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Papa meiner Kinder hat Krebs im Endstadium

G

Gast

Gast
Hallo

Ich bin ziemlich verzweifelt,..mein ex-lebenspartner und auch Vater meiner Kinder 13 und 10 Jahre, hat speiseröhrenkrebs im letzten Stadium.

Seit einem Jahr in etwa wissen wir das.


Es ist ihm aber trotz dieser Diagnose gut gegangen,..er war in Ägypten, in Kroatien Segeln, und hat auch Kinder nach wie vor jedes zweite Wochenende genommen und auch mit ihnen die gewohnten Aktivitäten gemacht...

Voriges kinderwochenende, dass war vor ca. drei Wochen, hatte er sehr starke Bauchschmerzen,..er musste abbrechen, ich holte die Kinder wieder ab und seine Frau fuhr mit ihm ins Krankenhaus.

Dort wurde festgestellt, dass er sehr schlechte leberwerte hat,..

Nach ein paar Tagen Aufenthalt im Kh, wurden seine Schmerzen eingestellt und er durfte nachhause.

Die Kinder besuchten ihn, doch länger als eine halbe Stunde durften sie nicht bleiben, weil er so schwach war.

Gerade hab ich mit ihm telefoniert, u d er muss wahrscheinlich in ein paar Tagen wieder einige Zeit ins Kh,..

Es klingt blöd, aber gibt es irgendeine Art zu hoffen??
Mir ist es egal, wenn irgendwo eine Art Wunderheiler existiert, der ihn heilen könnte.

Manchmal gibt es ja Wunder,..

Meine Kinder sind total traurig,..ich ebenso...wir verstehen uns trotz damaliger Trennung immer noch gut...

Was soll ich tun??
Hat jemand Erfahrung mit so etwas?

Ich hab bis jetzt nur negatives und hoffnungsloses gehört,..das kenne ich alles schon,..

Aber gibt es jemanden, der mir was positives sagen, bzw raten kann???


Mittlerweile weint meine Tochter jeden Tag, sie liebt ihren Papa so sehr,..es tut so weh, zusehen müssen, wie er immer schwächer wird und es ihm immer schlechter geht,..

Mein Sohn verdrängt das ganze,..ist auch nicht das Beste,..

Es ist einfach schlimm und kann das ganze nicht wahrhaben:'-(

Danke an jene die vielleicht etwas Trost spenden können...
 

roxane

Aktives Mitglied
Lieber Gast,

das tut mir sehr leid für dich und deine Kinder.

Auf Wunder hoffen kann man natürlich immer - aber ich würde nicht auf einen Wunderheiler vertrauen, das sind meist Scharlatane ...

Viel eher würde ich Kontakt zu einer Trauerbegleitung suchen - die dich und vorallem die Kinder unterstützt und vorbereitet eben

Ich wünsche dir und deinen Kindern alle Kraft der Welt!
 

Micha300672

Mitglied
Lieber Gast,

auch mir tut sehr leid zu lesen, wie es um Deinen Ex-Partner und den Vater Deiner Kinder steht. Aber ich möchte Dir auch sagen, wie toll ich finde, dass Du für ihn hoffst und ihm wünschst, dass er doch noch wieder gesund werden kann - vielleicht ja auch durch ein Wunder.

Was auf Euch zukommt, haben Dir scheinbar schon viele Menschen gesagt. Hoffnung hat Euch niemand gemacht. Ich bedaure Dir schreiben zu müssen - zu Recht. Die Heilungschance bei Krebs dieser Art in diese Stadium ist ausgeschlossen. Nicht beinahe, nicht nahezu, sie ist ausgeschlossen. Das wahrzuhaben, ist schwer. Wieviel Zeit nun tatsächlich noch bleibt, kann Euch niemand sagen.

