Ich wollte eigentlich pausieren, aber ich glaube, dass ich darüber reden muss, weil ich sonst sterbe.
ich kann das Bedürfnis sehr gut verstehen. Reden ist eine große Erleichterung und ich hoffe, die Moderatoren sorgen dafür, dass Du hier den Raum hast, über Deine Gefühle und Deine Wahrnehmung zu reden, ohne dass jemand denkt, er müsse eine Rechtfertigung von dir verlangen oder Deine Erfahrungen in Frage stellen.
Ich bin als Kinder Opfer von Rassismus geworden. Meine Familie und ich wurden beispielshalber Viecher genannt.
Ich bin sehr beeindruckt von dem, was man Dir an anderer Stelle an eigenen Erfahrungen geschildert hat. (Ich werde das hier nicht verlinken aus naheliegenden Gründen).
Mir war das nicht klar, dass es wirklich so schlimm ist. Das ist unmenschlich, was da passiert ist und es tut mir sehr leid, dass Du das als Kind erleben musstet. Ich dachte gerade, wir haben im Moment so viele Flüchtlingskinder in den Schulen, dass die sicher ähnliches erleben. Dass sie keine Stimme haben. Das ist ein schrecklicher Gedanke.
Ist Deine Reaktion so eine Mischung aus eigener Erfahrung und eben auch dem Wissen, dass es da draußen immer noch so passiert?
Als Kind war ich gestresst und hibbelig und ich konnte nicht gut schlafen. Ich denke, dass es auch deswegen.
Ganz sicher.
Ich kenne Deine Geschichte nicht, war auch das Ankommen in Deutschland schon mit großem Stress und vielleicht Trauma verbunden?
Als Kind wurde ich auch von einem Land ins andere gebracht, kannte die Sprache nicht. Durfte plötzlich meine Muttersprache nicht mehr sprechen. Und ich war allein. Einem gewalttätigen Adoptivvater ausgesetzt. Das hat bei mir viel an Schmerz und Angst hinterlassen. Bis heute finde ich irgendwie keine Heimat. In meiner Wohnung stehen immer ungepackte Kartons, weil ich sowieso nirgends ein Zuhause finden kann. Und Stress geht bei mir immer gleich aufs Sprachzentrum. Das verfolgt mich nach so langer Zeit immer noch.
Dann habe ich mit Karate angefangen und wurde ruhiger. Mein Leben wurde insgesamt einfacher, meine Noten wurden besser. Ich wurde ein entspannter und ungezwungener Typ.
Also kennst Du diesen Zustand.
Wenn Du diese Zeit mit heute vergleichst, was hat sich verändert?
Dann hatte ich ein Erlebnis mit Gewalt. Es hatte nichts mit Rassismus zu tun. Danach fuhren meine Gefühle Achterbahn und wieder Stress und Schlaglosigkeit. Ich machte eine Therapie und ich habe es geschafft, meine Panikattacken los werden.
Also erst mal, Wahnsinn. Das ist eine massive Leistung, Panikattacken los zu werden. Da hast Du ganz schön was geschafft in Deinem Leben!
Dass nach dem Erlebnis mit der Gewalt Gefühle wieder Achterbahn fahren, dass man wieder unter Stress leidet und Schlaflosigkeit, ist normal. Ein Trauma findet auf Körperebene statt und will auch da geheilt werden.
Spür gut hin, was Dein Körper gerade braucht.
Die Diskussion über die Silvester-Krawalle und die kleinen Paschas hat mich sehr verletzt und zwar nicht dass man darüber spricht, sondern wie.
Das ist ein Auslöser, der noch mal alte Wunden aufgerissen hat. So was passiert gar nicht so selten. Es zeigt, da gibt es immer noch Anteile, die nicht verarbeitet sind.
Und es macht auch Sinn, dass Du schreibst, Du hast Redebedarf. Darüber reden, sich bewegen, um die Energien aus dem Körper zu bringen, das sind typische Verhaltensweisen.
Es ist echt kontraproduktiv, jemanden in so einer Situation zu sagen, jetzt hab dich nicht so, betrifft dich doch gar nicht, ist doch nicht so schlimm, was immer ........
Deine Gefühle haben ihre Berechtigung. Da ist Trauer und Wut. Ich sage mittlerweile, an der Stelle kippt mein Gefühlsleben in die Vergangenheit. Und das, was Du wahrnimmst, ist nicht etwas abstraktes, sondern real.
Wenn Du drüber nachdenkst, würdest Du sagen, da sind gerade Gefühle, die kommen aus der Vergangenheit? Wenn ja, wie hoch schätzt Du den Teil ein? Wie viel Prozent wäre das? Diese Ausgrenzung ist ja ein Stück Deiner eigenen Erfahrung. Und diese Erfahrung ist nun mal schmerzhaft. Die Schmerzen sind da und real. Es hilft wenig, sich von diesem Ereignis jetzt zu distanzieren. Es braucht ein Aufarbeiten der Vergangenheit.
