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Plötzlicher Tod meines Vaters

S

Sommergewitter34

Gast
Vor ein paar Wochen verstarb mein Vater viel zu jung an einem Herzinfarkt. Ganz plötzlich - ohne dass jemand damit rechnen konnte.
Ich war dabei. Ich war direkt vor ihm. Ich habe den Notruf gewählt. Ich habe ihn im Krankenhaus vor Schmerzen zittern sehen und ich habe ihn nach einigen Stunden völliger Unklarheit sterben sehen.

Der größte Schmerz für mich war bisher die Trauer meiner Familie. Ich habe versucht für sie stark zu sein, aber immer wieder werde auch ich schwach und traurig.

Jetzt - nicht so viel später - weiß ich noch immer nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe in meinem Umfeld mit fast keinem über meinen Verlust gesprochen und die Menschen, mit denen ich in den letzten Wochen viel Kontakt hatte, wissen nicht einmal, dass es überhaupt passiert ist.

Ich möchte keinen damit nerven ... weiß nicht wie ich das Thema beginnen soll.
Immerhin habe ich sie seit seinem Tod ja immer wieder gesehen ... ich kann doch nicht auf einmal sagen "mein Vater ist gestorben"
Ich fühle mich, als wäre es verboten das zu sagen.

Auch meine Kollegen wissen nur, dass ich nicht in der Arbeit war. Keiner frägt mitten im Sommer wo ich stecke ... Jeder ging von Urlaub aus.

Wie soll ich das alles verarbeiten ohne darüber zu sprechen?
 

Binchy

Sehr aktives Mitglied
Hallo Sommergewitter,

das tut mir sehr sehr leid, das ist schrecklich, jemanden so früh zu verlieren und dann das auch noch unmittelbar mitanzusehen.

Du musst nicht stark sein und Gefühle zeigen, weinen, trauern ist nicht Schwäche, es ist menschlich. Lass Deine Trauer zu und lass sie vor allem raus, rede über Deinen Vater, mit Freunden, Kollegen. Du kannst anfangen, dass Du z.B. sagst, dass Du bisher versucht hast, das alleine zu verarbeiten, aber nun gerne darüber reden möchtest.

Alles hat seine Zeit: manchmal tut reden gut, manchmal schweigen und still gedenken. Ein Besuch am Grab, stille innere Gespräche mit dem Toten. Es gibt auch Trauergruppen, wo man mit anderen seine Trauer teilen kann. Was wäre für Dich denn passend?

Es ist auch für Deine Familie sicher gut, wenn Du mit ihnen Deine Trauer teilen kannst, man wächst oft enger zusammen und sie können Dich auch trösten. Friss es bitte nicht in Dich rein. Und mit guten Freunden sollte man immer über den Tod einer geliebten Person reden können. Wenn man mal den ersten Schritt gemacht hat, sich etwas geöffnet hat, dann merkt man oft, wie gut es tut und die ungeweinten, angestauten Tränen kann man dann rauslassen.

Alles Liebe.
 
S

Sommergewitter34

Gast
Mein Vater wurde anonym bestattet. Zu einem Grab kann ich also nicht, bin mir aber auch nicht sicher ob das irgendwie helfen würde.
Trauergruppen sind mir etwas suspekt... dafür fühle ich mich auch gar nicht traurig genug irgendwie.

Ich weiß nicht... es fühlt sich alles komisch an. Bereits 3 Tage nach seinem Tod, als unsere ganze Familie im Gedenken an ihn zusammen war, hat es sich für mich angefühlt als dürfte ich gar nicht mehr traurig sein. Als wäre das nur Heuchlerei und der Tod meines Vaters bereits ein ausgelutschtes Thema.

Und jetzt nachdem zwar noch kein Monat, aber ein paar Wochen vergangen sind, fühlt es sich noch viel mehr danach an.
Ein Kollege meines Vaters, mit dem ich befreundet bin, hat mich von sich aus auf das Thema angesprochen, als ich ihn am Wochenende auf einer Gartenparty getroffen hatte. Mit ihm habe ich ungefähr 5-10 Minuten darüber geredet und hätte es gerne zu Ende erzählt, aber es kam ein fremdes Mädel dazu, das sich auf seinen Schoß setzte und seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Also war das dann leider auch vorbei und ich bin weg gegangen und hab mit meinen Freunden getrunken.
Der Abend endete mit einem Totalabsturz meinerseits... so schlimm wie seit Jahren nicht mehr.
In dem Moment hatte das nichts mit dem Tod meines Vaters zu tun, aber jetzt bin ich mir im Nachhinein nicht mehr so ganz sicher, weil ich mich erinnere kurz vor meinem Blackout nochmal an ihn gedacht zu haben. Da lief nämlich gerade sein Lieblingslied ...

