Es stimmt schon, das ist eine ganz große Ohnmacht in mir, die ich schwer beschreiben oder erklären kann.
Mein Täter wurde nie gefasst. Ich weiß auch nicht seinen Namen. Es war ein mir völlig unbekannter Mann. Irgendwann hat er die Flucht ergriffen und ist abgehauen, genauso wie sein Freund.
Das Gefühl, dass der wahrscheinlich noch hier rumläuft, ohne eine Strafe - unbeschreiblich. Ganz schlimm. Oft frage ich mich, was er jetzt macht. Ob er mehreren Mädchen und Frauen sowas angetan hat. Ob er eine Freundin hat, die von allem nichts weiß.
Ich frage mich auch oft, ob und wie er sich an mich erinnert. Und ich werde oft furchtbar verzweifelt und wütend, wenn ich wieder zum Fakt zurückkomme, dass er niemals irgendeine Strafe für das erfahren hat, was er mir angetan hat.
Direkt nach dem Ereignis wollte ich Anzeige erstatten. Ich habe gewusst, dass ich hätte sterben können und er das auch so wollte in seinem Wahn. Aber dann haben alle möglichen Leute auf mich eingeredet und es mir ausgeredet und mir Angst gemacht. Letzten Endes bin ich dann auch nicht hin. Ich hatte niemanden, der mir angeboten hat, mich in irgendeiner Art und Weise zu unterstützen oder der mir erklärt hat, dass es nicht vergeblich ist, zur Polizei zu gehen, schon alleine für mich.
Heute könnte ich mich selbst dafür ohrfeigen, aber was passiert ist, ist passiert. Damals ging es mir sehr schlecht deswegen und ich habe mich noch schlimmer geschämt, als heute. Ich war eben allein damit.
Die Tat ist auch heute verjährt und ich habe lange Zeit alles was passiert ist in mir zu vergraben. Ich wusste schon irgendwo "dass da mal was passiert ist", aber ich habe es weggesteckt und versucht, normal weiterzumachen. Bis ich also überhaupt angefangen habe, das ganze aufzuarbeiten, hat es sehr lange gedauert, bis dahin war es nicht wirklich existent.
Während der Täter mich missbraucht hat, hat er gesagt, dass ich nur so tue, als ob ich das nicht will und ich in Wahrheit ganz scharf auf ihn bin. Ich habe ewig lang an mir arbeiten müssen von der Denke wegzukommen, dass ich "nicht doch" falsche Signale gesendet habe.
Ich habe so in meinem eigenen unausgesprochenen Dilemma gelebt, bis es dann anscheinend für Außenstehende unerträglich wurde. Ausgerechnet ein Arbeitskollege hat mich damals mal auf mein Verhalten angesprochen und mich gefragt, ob irgendein Kollege oder jemand anderes mich belästigt oder mir etwas getan hat und ob er mir helfen kann. Ich habe nach dieser Frage sehr lange und intensiv über mich nachgedacht und was passiert ist.
Ich denke mir eben, dass das Erlebte mich für eine schöne und positive Liebesbeziehung einfach unbrauchbar gemacht hat. Es belastet mich sehr im Alltag. Und wenn ein Typ da ist, der mich an den Täter von damals erinnert oder nur etwas annährend macht, was mich an ihn oder das Erlebte erinnert, ist alles aus. Einfach nur schlimm. Eine Beziehung oder Verliebtheit sollte ja was schönes und freies sein und das kann ich in der Anfangszeit einfach niemanden so bieten, wie er es vielleicht braucht oder sich erhofft. Ich bin nicht verklemmt, obwohl es mir total oft vorgeworfen worden ist und mit mir kann man Spaß haben und über alles mögliche reden, aber mir sind meine Grenzen einfach nur verdammt wichtig und dass ich das Gefühl von Kontrolle habe. Viele Männer verstehen das falsch. Aber man sagt ja auch nicht direkt beim Kennenlernen "Hey, ich bin mal missbraucht worden, es liegt nicht an dir!"
Ich habe auch schon mal öfters überlegt wahllos mit allen möglichen Kerlen ins Bett zu gehen, damit ich mich daran gewöhne oder ich meine Ängste vielleicht auf diesem Weg abbaue, aber da geht einfach gar nichts und meine Therapeutin meinte, dass ich mich erneut in das Trauma stürze, selbst wenn es schon einige Zeit her ist und ich an mir arbeite. Da ist aber dieser unglaubliche Druck in mir, sexuell auszureichen und zu genügen.