Es hat meine Schlaflosigkeit schlimmer gemacht. Ich lag wach und habe darüber nachgegrübelt.
Wenn wir ein Trauma erleben, lernt das Gehirn zu grübeln. Es geht immer wieder in Gedankenschleifen. Das ist das Gefühl, wenn ich anders gehandelt hätte, das wäre nicht passiert. Viele Traumapatienten neigen dazu zu "überdenken".
Es gibt einige Methoden, wie man das stoppen kann, in bessere Bahnen lenken kann. Das ist ganz gut, wenn man dabei von einem Therapeuten begleitet wird.
Für mich ist es der Realitätscheck, der mir hilft. (Ist aber nur mein Weg, kann sein, dass er Dir nicht hilft). Immer wieder hinschauen, wo ist das Hier und Heute anders. Wo ist das Hier und Heute sicherer. Wie kann ich besser auf mich aufpassen. Es geht darum ein Gefühl von Sicherheit herzustellen.
Von den Grübeleien in der Nacht hält mich Podcasthören ab. Ich höre Sternengeflüster total gerne, weil ich mich da sehr konzentrieren muss, um etwas zu verstehen. Und darüber hört das Grübeln auf, ich entspanne und schlafe ein. Es gibt auch Kopfhörer, die extra so gemacht sind, dass man sie im Bett tragen kann. (Wenn ich das richtig verstanden habe, bist Du in einer Beziehung. Aber vielleicht mag Deine Partnerin ja mithören.)
Diese Woche ist nun einfach Chaos, zuerst wollte mein Verwandter einen Gefallen von mir und ich hatte kaum geschlafen. Das habe ich dann geschafft.
Gut für ihn, nicht so gut für dich.
Ich verstehe, dass Du Dinge gerne schaffen möchtest, aber Du darfst auch Nein sagen. Springen Deine Verwandte immer, wenn Du einen Gefallen brauchst?
und das obwohl es Homeoffice ist und ich alles getan habe um es zu verbergen.
Also wenn Du es eh nicht verbergen kannst, dann sag doch kurz, was bei Dir gerade los ist. Dass Du Schlafprobleme hast (Du wirst überrascht sein, wie viele Menschen das kennen) und dass es Dich hibbelig macht, aber Du Dich trotzdem bemühst, das Beste zu geben.
Du darfst stolz darauf sein, was Du leistest, obwohl es Dir nicht gut geht. Bleib auch da realistisch. Das ist eine gute Leistung und Du musst Dich nicht noch dafür fertig machen, dass Du gerade nicht 150 Prozent geben kannst. Manchmal reichen auch 100.
Darüber hinaus planen meine Freundin und ich bald an einem Wochenende etwas besichtigen. Ich freue mich, aber wir haben ein Hotelzimmer und deswegen habe ich Stress. Wegen der Schlaflosigkeit.
Wie wäre es dann mit getrennten Zimmern?
Oder Du setzt sich nachts in die Lobby und liest ein echt gutes Buch.
Angst vor der Schlaflosigkeit verhindert Schlaf. Such Dir Alternativen. Wenn ihr dort in Urlaub seid, kannst Du vielleicht auch die Zeit nutzen, um einen Mittagsschlaf zu machen? Vielleicht ist das leichter als in der Nacht zu schlafen?
Das alles könnte vergnüglich und entspannend sein, aber es macht mir Stress wegen der Schlaflosigkeit und Hibbeligkeit und Bauchschmerzen.
Die Schlaflosigkeit, HIbbeligkeit und Bauchschmerzen kommen, ob Du Dir vorher Gedanken machst oder nicht. Aber - sie kommen garantiert, wenn Du Dich darauf konzentrierst und Dir vorher Gedanken machst. Sie kommen vielleicht nicht, wenn Du Dich entspannen kannst und Dich ablenkst.
Freu Dich auf vergnügliche und entspannte Zeit. Ohne auszuschließen, dass es anders laufen könnte. Die Zeit könnte scheiße werden, klar. Aber das ist kein Grund, warum es für Dich jetzt schon Scheiße sein muss.
Ich würde gerne einen Weg aus der Schlaflosigkeit und Hibbeligkeit heraus finden.
Hast Du beim Karate denn auch Übungen gelernt, zur Ruhe zu kommen, mehr bei sich zu sein, den Punkt der Ruhe in sich zu finden?
Es ist ein Prozess, daran muss man arbeiten. Ich wünsche Dir, dass Du das kannst.