In der ersten Woche hatte ich extra keine berauschenden Mittel konsumiert, um genau sowas zu vermeiden.

Ich hatte in der Zwischenzeit sogar einen Termin bei meinem Psychiater, aber der sagte nur "diese Geschichte haben Sie doch bestimmt mittlerweile wahnsinnig oft erzählt oder?" und wollte das Thema umlenken.
Nein, ich habe die Geschichte nicht oft erzählt. Ich hatte sie vielleicht zwei Mal erzählt. Meinen Verwandten und den Kollegen meines Vaters, die kamen um zu trauern.


Ich habe mit Depressionen zu kämpfen und die Trauer jetzt fühlt sich anders an. Sogar besser. Meine Depressionen haben mich gefühlt umgebracht, aber die Trauer fühlt sich an als könnte ich mit ihr leben und die Situation irgendwie verarbeiten, auch wenn ich nicht weiß wie. Ist das komisch?
Als mein Vater starb, sagte meine Mutter "In solchen Momenten bin ich so froh, dass ich dich habe. Ich wüsste nicht, was ich allein machen würde" und ich dachte sofort daran, wie ich mich umbringen wollte und dass sie dann allein wäre. Der Tod meines Vaters hat mir also auch irgendwie mehr Sinn in meinem Leben gegeben.

Jetzt sind wir wohl beim ursprünglichen Problem: Ich erzählte keinem von meinen Depressionen und jetzt geht es mir damit ähnlich.

Ich will aufhören immer an meinen Vater denken zu müssen. Wenn ich am Restaurant vorbei fahre, das er so gern mochte, wenn ich seine Lieblingsband im Radio höre, wenn ich das Intro einer Sendung höre, die er gern mochte. Ja sogar wenn ich den Koffer sehe, den er mir geschenkt hat. Ich denke an das Foto von mir in seinem Geldbeutel als die Sanitäter seine Krankenkarte wollten. Ich denke daran wie er seine Augen verdreht hat. Ich denke daran wie kalt er war, obwohl es über 30 Grad hatte.
Das sind so schreckliche Erinnerungen.
 

Sadie02

Aktives Mitglied
Hi!

Von mir auch mein Beileid. Der Tod deines Vaters, ganz überraschend, ist schlimm genug. Dass du dabei warst,. macht die Sache natürlich noch heftiger. Da kannst du danach erst einmal vermutlich nicht normal denken. Man funktioniert einfach für die anderen.

Aber dauerhaft bist du, deine Trauer, deine Gefühle, das ist auch sehr wichtig. Und ich glaube, es ist ganz egal, wann du guten Freunden davon erzählst. Es passt eben nicht immer sofort, darüber zu sprechen. Ich bin mir sicher, die haben da alle Verständnis. Es gibt kein logisches Handeln denke ich mal, wenn man in so einer Ausnahmesituation ist.

Ich wünsche dir alles Gute und dass es langsam besser wird bei dir!
 
V

von Bodenschatz

Gast
Das was Du schreibst hat mich spontan elektrisiert und ich schreib Dir mal den Hintergrund auf.

Ich habe mit Depressionen zu kämpfen und die Trauer jetzt fühlt sich anders an. Sogar besser. Meine Depressionen haben mich gefühlt umgebracht, aber die Trauer fühlt sich an als könnte ich mit ihr leben und die Situation irgendwie verarbeiten, auch wenn ich nicht weiß wie. Ist das komisch?
Es ist so, dass ich eine viel zu lange Zeit unter Depressionen gelitten habe.
Depressionen habe ich als „falsche Traurigkeit“ wahr genommen, einen Zustand, der abgestellt gehört, da andere ihn nicht haben und damit besser leben können als ich es konnte.

