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Geschwister Liebe – Der Weg in den Wahnsinn und wie wieder heraus ?

Michalski

Neues Mitglied
Hi ich bin Michalski, 22 Jahre alt, studiere Philosophie und stelle hier eine Problemstellung auf, welche mich schon seit Jahren belastet und mich vor einiger Zeit an den Rande des Suizides gebracht hatte (worauf ich allerdings erstmal nicht weiter eingehe).

Die Frage zur Geschwisterliebe und wie man damit umgehen soll wurde schon in diversen Foren, Zeitungen und Beiträgen diskutiert und ist schließlich sogar per Strafgesetzbuch definiert. Und dennoch bin ich in meine 2 Jahre jüngere Schwester verliebt, und das schon seit mehreren Jahren.


Wir sind getrennt aufgewachsen, sehen uns bis heute im Prinzip nur 3-5 Mal im Jahre heute wie damals und sind dennoch Charakterähnlicher als manche Zwillinge. Begonnen hat es ca. in meiner Abiturphase im 18. Lebensjahr als langsam die Gefühle zu meiner Schwester intensiver wurden. Ich wollte sie häufiger sehen, häufiger etwas unternehmen etc… Auch meine bis dahin „normale“ Beziehung ist dadurch in die Brüche gegangen, als ich offen meiner damaligen Freundin erklärt habe, dass die Verbindung zu meiner Schwerster mir wichtiger ist als unserer Beziehung. Dem trauere ich bis heute nicht hinterher. Dennoch wusste/weiß ich, dass eine solche Liebe ein komplettes Himmelfahrtskommando ist. Ich recherchierte in Foren, laß ganze Bücher über die Psychologie, welche eigentlich auf Uni-Niveau waren und versuchte so irgendwie meinen emotionalen Tumult zu beseitigen. Viele beschreiben ja auch heute noch in die Foren, dass man in solchen Situation sicherlich Abstand zu seiner Schwester nehmen sollte, man ist ja noch jung und die Wahrscheinlichkeit, dass sich so die eigenen Gefühle sortieren und das alles nur eine „Schwärmerei“ war ist sehr hoch. So beschloss ist im Zuge meines Physikstudiums halb durch DE zu ziehen und den Kontakt zu ihr möglichst minimal zu halten. Das hat ca. ein Jahr funktioniert, danach war der Drang sie wiederzusehen so hoch, dass ich spontan beschloss für 3 Wochen sie zu besuchen. Die Freude auf beiden Seiten war äußerst groß. Da die Taktik des Ignorierens nicht funktionierte versuchte ich das Gegenteil. Ich besuchte sie immer mehr häufiger und wir beschlossen auch über die digitalen Medien guten Kontakt zu halten. Das hat meine Gefühlslage allerdings nur noch weiter verschlimmert. Mit dem Hintergrundwissen, dass diese immer stärker werdende Liebe nur in der totalen Vernichtung unserer bisherigen Beziehung enden würde, brach ich das Physikstudium ab und begann ein Philosophiestudium in der Hoffnung, dass dies mir helfen würde meinen inneren Kampf zugunsten der Ratio und nicht zugunsten der Emotionen zu gewinnen. Das ganze Studium hat mich noch tiefer in die Depression geworfen, da ich mir offen logisch darlegen kann, dass egal wie ich es drehe und wende die Moral mir bei dieser Lage nicht helfen kann, sondern noch dazu tendiert zu Handlunge zu greifen die meinen Schmerz nur noch weiter vergrößern. So kam ich zu meinem Suizidversuch der (glücklicherweise) nicht auf ging. Doch das Problem hat sich damit nicht kleiner gemacht.


Die Gesetzgebung ignoriere ich dabei in meinem Gedankengang, da kaum ein Mensch lupenrein durchs Leben stolziert und mir das Argument „Ja es ist doch illegal“ meiner Gefühlslage nicht sonderlich hilft. Per Gesetz wäre die Art wie ich den Suizid durchführen wollte auch illegal.