Wohl aber, dass Ihr alle - Dein Exfreund, Deine Kinder, seine Ehefrau und auch Du - diese Zeit nutzen müsst. Um Abschied voneinander zu nehmen. Um Euch gegenseitig Kraft zu geben. Es wird nicht einfacher in der nächsten Zeit. Das liest sich sehr schonungslos und gemein - aber es ist die Wahrheit. Kümmert Euch um eine palliativen Pflegedienst, der nach Hause kommt. Redet mit dem Erkrankten, fragt ihn, wie es ihm geht und welche Ängste, aber auch welche Wünsche er noch hat. Sprecht auch den Tod offen an. Fragt - je nach Tagesform! - welche Wünsche er hat im Bezug auf seine Beisetzung.

Immer wieder hört man, man dürfe Kranke nicht mit einer schlimmen Wahrheit und der Aussicht auf den Tod konfrontieren. Ich bin der Meinung - man muss es sogar. Alles Andere ist nicht fair. Und alles Andere nimmt die Chance auf ein Sterben in Würde. Bereite auch Deine Kinder vor auf das, was kommt. Wie meine Vorgängerin schon schrieb - nehmt Kontakt auf zu einer Trauergruppe. Weil Trauer schon beginnt, bevor der Tod kommt. Sprecht offen miteinander, zeigt Euch gegenseitig Eure Gefühle.

Versetz' Dich in die Lage Deines Expartners - was würdest Du Dir in dieser Situation wünschen? Würdest Du wollen, dass alle um Dich herum tun, als würde es wieder? Oder würdest Du wollen, dass man ehrlich zu Dir ist und Deine Gedanken um Deine Krankheit und den Tod annimmt, damit Du ohne Angst darauf zugehen kannst?

Liebe Grüße und viele postitive Gedanken schickt Dir

Micha
 
G

Gast

Gast
Danke für die Antworten,..

Ja, es ist schwer zu akzeptieren, gerade weil er immer total auf Gesundheit geachtet hat und sehr sportlich war.

Er hatte selber die Einstellung und auch den "nötigen positiven" Gedanken daran, den Krebs zu besiegen. Er war regelmäßig in Wien bei so einer Art "Wunderheiler " und es ist ihm tatsächlich immer besser gegangen. Chemotherapie hat er sowieso nicht wirklich vertragen.

Meine Tochter ist sich immer noch nicht bewusst, dass er es nicht überleben wird. Einmal hab ich gesagt, dass wir jetzt damit rechnen müssen, dass er es nicht schaffen wird,..da hat sie sehr geweint und viel gefragt,..warum mein Papa, er ist noch nicht alt...

Das "Problem " ist, er selber gibt den Kindern immer Hoffnung, dass es wieder wird,..aber was soll ich denn sagen? ,,Papa stirbt, auch wenn er es nicht zugibt"?

Ich verstehe mich gut mit ihm, auch mit seiner Frau, aber so intensiv, dass wir "miteinander " Leben ist es nicht.

Ich rede mit ihm, bin aber auch überfordert damit, ihm um seine Ängste zu fragen.

Ich hab ihn bereits angeboten, er kann sich immer und jederzeit melden, wenn er irgendetwas braucht oder will.

Wenn ich mir vorstelle, wie es ihm gehen muss,..er muss bald für immer seinen Kindern, seiner Frau, seiner Familie auf Wiedersehen sagen,..

Mit läuft Gänsehaut über den Rücken,..

So schlimm.

Ja, ich werde sowieso mit den Kindern intensiv arbeiten. Bin selber bei der Rettung dabei und hab verschiedene "Quellen" ja direkt vor der Nase. Mein Lebensgefährte spielt auch eine wichtige Rolle.

Meine Kinder mögen ihn sehr, und er hat auch soviel Geduld und Verständnis für unsere Situation. Ich bin froh ihn zu haben.
 