2017 ist auch mein Vater gestorben. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt schon so weit, dass ich erkannt habe, dass das gleiche nicht dasselbe ist.
Die Depressionen hat Trauer in derselben Intensität wie sein Tod verursacht, nur gab es diesmal einen legalen Grund; damit einen elementar wichtigen Unterschied.
Während ich gegen die Depression ankämpfen musste, durfte ich dagegen die Trauer um seinen Tod zulassen.
Mir war jedoch klar, dass dies nur zeitlich befristet geschehen darf, in dieser Zeit allerdings in beliebigem Ausmaß.
Ich habe diese Chance genutzt, ein Zeitlimit gesetzt und in Ruhe alles über mir zusammenbrechen lassen. Mit Ablauf des Zeitraums hatte ich ihm gegenüber und mir innerlich gegenüber eine gewisse „Schuldigkeit“ getan was es rechtfertigte, dass ich es beenden durfte und zum Alltag zurück kehren durfte. Es gab danach keine Rechtfertigung mehr, nicht ihm, mir oder anderen gegenüber.

Dies fühlt sich insgesamt unglaublich gut an. Man weiss was passiert, man weiss, dass es richtig ist und man weiss dass es endet.


Depressionen kennen dieses gute Gefühl, dass es endet, nicht.
Im Gegenteil verschlimmert es sich immer weiter.
Wenn man dahinter steigt, dass diese Traurigkeit aber keinen realen Grund hat, der folglich auch nicht beseitigt werden kann, wenn also verinnerlicht, DASS man zwar gerade traurig ist ABER es gerne auf morgen verschieben kann, dann nimmt man diesen Gedanken auf und probiert es. Man kann also behaupten: „Ja, ich habe Depressionen, die werde ich auch nicht los, aber gerade passt es mir nicht. Später gerne wieder“.
So verschafft man sich etwas Luft. Anfangs nur stundenweise, mit ein wenig mehr Übung sogar über Nacht, dann tageweise.
Da ich der Überzeugung bin, dass Lernprozesse Verknüpfungen im Gehirn erzeugen und erlerntes durch NeuWissen, durch neuere Erkenntnisse überdeckt wird, verlernt man durch Verschieben der Depressiven Phasen auf „später“ die „ungewünschte! Trauerfähigkeit“.
Trauern kann man immer noch, es bedarf aber der willentlichen Steuerung. Dies steht dem entgegen, dass es einen überfällt.
Man (ich) hat auf diese Weise die Depression willentlich ausgeschaltet. Dazu muss man – das gebe ich zu – vermutlich lebenslang auf der Hut bleiben, hellwach sein, um zu unterscheiden, ob aufkommendes Gefühl ein Depressionsrückfall ist oder begründete Emotion.


Als Ex-Depressiver besitzt man, da kannst Du beruhigt sein, keine andere Einschränkung als jemand, der gegen Pollen allergisch ist und entsprechendes vermeidet.
 
V

von Bodenschatz

Gast
Die Erinnerungen an die Zeit, in der Du dabei warst, werden Dich weiter verfolgen. Ich vermute im Gegensatz zu Nichtigkeiten, Kleinigkeiten, dass es dann ein Trauma gibt. Eine Folge von Alpträumen.
Hier halte ich es für wichtig, dass Du den Ablauf ablaufen lässt, jedoch in diesen Film wie ein Regisseur eingreifst und Szenen ersetzt.
Es ist schwierig zu beschreiben, jeder empfindet anders. Vielleicht funktioniert es, indem Du ein Davor mehrfach ablaufen lässt, dann für einen belastenden Zeitraum einen Zeitsprung einarbeitest, danach die Zeit wiederum hervorhebst.

Ich stelle mir vor, dass man Erinnerungen verfälschen kann, wenn man sie oft genug geändert hat, so dass man am Ende selber nicht mehr weiss was wahr und was falsch ist.
Unfallzeugen kennen dies und bezeugen manchmal falsche Autotypen oder Farben.
Das Erlebte vermischt sich mit dazu erfundenem und wird zur Wahrheit.

Bezüglich der generellen Verarbeitung, dass jemand gegangen ist, habe ich für mich die Variante verinnerlicht, dass Vater nur im Zusammenspiel von Körper und Geist als Person oder Persönlichkeit in Erscheinung treten konnte. Mit seinem Körper kann ich nicht mehr kommunizieren, den Geist erreiche ich ohne den Körper nicht mehr. Es ist eine Trennung vollzogen worden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Ein Grab kann nur noch ein Symbol darstellen, so dass sich an dieser Stelle nur noch ein relativ unwichtiger geringer Teil von ihm befindet. Unwichtig deswegen, weil mein Körper – als Sohn – durch Vererbung ein lebender Teil seines Körpers ist und seine Gedanken sogar ausserhalb dieses Ortes in mir fort leben.
 