Im Falle ich würde dieser Liebe folgen und sie wäre erfolgreich, wäre es schon darin unmoralisch, dass ich mir das Recht gegeben habe meine Schwester in dem Sinne zu beeinflussen, dass sie zumindest währenddessen keine richtige Familie für sich gründen kann. => Meine oberste Pflicht als älterer Bruder ein für sie best mögliches Leben mithilfe meiner Ressourcen zu schaffen ist verletzt.


Im Falle ich würde der Liebe folgen und sie wäre nicht erfolgreich, wäre unsere bisherige sehr gute Beziehung untereinander auf ewig zerstört. => Ich verliere den einzigen Menschen den ich bedingungslos Liebe und Vertraue.


Im Falle ich ignoriere das Problem weiter, wie so manche Sagen man müsse da einfach durch … Naja das hat die letzten 4 Jahre nicht funktioniert und in meiner sozialen Isolierung, Depression und beinahe Suizid geendet



Meine Schwester weiß bis jetzt nur von dem Suizidversuch und meiner extremen Angst sie zu verlieren, bei der sie mir versicherte, dass so etwas „natürlich“ niemals vorkommen wird. Da man die Zukunft nicht vorhersagen kann lege ich auf das natürlich mal nicht so viel Gewicht. Viele im Netz oder auch in Büchern sagen, man solle einfach unter Leuten gehen, neue Leute treffen und, wenn man jemanden findet indem man sich so verlieben könnte, dann legt sich das Problem von alleine (theoretisch). Da ich nun nicht viel unter Leuten bin und allgemein keine Freude an öffentlichen Feiern und sonstigen Unternehmungen, bei denen man Leute treffen könnte haben, würde sich das als schwierig erweisen. Ich bin Sportschütze, verbringe sehr viel Zeit mit Büchern, aber auch mit dem Internet, und bin Hobby-Astronom. Nicht gerade die Dinge womit die Leute, was anfangen können, wenn man sich vorstellt.
Egal also in welche Richtung ich mich drehe, es ist die falsche. Alkohol und Drogen, um den Schmerz zu unterdrücken, kommen bei mir genauso wenig in Frage, wie Psych. Therapie. Oftmals werden bei Drittem anti-depressive Mittel verschrieben, und aus dem selben Prinzip warum ich auch kein Alkohol und Drogen anfasse fallen diese auch weg. Mein Verstand ist schon von meinen Emotionen gelenkt, da muss ich den nicht noch mit weitere Chemie verfälschen. Vielleicht interpretiert mein Bewusstsein die Liebe zu meiner Schwester falsch ? Die Frage ist dann, woher würde diese Fehlinterpretation kommen ? dass ich noch keine „Große-Liebe“ hatte ? Möglich … doch das hilft meiner presenten Liebe zu meiner Schwester auch nicht…


Vielleicht hilft ja noch eine dritt Meinung ? Ich habe zwar eigentlich schon alle in Frage kommenden Lösungen in Betracht gezogen, aber manchmal ist man vor lauter Zahlen und Möglichkeiten zu blind die eigentliche Lösung zu sehen.


Liebe ist eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens, und ich kann nicht lieben weil ich will, noch weniger aber weil ich soll. ~ Immanuel Kant



Hochachtungsvoll

Michalski
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Liebe ist eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens, und ich kann nicht lieben weil ich will, noch weniger aber weil ich soll. ~ Immanuel Kant



Hochachtungsvoll

Michalski
Hallo, Michalski,

ich wusste gar nicht, dass Immanuel Kant diese Aussage machte. Sie ist richtig - aber nach meiner Meinung nur in einem bestimmten Kontext. Ich denke, dass zur Zeit von I.Kant diese Aussage einen Gegenpol bildete zu lieblos geschlossenen "Vernunftehen". Liebe ohne Verstand ist naiv bis gefährlich.