Micha300672

Mitglied
Liebe Gästin,

schön, dass Du Dich nochmal gemeldet hast. Eine Situation wie die Eure ist für alle Beteiligten unvorstellbar schwer. Die Krankheit schreitet voran, der Tod ist vorhersehbar und der Abschied rückt näher. Wenn Kinder involviert sind, ist es umso grausamer. Aber umso wichtiger auch, ihnen gegenüber offen zu sein. Man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man ihnen vorspielt, dass ja doch irgendwie alles in Ordnung kommt. Die Enttäuschung, wenn Dein Expartner und der Kinder Deiner Vater stirbt ist umso gewaltiger. Sie müssen dann zum Einen mit seinem Tod klar kommen und zum Anderen damit, dass ihre Hoffnungen und Wünsche geplatzt sind, obwohl ihnen Nahrung gegeben wurde. Sie sind in einem Alter, indem sie langsam aber sicher sich selbst finden müssen. Die Pubertät steht vor der Tür. Das an sich stellt schon die Welt eines Kindes/Jugendlichen komplett auf den Kopf. Dann stirbt der Vater - und dann müssen sie klar kommen damit, dass er gestorben ist, obwohl er doch immer gesagt hat, er wird wieder gesund.

Diese Art von Notlüge ist gut gemeint - am Ende wird sie unter Umständen dazu führen, dass das Gefühl der Sicherheit zwischen den Kindern und Euch allen gestört sein kann. "Ihr habt doch gesagt, er wird wieder gesund!" ist dann einer der Sätze, die fallen werden.

Manche Dinge kommen nicht wieder in Ordnung, egal wie sehr wir uns Menschen das Gegenteil wünschen. Wenn dies klar ist, haben der Erkrankte aber auch seine Kinder Ehrlichkeit verdient. Auch vom Erkrankten. Denn nur dann kann ein bewusstes Abschiednehmen und Trauern möglich sein. Ein Kind empfindet den Tod entgegen aller Prognosen und gut gemeinten Mutmachsprüche wohl so ähnlich wie ein Erwachsener den Suizid eines Partners - traumatisierend. Es wird für die Kids auch so schon schwer genug, wenn sie jetzt hoffen und überzeugt sind, er wird wieder gesund der Papa, dann wird es umso schwieriger.

Wichtig ist, dass Ihr einander Halt gebt. Dass ihr Einander tragt - und den kranken Ehemann, Vater und Expartner einschließt in Euer starkes Netz. Dass Ihr gemeinsam Abschied nehmt und die Hinterbliebenen gemeinsam trauern.

Mein Tipp an Dich: Sprich mit Deinem Expartner über die Fakten, macht Euch klar, wie wichtig für die Kinder Offenheit ist. Lasst sie an Euren Gefühlen teilhaben. Dreht Euch nicht weg, wenn ihr weinen müsst. Zeigt Gefühle, seid authentisch und ehrlich.

Alles Gute

Micha
 
G

Gast

Gast
Viele Dank

Es tut weh, aber es bleibt einem eh nix anderes übrig, als das zu akzeptieren und zu sehen, trotzdem das beste aus so einer Situation zu machen,..

Er ist jetzt 36 Jahre alt,..also was soll ich sagen,..es ist nicht fair in so einem Alter gehen zu müssen,..

Ich hoffe es gibt so etwas wie einen Himmel, wo er dann keine Schmerzen hat, keinen Kummer, und er glücklich sein kann.

Nichts anderes wünsche ich mir zur Zeit!

Danke !!
 

stella nigra

Mitglied
Er ist jetzt 36 Jahre alt,..also was soll ich sagen,..es ist nicht fair in so einem Alter gehen zu müssen,..
Nein, das ist es nicht.

Im Prinzip ist ja schon alles gesagt. Ich wollte Dir nur auch gern sagen, dass es mir leid tut für Dich, Deine Kinder und natürlich auch Deinen Ex-Lebensgefährten.

Für mich ist Trauerarbeit mit Kindern so ziemlich die schwierigste Aufgabe im Leben, die ich mir vorstellen kann.