Youshri

Aktives Mitglied
Ich will aufhören immer an meinen Vater denken zu müssen. Wenn ich am Restaurant vorbei fahre, das er so gern mochte, wenn ich seine Lieblingsband im Radio höre, wenn ich das Intro einer Sendung höre, die er gern mochte. Ja sogar wenn ich den Koffer sehe, den er mir geschenkt hat. Ich denke an das Foto von mir in seinem Geldbeutel als die Sanitäter seine Krankenkarte wollten. Ich denke daran wie er seine Augen verdreht hat. Ich denke daran wie kalt er war, obwohl es über 30 Grad hatte.
Das sind so schreckliche Erinnerungen.
Ja, das ist Trauer. Zwinge Dich nicht, sie zu untergraben, im Gegenteil, lass sie zu. Unterdrückte oder gar verbotene Trauer macht krank. Und sprich auch mit Deiner Mutter über alles, was jetzt hoch kommt, da helft Ihr Euch dann gegenseitig. Der Tod, so schrecklich er auch passiert ist, gehört zum Leben und ist von daher natürlich. Sieh es doch mal so, dass es eine Chance für Dich war, Deinen Vater in dem Schreckensmoment begleiten zu können und dass das für ihn sicher eine grosse Hilfe war. Du siehst ja jetzt auch, wie sehr Ihr eigentlich miteinander verbunden seid, und das verlierst Du nicht. Tu Dir keine Gewalt an, sei traurig und weine, wann es gerade kommt, denke an ihn, so wie die Erinnerungen sich melden. Da wird sich die Trauer sanfter, weil natürlicher, erleben und Du kommst drüber. Es braucht halt seine Zeit, aber das wird.
Dass er anonym begraben wurde, ja, das ist nicht so einfach. Hat man ein Grab zu pflegen, gibt es die Gelegenheit, seinem Nächsten noch immer seine Liebe für ihn zu bezeugen. Das fehlt natürlich bei einem anonymen Begräbnis. Du könntest Dir vielleicht in Deinem Zimmer eine kleine Andachtsstelle organisieren, wo Du Dich in aller Stille hinsetzt und Einkehr hältst. So hättest Du einen Ort, an dem Du Dich mit ihm verbindest. Das könnte Dir viel Trost geben.
Alles Gute!
 
S

Sommergewitter34

Gast
Ich habe nichts mehr geschrieben, weil ich keine Kraft hatte. Ich bin immer trauriger geworden, bin aber wieder arbeiten gegangen.

Als ich mir 3 Wochen Urlaub nehmen wollte um endlich da raus zu kommen, wurde es einfach abgelehnt. Geht nicht, eine Kollegin ist im Urlaub. Jetzt sitze ich täglich in der Arbeit und versuche nicht zu weinen, komme irgendwann nach Hause und weine dann.

Ich habe mittlerweile mehreren Menschen davon erzählt was passiert ist und viele haben Hilfe angeboten, aber das was ich brauche kann mir keiner von ihnen geben.

In der Arbeit gibt es niemanden der menschlich genug ist um mir das zu geben was ich brauche: Zeit.
Im Gegenteil. Ich werde ermahnt ... arbeite nicht motiviert genug, nicht genau genug. Wie können Menschen so grausam sein? Ich habe vor weniger als einem Monat meinen Vater sterben sehen. Einfach so ... ohne Vorwarnung. Ich will hier raus. Ich bin erst Anfang 20... wieso versteht keiner, dass es mir jetzt eben nicht optimal gehen kann?
 

Binchy

Sehr aktives Mitglied
Das tut mir sehr leid. Auf der Arbeit geht es oft um Profit und nicht alle Kollegen oder Chefs sind empathisch. Andererseits, auch wenn es vielleicht etwas hart klingt, lenkt Arbeit auch ab und wenn Du zuhause wärst, würdest Du die ganze Zeit nur weinen und Dich schlecht fühlen.

Wenn es aber gar nicht mehr geht, könntest Du Dich krankschreiben lassen oder geht das nicht?

Kannst Du in deiner Freizeit mit Freundinnen und Freunden darüber reden? Oder vielleicht eine Trauergruppe besuchen? Es gibt da ja Selbsthilfegruppen, da bist Du unter Gleichgesinnten und ich denke, dass es etwas trösten kann.
 
S

Sommergewitter34

Gast
Naja... es kommt schon etwas komisch, wenn mein Urlaub nicht genehmigt wird und ich dann krank bin. Grundsätzlich würde das schon gehen, aber so ist das natürlich richtig blöd.
Ich habe bald einen Termin bei einem Psychologen. Vielleicht hilft mir das ja.
 

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