Hallo Jape,
mein Partner ist Ende Mai auch ganz plötzlich mit erst 60 Jahren verstorben. Wir hatten über elf Jahre eine Wochenendbeziehung, wohnten allerdings nur 30 Autominuten voneinander entfernt. Ich (59) habe seinen Tod, als er an dem Abend weder ans Telefon ging noch auf mein Klingeln öffnete, nachdem ich dann zu ihm gefahren war, mit Hilfe der Polizei und des Notarztes aufgedeckt.
Für mich war es auch ein schwerer Schock. Wahrscheinlich ist er schon zwei Tage vorher in seiner Wohnung verstorben. Todesursache: "Embolie bzw. Herzversagen".
Wenige Tage vor seinem Tod hatte er bei einem mehrtägigen Aufenthalt bei mir über Rückenschmerzen und ein "pulsierendes Gefühl" geklagt. Eine akute Lebensgefahr war aufgrund dieser diffusen Beschreibung für mich nicht erkennbar. Luftnot hatte er angeblich keine, als ich ihn danach fragte. Ich bin aber auch keine Ärztin.
Mein Partner war in all den Jahren nie zum Arzt gegangen. Auch wenn ich ihn von Zeit zu Zeit immer wieder darauf ansprach. Ich fand das nicht gut, weil seine Eltern früh gestorben waren, die Mutter mit 63, der Vater mit 66. Mein Partner hatte ihn nach Rückkehr von der Arbeit tot im Sessel gefunden. Schon 10 Jahre vorher hatte der Vater im Alter von erst 56 Jahren einen schweren Herzinfarkt erlitten und war seitdem wohl auch erwerbsunfähig gewesen. Ich erinnerte meinen Partner daran und sagte, er solle doch bitte zum Arzt gehen.
Er wäre dann noch bereit gewesen, zu meiner Internistin zu gehen, das ist eine ganz Ruhige, Gewissenhafte. Leider hatte sie kurz zuvor den gesamten Patientenstamm ihres pensionierten Kollegen übernommen und nahm keine Patienten mit anderen Wohnorten mehr an. Ich bat meinen Partner dann, zu meinem früheren Arzt zu gehen, der auch nicht schlecht ist. Wollte er aber nicht. Jedes Mal, wenn ich abends nach Hause kam und ihn fragte, ob er nun einen Arzttermin gemacht habe, verneinte er das. Mich machte das wahnsinnig, zumal ich in der Phase beruflich selber in einer schwierigen und stressreichen Phase steckte. Er wollte auch nicht, dass ich ihn in die Notaufnahme des nahegelegenen Krankenhauses fahre oder einen Arzt rufe. Er war noch nicht mal bereit, mit meinem Blutdruckmessgerät wenigstens seinen Blutdruck zu messen!
Wir bekamen sogar noch Krach deswegen. Ich sagte: "Ich kann es doch auch nicht beurteilen. Ich kann für die Folgen keine Verantwortung übernehmen, selbst dann nicht, wenn sie tödlich sein sollten." Er fuhr dann nach dem Krach aus Wut sogar wieder zu sich nach Hause. Vorher hatte er noch in aufgebrachten Ton gemeint, er könne nicht einfach zu irgendeinem Arzt gehen. Womöglich wolle dieser ihn dann noch zu einem Herzkatheteruntersuchung zwingen.
Am nächsten Tag fuhr er noch mal wieder zu meinem Wohnort, um in der Nähe meiner Wohnung in einem kirchlichen Begegnungszentrum preiswert zu Mittag zu essen. Ich arbeitete an dem besagten Freitag im Homeoffice, ging in der Mittagspause auch noch zu dem Begegnungszentrum, um ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten. Wir gingen danach gemeinsam zu meiner Wohnung zurück, und mein Partner meinte, er könne nicht so schnell gehen. Sein rechtes Bein schmerze, vielleicht sei auch ein Gefäß verstopft, und er müsse sich mal einen Gefäßspezialisten suchen. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Er hat sich dann bei mir im Schlafzimmer noch etwas ausgeruht (ich brachte ihm noch etwas zu trinken ans Bett) und ist dann nach einer Weile wieder nach Hause gefahren. Er winkte noch zum Wohnzimmer herein, wo ich weiterarbeitete, aber auch nur zurückwinken konnte, weil ich just in dem Moment einen dienstlichen Anruf bekam. Das war die letzte persönliche Begegnung.
Am Sonntagmorgen schrieb er mir noch zwei Mails, die mit einem für September geplanten Besuch bei seinen Verwandten zusammenhingen. Mittags rief er mich an und teilte mir mit, es ginge ihm wieder besser, er sei vormittags spazieren gegangen, wolle aber nachmittags nicht (wie eigentlich geplant) noch zu mir fahren. Darüber war ich enttäuscht, obwohl es mich beruhigte zu hören, dass es ihm wieder besser ging. Er meinte: "Du kannst doch wohl mal einen Sonntag ohne mich auskommen!" und gab mir noch Tipps, was ich an dem Nachmittag noch unternehmen könnte. Ich war aber trotzdem etwas knötterig und kurz angebunden deswegen. Und so verabschiedeten wir uns zwar nicht im großen Krach, aber in einer leichten Missstimmung voneinander.