Ich wünsche Dir alle Unterstützung, die Du dafür brauchst, Kraft, und Zeit für Deine eigene Trauer.

alles liebe,
stella nigra
 

Micha300672

Mitglied
Liebe Gästin,

wie Stella schon schrieb - der Tod ist nicht fair. Andererseits ist auch nichts fairer als der Tod. Er macht keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, er fragt nicht nach Herkunft, nach Alter. Er kommt zu jedem - irgendwann. Aber wenn er zu früh kommt, dann empfinden wir das als unfair. Dabei müsste die Frage doch heißen: Ist die Krankheit, die dazu führt, dass er früher kommt fair? Die ist es nicht. Krebs ist eine verdammt unfaire Krankheit. Ein paar entartete Zellen, die wie kriminelle unreife Jugendliche im Körper randalieren sorgen dafür, dass irgendwann im schlimmsten Fall das ganze System zusammenbricht. Sie richten Schaden an, wo sie gehen und stehen. Sie wandern durch den Organismus, bilden neue Banden (Metastasen) und irgendwann ist der Körper zur Aufgabe gezwungen. Diese Zellen sind so empathielos, dass sie nicht mal kapieren, dass sie am Ende selbst mit draufgehen. Wenn es dann soweit ist, kann der Tod auch ein Freund sein. Weil er dem Terror des Krebses und damit dem Leiden ein Ende setzt.

Bis ein Mensch und seine Angehörigen aber an dem Punkt sind, dem Leiden ein Ende durch den Tod zu wünschen, ist da die Hoffnung auf Heilung. Dass vielleicht doch eine Medizin oder Therapie dem Krebs ein Ende setzt. Manche Menschen wenden sich alternativen Heilmethoden abseits der Schulmedizin zu. Nicht selten geraten sie an Quacksalber und Scharlatane, die sich die Taschen füllen auf Kosten kranker Menschen und ihrer Familie. Aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Hoffnung ist ein Gefühl, welches auch dann noch bleibt, wenn der Verstand schon längst kapiert hat, dass es keine Heilung mehr gibt. Manchmal vernebelt Hoffnung erfolgreich unseren Verstand - umso mehr wirft uns der Tod (der eigentlich absehbar war) dann aus der Bahn. Und nach einer Zeit der Trauer kommt dann der Verstand und sagt: "Es war absehbar. Du hast Dich blind gestellt und darüber vergessen, was in den letzten Wochen und Monaten wirklich zählte. Abschied zu nehmen. Ehrlich zueinander zu sein - dem Kranken und den anderen Nahestehenden gegenüber. So viele Worte blieben ungesagt. Jetzt bleibst Du zurück mit ihnen. Dabei hätte es doch sicher geholfen, sie auszusprechen." Und wieder kommt eine Zeit der Trauer. Um die ungesagten Worte, um die ungetanen Dinge...

Dein Expartner scheint seine Lage schon recht realistisch eingeschätzt zu haben, wenn er Chemo ablehnt. Und es scheint, als wolle er den Rest seiner Zeit bewusst erleben. Dazu gehören dann leider nicht nur die guten Tage, wo der Schmerz auszuhalten ist und es für kurze Zeit scheint, als wäre doch alles in Ordnung. Diese Zeit, in der er bewusst am Leben teilnimmt sind die Tage, die es möglich machen können, auch den Tod und das Danach anzusprechen. Was glaubt er, kommt danach? Was glaubt Ihr Anderen? Welche Wünsche und Hoffnungen sind da verbunden mit der Zeit nach dem Tod? Spielt Zeit danach noch eine Rolle? Für den, der stirbt, nicht mehr. Aber was ist mit denen, die bleiben? Was verändert sich in ihrem Leben durch den Tod?

