@ Yenlowang
Das was du da von dir über dich erzählst ist wirklich tragisch. Dass es tatsächlich so passiert ist, wie du beschreibst, ist kaum zu glauben und wie du wohl selbst schon eingesehen hast, ist das wirklich ein absolut bedauerliches Schicksal... hoffentlich nur Lebensabschnitt in deinem Leben. Wenigstens scheinst du aus deinen Fehlern glücklicher Weise zu lernen?!
Ja, ich habe aus meinen Fehlern gelernt... Ich habe gemerkt, das es viele wie mich gab. Viele, die im richtigen Leben an einem Punkt angelangt sind, an dem sie nicht mehr weiterkonnten/wollten?!...
Ich habe in dem Spiel die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt. Man fängt ab einem gewissen Grad/Uhrzeit an über persönliches zu sprechen. Gerade dann, wenn "normale" Menschen schlafen (Ab in der Woche nachts um 2 oder halb 3). Man beginnt unweigerlich zu fragen, "Warum bist du noch online? Hast Du Urlaub?"
Körperlich Kranke Menschen (Krebs, Schwerstdiabetiker, etc.) Menschen die nicht mehr in der Lage waren für sich zu sorgen. Für sie war es eine Flucht in eine heile Welt. In eine Welt die sie beeinflussen können...
Ältere Menschen, die nicht mehr in der Lage sind einen Job zu bekommen. Wenn man bedenkt das Menschen ab Mitte 50 ja schon Schwierigkeiten haben einen Job zu finden, auch sie flüchten.
Junge Menschen, die keinen Bock haben zu arbeiten und sich in eine Welt flüchten, wo sie für das was sie tun auch "reich" belohnt werden.
Es ist vielschichtig.
Nichts desto trotz finde ich deine Sichtweise ebenso erschreckend, wie dein wohl leider eigenes Schicksal. Vorallem finde ich deine Herangehensweise etwas... trostlos.
Ja, so könnte man es sagen, aber der Zeitpunkt, an dem man realisiert was man da mit sich gemacht hat, kommt spät. Es waren für mich fast 3 Jahre, in denen ich sagte "Ich habe kein Problem, was wollt ihr eigentlich?"
Abgesehen davon frage ich mich woher du weißt, was der Arzt in dieser gegebenen Situation tun würde?
Deinen Schluß finde ich jedoch irgendwie gelungen. Es klingt fast wie ein Ausschnitt aus dem Film mit Leonardo Di Caprio (über River Phönix oder so). Wenn das Leben denn auch so einfach wäre. Es ist nie so einfach. Man macht es sich vielleicht so einfach. Aber so einfach ist es einfach nicht das Leben.
Natürlich ist es nicht das Leben. Aber andersrum war es für mich, genauso wie für viele andere, das Leben. Es gab nichts anderes, es war nichts anderes mehr wichtig, außer dem Spiel...
Es mag sein, daß ein Versuch zu helfen im Augenblick völlig sinnlos erscheint, weil man eben nur so weit sieht, wie der Moment reicht. Da trifft deine Aussage, die du treffen wolltest, absolut zu. Aber... ich weiß auch nicht... irgendwie ist mir diese Sichtweise einfach zu einfach. Ich meine in der Schule lernt man ja fürs ganze Leben. Und irgendwann merkt man dann, wenn man größer wird, daß es doch irgendwie so ist. Klar da mußte man und das ist bei dir und deinem Ex-Problem ein anderes. Aber irgendwie müsste doch jetzt deine Sichtweise zu deiner geschiedenen Frau eine andere sein und diese vielschichtigen andere Probleme, wie die auch immer aussahen? Jedenfalls fänd ich es irgendwie interessant zu lesen, wie sich deine Erkenntnis über deine Krankheit auf die Veränderung deiner Sichtweise ausgewirkt hat.
Ich habe für mich gemerkt, das es nicht alles ist.
Eigentlich würde ich gerne sagen "Es war ein Abschnitt in meinem Leben, an dem ich anders sein wollte, als ich bin. Ich wollte wie alle anderen sein.
Ich war Mitglied einer Gemeinschaft, wir waren in der Gilde teilweise 125 Mitglieder. Ich bin Gründungsmitglied. Ich habe diese Gemeinschaft mit aufgebaut.
Ich habe in meinem Privatleben nichts wirklich auf die Reihe bekommen, Ich hab immer einstecken müssen, ich hab immer zurückstellen müssen...
Aber in der Gilde, im Spiel war ich jemand. Ich habe etwas bekommen, was mir im Leben bis jetzt fast immer verwehrt war... Aufmerksamkeit und Beachtung...
Und glaubt mir, so ein Gefühl wirft man nicht weg. Und man hört auch nicht auf Menschen, die es vielleicht gut mit einem meinen, die sagen "weißt Du eigentlich was Du Dir antust? Das ist doch nicht das wahre Leben." Und man stellt sich unweigerlich die Frage "Was ist mir wichtiger? Das was du hast, wenn Du von der Tastatur aufstehst? Oder das was du hast, wenn du sitzenbleibst?..."