In unserer heutigen Zeit - im westlichen Europa - haben wir ein anderes Extrem. Viele Menschen drehen sich nur um ihre Empfindungen. Die Liebe wird an dem Grad der Gefühle festgemacht. Verschwinden die Gefühle, dann heisst es oft: "es passt nicht mehr". Und Menschen werden weggeworfen, ausgetauscht wie eine alte Kaffeemaschine.

Menschen, die vorwiegend den Lebenssinn darin sehen, sich glücklich zu fühlen und somit ihren "schönen" Gefühlen folgen, sind leidensscheu. Können sie dem Leiden nicht ausweichen, kann sich sogar Hass (z.B. gegen sich selbst) bilden.

Es gibt Menschen, die ihre große Liebe aus unterschiedlichen Gründen nie erreichen können oder z.B. durch Krankheit oder Unfall verlieren. Für mich lautet die Kernfrage nicht, wie wir um jeden Preis Leiden vermeiden können, sondern: wie können wir unausweichliches Leiden tragen?

Zu Herrn Kant möchte ich sagen: Liebe ist das Interesse am Wohl des Nächsten und bringt sich im Rahmen der Kompetenzen mitwirkend ein. Der liebende Mensch kann sich zurücknehmen, wenn er dem Wohl des Anderen im Wege steht.

Falls Du es noch nicht kennst, empfehle ich Dir das Buch von Erich Fromm: Die Kunst des Liebens

Helfen Dir meine Gedanken weiter?

LG, Nordrheiner
 

Rainer-JGS

Aktives Mitglied
Geschwister Liebe ist gut, richtig und ehrenwert - wenn ...


... wenn es denn echte Liebe ist, die sich an das Sitten-, Moral- und Strafgesetz hält
und nicht in Blutschande ausartet und damit echter,
unbeschwerter und froh machender Geschwisterliebe Hohn spricht!

Bedenke stets bei all Deinen Gedanken, Worten und Taten:

Ohne klare Ordnung, Regeln und Moral -
verkommt der Mensch und begibt sich den Sog
bedrückender, gefährlicher und lebensfeindliche Abgründe!

 

Michalski

Neues Mitglied
@Nordrheiner:
Der geschichtliche Kontext zur Zeit Kants ist sicherlich wichtig und mir auch durchaus klar (Ach was vermisse ich den Geschichts LK von der Schulzeit ...), aber ich verstehe nicht ganz die Folge:
Warum handeln viele Person, welche sich nach ihrer Emotion ihre Beziehung zu einem anderen Menschen richten, mit weniger Vernunft, wenn diese wegfallen ? Schließlich sollte nach einer geringeren Beeinflussung durch Liebesgefühle und anderen Emtionen, die Vernunft überwiegen, sodass man eben nicht Personen die einem nahe stehen einfach wie die "alte Kaffemaschinen" behandelt ? Immerhin sollte man doch besser handeln können als vorher ? Aber vielleicht denke nur ich so...
Der zweite Punkt trifft es ziemlich auf dem Punkt. In so extrem vielen Fächern wurde ich noch während meiner Schulzeit darauf getrimmt, dass die Glückseeligkeit (Eudamonia) das höchste Gut ist, welches der Mensch erstreben sollte. Diese Maxime, obwohl ich weiß, dass es nur eine Theorie ist, bekomme ich nicht mehr aus meiner Handlungsabwägung heraus. Deine Kernfrage, die quasi eine Art Gegenpol bildet inwiefern man Leiden ertragen lernen sollte, als es zu verhindern, erscheint mir als aüßerst schlüssig. Auch mein "Therapeut" sprach dieses Thema einst an. Doch wieviel Leid ist man bereit zu tragen und über welchen Zeitraum ? Die Variable der Zeit ist meiner Meinung nach hierbei der Knackpunkt, wenn ich das mal so umgangsprachlich ausdrücken darf.
Dein Dritter Punkt ist ebenfalls genau auf den Punkt getroffen, wie ich über die letzten vier Jahre versucht bzw. geschafft habe zu handeln. Denn wer bin ich, der ich mir das Recht nehme, die Glückseeligkeit meiner Schwester ins negative zu beeinflussen, indem ich die Plausbilität einer für sie sich ergebenden normalen Beziehung zu einer anderen Person verhindern würde ?. Das ist schließlich auch die große Wand vor der ich stehe und an die auch ausschlaggebend für meine Suizidversuch war.
Interessanterweise war dein vorgeschlagenes Buch bereits einst auf meiner Kaufliste, als ich während meiner Abiturphase diese Tonnen an Psychologiebücher durchgelesen habe. Doch ich habe es dennoch nicht gekauft. Ich glaube das lag damals daran, dass ich weniger die "Kunst des Liebens" suchte, sondern vielmehr nach einer Erklärung meiner Situation und wie ich da wieder raus komme... oder es wurde von einem anderen Buch überschattet, das könnte auch sein... Ich schätze ich werde mir es aber mal an eignen, da ich es schon öfters mal als Empfehlung gesehen habe.
Deine Antwort war recht ausführlich und dafür bedanke ich mich, aber außer dem Buch und der möglichen Lehre des Leidetragens kam ich nicht sonderlich weiter. Schließlich habe ich dies bereits für 4 Jahre versucht ...