Ich habe lange im Seniorenheim Menschen ehrenamtlich besucht und auch im Sterben begleitet. Mir ist aufgefallen, dass gläubige Menschen dem Sterben und Tod leichter begegnen. Eben aus ihrem Glauben heraus, dass mit dem Tod nicht das Ende kommt. Nur ein Kapitel geht zu Ende, das Buch geht weiter.

Wieder Andere sind sich sicher: Das war's dann - danach kommt nichts mehr. Ende aus - körperlich und geistig.

Vor ein paar Tagen sprach ich mit einer Frau, deren Mann sich im verg. Dezember das Leben genommen hat. Sie kam nach Hause, nichts ahnend und fand ihn vor - mit zerschossenem Kopf. Dass Depressionen tödlich sein können, hat sie wohl geahnt. Dass sie es bei ihrem Mann sind, musste sie dann aus dem Nichts heraus feststellen. Auf meine Frage, ob sie gläubig ist, antwortete sie: "Nicht im religiösen Sinne, denke ich. Aber das, was uns Menschen ausmacht, das kann doch nicht einfach weg sein. Die physische Hülle zerfällt. Aber unser ICH, das muss noch irgendwo sein. Manchmal fühle ich, dass er noch da ist. Das macht mir keine Angst. Es ist gut zu wissen."

Zu guter Letzt möchte ich Dir erzählen von meinem Vater. Er hatte ebenfalls Krebs, die letzten Wochen seines Lebens waren eher ein langsames Zerfallen und Dahinvegetieren. Er aß nicht mehr, bekam Flüssigkeit subkutan zugeführt. Die randalierenden Zellen hatten sich wohl auch in seinem Gehirn breit gemacht, jedenfalls war er nur noch selten klaren Verstandes. In diesen klaren Phasen fragte er immer wieder, was denn los sei mit ihm und wir sollten ehrlich zu ihm sein. Also haben wir ihm ein ums andere Mal erklärt, dass es keine Heilung mehr gibt für ihn. Dass er sterben wird, aber dass er keine Angst haben muss vor Schmerzen. Dass wir bei ihm sind und dass wir auch nach seinem Tod gemeinsam die Dinge so fortführen, wie er es sich wünscht (es gibt ein Haus und einen großen Garten, die versorgt werden müssen. Und er machte sich auch Gedanken, wie es mit seiner Frau/unserer Mutter weitergehen würde). Bis zuletzt hat er sich über den Besuch seines Urenkelchens gefreut, welches zu diesem Zeitpunkt neun Monate alt war. Und so wurde das Sterben Teil unser aller Lebens. Auch Fröhlichkeit und Humor hatten in dieser Zeit Platz an seinem Krankenbett. Wir hatten sehr gute, palliativ ausgebildete Ambulantpflegekräfte mit ihm Boot, die nicht auf die Uhr sahen bei ihrer Arbeit. Die sich nach der Pflege auch mal mit meiner Mutter auf eine Zigarette hinsetzten und nach ihrem Befinden fragten. Die letzten 24 Std. waren absehbar, mein Vater schien nicht mehr bei Bewusstsein. Er reagierte nicht mehr auf Ansprache, auf Berührung, selbst das Setzen der Infusionsnadel bekam er (scheinbar) nicht mehr mit. An seinem Sterbetag rief mich meine Mutter morgens um 3 Uhr an, dass es wohl jetzt zuende geht. Also wir uns Auto - meine Partnerin und ich - und die zwei Km. zu meinen Elternhaus. Da lag er - schwer atmend, eher röchelnd. Da ich mich schon länger intensiv mit dem Prozess des Sterbens auseinander gesetzt hatte, wusste ich, dass diese Atmung für Angehörige als quälend empfunden wird. Für Sterbende jedoch nicht so erlebt wird. Seine Atempausen waren recht lang, seine Atmung unregelmäßig. Also saßen wir da an seinem Bett, ich hielt seine Hand. Gut eineinhalb Stunden saßen wir da, gesprochen wurde wenig. Sicher waren wir alle - jede für sich - damit beschäftigt, die Zeit seiner Atemaussetzer zu schätzen. Und uns zu fragen, ob er aus diesem Schlaf einfach so in den Tod gleiten wird. Ich gucke ich gerade so im Zimmer um, in Gedanken verloren, als meine Mutter mit antippte und mit dem Kopf zum Bett wies. Da sah ich meinen Vater, die Augen geöffnet - was er seit 24 Std. nicht mehr getan hatte. Sein Blick schien erstaunt und erwartend. Nicht ängstlich. Kein Schmerz war zu sehen. Als blicke er jemandem oder etwas entgegen, wer oder was auf ihn zukommt. Ein wenig fragend, aber auch erstaunt. Und eben gar nicht ängstlich. Ich habe ihm dann eine Hand auf den Brustkorb gelegt, die Andere auf die Stirn. Und ihm gesagt, er solle einfach weitergehen, das sei in Ordnung so. Und er bräuchte keine Angst haben. Dann hat er die Augen wieder geschlossen. Es kamen noch zwei, drei Atemzüge - der letzte war ein Ausatmen. Sein Herz schlug noch gut eine Minute weiter, aber auch die Herzschläge wurden unregelmäßig. Irgendwann dann der letzte Herzschlag... und es war gut. Da war nichts als .... Friede? Ja, das könnte das richtige Wort sein. Er hatte es geschafft. Was wir uns für ihn seit Wochen erhofft hatten, war jetzt eingetreten....