Diese Missstimmung hätte sich wahrscheinlich aber ohne Weiteres aus dem Weg räumen lassen, wenn er zwei Tage später, an dem besagten Dienstagabend, noch gelebt hätte. Ich wollte ihn anrufen, um ihm etwas Erfreuliches zu erzählen. Aber da war er leider schon tot.
Wie ich im Nachhinein mit seinem Lieblingsonkel recherchieren konnte, dem er an dem Sonntagnachmittag um kurz vor 16 Uhr noch eine E-Mail geschickt hatte, muss mein Partner noch am selben Tag zwischen 16:00 Uhr und 17:30 Uhr verstorben sein. Denn der Onkel rief ihn um 17:30 Uhr zurück, aber niemand nahm den Hörer ab. Da dachte der Onkel, mein Partner sei bei mir. Er schickte ihm gegen 18 Uhr eine Mail, auf die er aber keine Antwort mehr bekam.
Im Nachhinein vermute ich, dass er einen Herzinfarkt oder eine Thrombose hatte und an einer Lungenembolie verstorben ist. Ich mache mir seitdem auch immer wieder Vorwürfe, den Ernst der Lage nicht erkannt und nicht einfach gegen seinen Willen an den Tagen, an denen er in meiner Wohnung war, einfach den Bereitschaftsdienst gerufen oder 112 gewählt zu haben.
Das Fatale aber ist, dass mein Partner in den elf Jahren unseres Zusammenseins öfters über diverse Wehwehchen wie etwa Rückenschmerzen oder auch Verstopfung geklagt hatte. Er war aber nie zum Arzt gegangen und es war dennoch nie etwas Schlimmes passiert. Nicht einmal eine starke Erkältung hatte er in all den Jahren gehabt. Sein Verhalten wirkte hypochonderhaft. Das war wohl der Hauptgrund dafür, dass ich es zum Schluss offensichtlich mehr ernst genug genommen habe. Und, wie gesagt, ich war in der Phase selber aus beruflichen Gründen total gestresst und im Grunde erschöpft. Jetzt werfe ich mir vor, in der letzten Phase seines Lebens nicht freundlich und liebevoll genug zu ihm gewesen zu sein, ihm zu viel Mithilfe im Haushalt abverlangt zu haben etc. Das liegt mir auch oft schwer auf der Seele.
Mich wird das alles wohl auch bis ans Ende meiner Tage begleiten. Ich hoffe, dass es mit der Zeit nachlässt. Ich lebe auch ganz allein, habe auch keine Kinder und auch keine Verwandten, die wirkliches Interesse an mir haben.
Ich glaube allerdings, dass es nichts nützt, weitere Ursachenforschung zu betreiben. Der Partner kommt davon nicht wieder. Ob ihm eine Ärztin oder ein Arzt oder ein Krankenhaus noch hätten helfen können, ist ja auch nicht 100%ig sicher. Und letztlich arbeiten auch in Krankenhäusern nur Menschen. Außerdem ist auch der beste Arzt nicht Herr über Leben und Tod. Kein Arzt der Welt kann einem Menschen das ewige Leben geben. Auch kann ich nichts dafür, dass mein Partner trotz meiner Bitten nie zum Arzt gegangen ist. Er scheint die Gefahr auch zum Schluss ja selber falsch eingeschätzt zu haben, obwohl doch nur er in seinem Körper steckte und wusste, wie schlecht er sich im Vergleich zu sonst fühlte.
Ich halte es auch in deinem Fall für gut möglich, dass im Krankenhaus gar keine Fehler gemacht wurden. Ein Restrisiko bleibt bei jeder OP. Selbst wenn tatsächlich etwas übersehen worden wäre, glaube ich nicht, dass es dir mit diesem Wissen psychisch besser gehen würde.
Ich möchte dir empfehlen, keine Suche nach einem Schuldigen mehr zu betreiben, sondern dich darauf zu konzentrieren, eine neue Beziehung zu deiner verstorbenen Frau herzustellen, sodass ihr einander auch über den Tod hinaus verbunden bleibt. Dann wirst du mit der Zeit auch wieder mehr am Leben teilnehmen können. Stell' dir vor, dass deine Frau dich dabei innerlich begleitet. Sie möchte sicher nicht, dass der Rest deines Lebens nur noch aus Verzweiflung besteht. Du musst sie auch nicht "loslassen", so als ob es sie nie gegeben hätte. Lass' dir diesen Stuss von verständnislosen Menschen nicht einreden. Du kannst sie auf eine andere Weise weiterhin in dein Leben integrieren. Dann wird im Laufe der Zeit auch der Schmerz nachlassen. Sie ist ja noch nicht mal ein Jahr tot, da kannst du nach einer so langen Ehe nicht erwarten, dass du die Trauer jetzt schon bewältigt hast. Ich bin mit meiner Trauer auch noch längst nicht "durch".
Du könntest auch versuchen, dankbar dafür zu sein, dass ihr über 40 Jahre zusammen sein durftet und offensichtlich eine gute Ehe geführt habt. Auch das ist längst nicht jedem vergönnt.
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