir da oft gezeigt, dass sie mich trotz alledem lieben. Dass sie keine Berührungsängste haben, wenn ich mich verletzt hatte zum Beispiel.
Ich sehe das alles. Dennoch nicht jeder Mensch kann mit sowas umgehen. Das ist für beide Seiten nicht leicht.
Doch spätestens, wenn eine Freundschaft einen tieferen Grund erlangt, so wird dies mitunter ein Aspekt meiner Person sein. Etwas, das ich dem anderen anvertrauen werden muss oder sollte.
Doch auch das ist nicht selten mit Vertrauensbrüchen einher gehend. Oder mit Vorurteilen.
Einmal hatte ich eine nette Bekanntschaft kennen gelernt und ihr nach einem halben Jahr von meiner Krankheit erzählt. Ich dachte, dass ich ihr vertrauen könnte.
Wir hatten zwei Wochen keinen Kontakt, da wollte ich sie via Handy anschreiben ob man sich mal wieder auf einen Kaffee treffen wollte. Long story short stellte ich fest, dass sie mich blockiert hatte. Es war nichts vorgefallen. Kein Streit, gar nichts.
Zuerst erzählte sie mir dann, als ich ihr per SMS schrieb was das soll, dass sie gedacht hätte dass ich sie blockiert hätte. Dann sie kenne sich angeblich mit der Technik nicht aus.
Und zu guter Letzt wollte sie mir einreden, weil ich den Kontakt nach der Aktion beenden wollte, dass ich das in Graustufen betrachten müsse. Als wäre ich aufgrund meiner Krankheit nicht in der Lage rational zu bewerten und zu entscheiden wie ich handle.
Vertrauen ist wohl eine gewisse Gradwanderung. Wenn man sich nicht öffnet, kann es sein, man tut so manchen Unrecht. Insofern beraubt man sich möglicher positiver Erfahrungen. Es kann aber auch sein, dass man weitere Negativerfahrungen machen wird. Und diese Angst ist in mir so präsent, weil es mich gerade auch zu sehr erschüttern würde. Und ich Angst habe meine Stabilität komplett zu verlieren.