Seit diesem Moment, als er da so erwartungsvoll und erstaunt wohin auch immer blickte (nein, ich fand nicht, dass er einfach nur die Zimmerdecke anstarrte), ist für mich klar: Da kommt noch was. Und es ist nichts Schlimmes, was uns Angst machen muss. Somit scheint Raymond A. Moody mit seinem Büchern über Nahtoderfahrungen und die Erlebnisse bei der Begleitung Sterbender die gleichen Schlüsse gezogen zu haben wie ich - nur schon Jahre vorher und auf vielfältigere Art und Weise.

Ich bin dankbar für diese Erfahrung, die ich da machen durfte. Angst vor dem Tod habe ich keine. Und vor dem Sterben auch nicht, da niemand mehr dank palliativer Medizin leiden muss.

Und ja - 36 Jahre ist kein Alter zum Sterben. Die Mitte des Lebens gerade erreicht, jetzt käme eigentlich eine Zeit in ruhigeren Fahrwassern. Die eigenen Kinder kommen ins Jugendlichenalter, man selbst hat eine gewisse Gelassenheit entwickelt und die kleinen Katastrophen des Lebens entlocken uns ein amüsiertes Grinsen - keine Nervenzusammenbrüche mehr wie vielleicht noch fünf oder zehn Jahre zuvor. Und dann kommt eine Diagnose, die alles auf den Kopf und in Frage stellt. Die so viele Gefühle auslöst - keins davon positiv. Die Zeit "danach" hat Elisabeth Kübler-Ross sehr gut beschrieben.

Meine liebe Gästin, in dieser Zeit befindet Ihr Euch jetzt: Der Erkrankte und die Kinder, Freunde, Partnerin. Patentrezepte dafür gibt es keine. Euren Weg durch diese kommende Zeit müsst Ihr selbst finden. Zwar gibt es das ein oder andere Hinweisschild an den Kreuzungen Eures Weges, aber keine Kreuzung führt ins Falsch oder Richtig. Der Weg muss gegangen werden, ein Zurück gibt es nicht. Aber auch für diese Wanderung gilt wie für alle Anderen im Leben: Packt Euren Rucksack weise. Nehmt mit, was ihr wirklich braucht. Packt ihn nicht zu voll oder zu schwer. Lasst zurück, was ihr unterwegs als hinderlich oder unbrauchbar wahrnehmt. Ihr müsst jetzt ohne Karte und Navi zurechtkommen, aber seid gewiss - Ihr kommt an. Jeder an seinem persönlichen Ziel. Jeder am gleichen Ziel, aber doch an einem Anderen. Mal geht Ihr ein Stück gemeinsam, mal jeder für sich. Weil jeder von Euch anders ist, anders fühlt und anders denkt. Ich wünsche Euch allerdings Einigkeit in der Entscheidung, offen und ehrlich zu sein und den Weg miteinander bewusst zu gehen. Weil einer von Euch am gemeinsamen Ziel noch ein paar Schritte weitergeht und Euch zurücklassen muss. Und ihr ihn gehen lassen müsst. Ich wünsche Euch, dass Ihr ihn gehenlassen könnte mit der Gewissheit, dass es ihm gut geht da, wo er sein wird. Hinter der Zeit.

