wie geht ihr mit rassistischen Diskussionen oder Darstellungen um und wie mit euren Gefühlen?
Mich machen rassistische Haltungen v. a. wütend, oft aber auch traurig. Ich habe gerade überlegt, was ich emotional schlimmer finde: öffentliche Meinungsäußerungen mit großer Reichweite von Menschen in Machtpositionen oder Alltagsrassismus, der einem an jeder Ecke begegnet und der manchmal nicht mal böse gemeint ist, weil er den Menschen nicht bewusst ist.
Das kann ich so allgemein gar nicht beantworten. Ich halte beides für sehr problematisch, teilweise auch gefährlich.
(Aktuell sehe ich uns als Gesellschaft weit entfernt von "rassistischen Darstellungen". Wo siehst du diese?)
Gehörst du denn zu einer Gesellschaftsgruppe, die von Rassismus betroffen ist?
Als Individuum Splitterbunt bin ich gegenwärtig nicht mehr dolle betroffen, weil ich mittlerweile gutes und nahezu akzentfreies Deutsch spreche und man mir äußerlich auf Grund meiner hellen Haar- und Hautfarbe nicht ansieht, dass ich nicht hier geboren wurde und Migrationshintergrund habe. Dennoch gibt es im Alltag immer wieder Situationen, in denen mir Rassismus unterkommt. Erst vor kurzem an der Supermarktkasse. Ich sprach mit meinem Kind in meiner nichtdeutschen Muttersprache, mit der Kassiererin aber natürlich Deutsch. Sie sprach mit mir (und das ist mir genauso schon tausendfach passiert): "Wollen Tüte?", "Zahlen Cash?", "Wollen Quittung?". Joah, offenbar ist jemand, der als Ausländerin gelesen wird, es nicht wert, dass man in ganzen Sätzen mit ihm spricht.
Mir sind Leute, die das tun, wirklich schon überall so begegnet, privat, beruflich, im Umfeld von Schule, Universität, beim Arzt, im Krankenhaus etc.
Genauso wurde ich schon auf Grund meines eindeutig nichtdeutschen Namens das ein oder andere Mal als "Quoten-Ausländerin" benutzt, auch ein strukturelles Problem, das schwer zu identifizieren ist, weil es für die Betroffenen auch vermeintliche Vorurteile und Chancen innehat.
Und das sind nur zwei winzige, nicht sonderlich schlimme Beispiele von vielen, einfach deswegen, weil ich meist als Deutsche wahrgenommen werde. Würde mein Bruder, der deutlich dunklere Hautfarbe und Haare hat, meine Freundin, die Hijab trägt oder meine Schwägerin, die Vietnamesin ist, diese Frage beantworten, würde hier ein ganz anderer Text stehen. Von arabischen oder dunkelhäutigen Menschen will ich gar nicht erst anfangen. Als Teenager hatte ich mal einen dunkelhäutigen Freund. Alter Schwede, da war JEDER Tag einfach nur sauanstrengend und ich war nur als seine Freundin an seiner Seite, die das alles als dritte Person mitbekommen hat. Für ihn ist das sein Leben.
Also: natürlich gibt es rassistische Darstellungen. Überall und ständig. In Politik, Medien, Kultur gibt es doch auch ständig Diskussionen darüber. Sei es über Kinofilme (- erst kürzlich: Avatar, Winnetou,...) oder anderes. Alltagsrassismus kommt nicht von ungefähr.
Viele (- glücklicherweise nicht alle) nicht betroffene Menschen nehmen sehr schnell die Position ein: "Ach, ist doch nur ein Film/ein Buch/ein Kommentar, was soll daran rassistisch sein." Die Sache ist, dass Menschen, die keiner Minderheit angehören und nicht selbst betroffen sind, einfach nicht entscheiden können, was als rassistisch empfunden wird.