Die Antwort war für mich fast 3 Jahre klar...
Allerdings gab es einen ziemlich schmerzhaften Grund, warum das Spiel für mich immer weniger interessant wurde. Meine Exfrau...
Sie spielte das Spiel nachher auch, und sie betrog mich mit einem, den sie über das Spiel kennengelernt hat. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag...
Ich habe immer gedacht "Deine heile Welt ist perfekt. Du bist hier jemand. Du hast Menschen, die für dich da sind, wenn du wen zum reden brauchst."
Mit meiner Exfrau konnte ich nicht reden, konnte ich eigentlich nie.
Und nun kommt einer und hat dir in dem was dir Spass gemacht hat, was deinem Leben Sinn gegeben hat, dadurch vermiest, das er mit deiner Frau in die Kiste steigt...
Das war zuviel für mich...
Ich habe mich gefragt, ob es das wirklich ist.
Ich trennte mich von meiner Frau. Schloss mit meinem Spieleleben ab. Und ich begann langsam wieder vor die Tür zu gehen, ich machte Sport, nahm 45 Kg ab, rasierte mir eine Glatze, ging zum Tätowierer. Kurz ich veränderte meine ganze Persönlichkeit. Ich habe fast 10 Jahre nichts für mich getan, ich wusste nicht wer ich bin.
Ich weiß es heute zwar auch noch nicht, aber es ist denke ich auch ein Prozeß der Jahre dauern kann...
Als mich diese Erkenntnis traf "Ich bin 32 Jahre alt, ich habe nichts mehr. Keine Freunde, die Familie kümmert sich einen Scheiss um mich. Meine Frau habe ich verloren (Naja, ob ich sie jemals geliebt habe? Das ist eine andere Geschichte..). mein Leben ist nichts... Es bestand aus einem Bildschirm mit bunten Bildern...
Könnt Ihr Euch vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man alleine in die Disko geht, oder in Cafés. Wenn man niemanden hat, der mitkommt... Es war verdammt schwer wieder unter Menschen zu gehen. Der Antrieb war da, aber man hatte ständig das Gefühl "Alle wissen das du alleine hier bist. Und alle starren Dich an."
Das es daran lag, das ein 1,75 m großer, 95 kg schwerer, tätowierter, muskelbepackter Mann mit Glatze durch die Tür kommt. Das war mir erst nicht bewusst. Diese Erkenntnis brauchte ne Weile zum wirken.
Man verliert auch das Gefühl für Blicke, wenn man nur in einer Welt lebt, wo man anderen Menschen nicht ins Gesicht schauen kann...
Ich habe nachdem ich anfing zu Begreifen, eine Entschuldigungstour durch die Trümmer meines Vergangenheit gemacht.
Ich habe mich mit allen getroffen, ich habe mit allen geredet und mich entschuldigt. Von den 10 Leuten haben 4 die Entschuldigung angenommen und gesagt, wir geben Dir eine 2. Chance, enttäusche uns nicht wieder. Wir sind für Dich da.
Vielleicht ist diese Erfahrung nicht so bedauerlich, wie diese Sache mit dem Zocken. Ich kenne Leute, die sind von der Musik bessesen, von Frauen und von Autos usw. irgendwie habe ich das Gefühl, daß es das Selbe in Grün ist oder besser gesagt in viereckig.
Solange Du in der Lage bist, mal ein paar Tage oder Wochen ohne das von dem Du besessen bist zu leben, denn hast Du kein Problem. Aber wenn Du morgens schon aufwachst und Dir überlegst "Was kann ich im Spiel noch erledigen, bevor ich zur Arbeit muss, oder wieviel Überstunden habe ich noch, damit ich das erstmal fertig machen kann womit ich gestern nicht fertig wurde, bevor ich zur Arbeit muss... Dann hast Du ein Problem.
Aber eine Sache noch, die ich dich gerne fragen würde: Ist es dein Fazit aus dieser Spielsuchterfahrung, daß man sozusagen als Problem spürt, daß das was man erkämpft hat nicht real ist und man eigentlich nichts hat, obwohl man gekämpft hat?
Nein...
Es dreht sich um, die Wahrnehmung von Realität und "Unwirklichkeit" verändert sich.
Wenn Du erstmal richtig drin bist, ist die Realität für Dich, das was Du auf dem Bildschirm siehst...
Alles was drum herum existiert, Geld, Arbeit, Essen, Kaufhäuser ist nur Mittel zum Spiel. Es versorgt Dich mit dem was Du brauchst um spielen zu können...
Ich kenne glücklicher Weise auch Menschen, die sich durch ihr reales Leben durchgekämpft haben und am Ende gemerkt haben, daß sie einfach nichts hatten. Ich sehe da irgendwie ähnliche Probleme, welche ihnen irgendwann bewußt wurden. Naja. Ich hoffe, daß es inzwischen in deinem Leben aus diesem Tief steil bergauf gegangen ist.
Ich danke Dir...