Liebe Grüße und fühlt Euch umarmt

Micha
 
G

Gast

Gast
Liebe TE, es wurde ja schon gesagt... Nein, Hoffnung gibt es bei Krebs im Endstadium leider nicht. Aber - und auch das wurde schon gesagt - die Trauerarbeit ist sehr wichtig, gerade auch für Eure Kinder.

Ich habe in letzter Zeit selbst Verwandte an Krebs verloren. Was ich bei dem einen Menschen als sehr hilfreich und tröstlich erlebt habe, war, daß dieser seine letzte Zeit in einem Hospiz verbringen durfte. Es war ein sehr freundlicher und warmherziger Ort. Die Gäste (so nennt man die Kranken dort) werden ganz anders versorgt als es in einem Krankenhaus möglich ist. Und auch für die Angehörigen ist dort immer ein offenes Ohr. Ich kann Euch also sehr empfehlen, daß Ihr seinen behandelnden Arzt nach einem Hospizplatz fragt, wenn das auch der Wunsch des Betroffenen ist. Dort ist niemand alleine, weder der Gast noch seine Familie.
 
G

Gast

Gast
Hallo nochmal!

Und danke ganz herzlich, wieviel hier geschrieben wurde und so detailliert! Besonders an Micha ein großes Danke!

Er war vielleicht nicht ganz das was ich ursprünglich lesen wollte, aber im Hinterkopf war es mir auch im Vorhinein klar.

Es ist eine harte Zeit und die wird auch noch härter werden, aber auch diese werden wir schaffen. Es gibt ja dann immer noch ein ,,gemeinsam", und niemand ist alleine mit dieser Situation.

Meine Tochter tut mir momentan einfach so leid. Mein Sohn, seine Frau und Eltern und andere Betroffene natürlich auch. Aber meine Sophie hat so ein blödes Alter.

Irgendwie begreift sie es, irgendwie wieder überhaupt nicht.

Sie weint viel in letzter Zeit, wegen "Gründe" die gar keine sind. Aber ich weiß das sie wegen etwas anderem weint.

Ihr leerer, unsicherer Blick, ihr Selbstbewusstsein wird zusehend weniger, obwohl sie auch vorher immer schon sehr unsicher und schüchtern war.

Es bricht mir einfach das Herz sie so zu sehen.

Ich glaube das sie es einfach spürt, dass ein Teil von ihr, der sehr wichtig ist zu Ende geht.

Und es bleibt ja gar nichts über, als das zu akzeptieren.

Mein Sohn leidet auch. Aber ich glaube, dass er es mehr als sie begreifen wird. Er ist klug und nutzt noch die Zeit bewusst mit ihm.

Meine Hauptaufgabe ist gerade, einfach für sie da zu sein, viel Liebe geben, meine Tochter schläft seit zwei Wochen wieder bei mir.

Ich habe mein Studium auf Eis gelegt, weil das jetzt einfach zu unwichtig ist.

Wir werden es schaffen,..irgendwie...


Danke nochmal an alle!!


Trotzdem keine Hoffnung mehr steht, waren sehr viele Tröstende Worte dabei.


Lg Katja
 

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