@Rainer-JGS:
Deine philosophisch orientiertes Argumentieren finde ich äußerst ansprechend
P1: Die Liebe ist echt und hält sich an Sitten-Moral- und Strafgesetz.
P2: ausartet nicht in Blutschande
K: Die Geschwisterliebe ist gut, richtig und ehrenwert.

Drehe ich die Prämissen etwas um, dann kann ich für meine Fall als Konklusion aufstellen, dass meine Geschwisterliebe zu meiner Schwester schlecht, falsch und ehrlos ist.
Obige P1 kritisiere ich allerdings hierbei, dass sie sowohl Sitte, als auch Strafgesetz einbezieht. Denn sowohl Sitten, als auch Strafrecht müssen und können nicht immer moralisch sein. Damit würde man auch implizieren, dass durch das gelten andere Sitten in anderen Teilen der Welt unsere Sitten besser sind, weil sie unserer Moral die Sitten andere Länder nicht nachvollziehen kann ? Selbst, wenn P1 nur noch aus geltender Moral bestehe würde / könnte ich kritisieren, was in einem Fall, indem beide Partnerteile sich über die Konsequenzen bewusst sind und diese aktzeptieren, die Beziehung zwischen beiden unmoralisch macht. Bei 7 Milliarden Menschen zweifle ich die notwendikeit meines Genpools zur Verfielfältigung der Gendiversität des Menschheit an. Dennoch stimme ich diesem Argumentsatz grundlegend zu. Schließlich versuche ich immer nach bestmöglicher Moral zu handeln (außer sie ist kritisierbar).

Deiner zweiten Aussage stimme ich auch zu, dennoch muss ich dazu sagen, dass ich bereits bei einhaltung der "Ordnung" in "Lebensfeindliche Abgründe" gerutscht bin. Somit stellt sich mir die Frage auf, wie ich handeln soll wenn beide Wege im Abgrund enden ?

Trotzdem vielen Dank für deine Antwort. Aber im Prinzip fühle ich mich nach obigen Argumentsatz nur schlechter als vorher, da die Liebe schließlich da ist, sie aber nach obiger Definition Unehrenhaft und Schlecht ist. Ist der Wortwahl von dir, oder ist es ein Zitat ? :p

MfG Michalski
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
@Nordrheiner:
Der geschichtliche Kontext zur Zeit Kants ist sicherlich wichtig und mir auch durchaus klar (Ach was vermisse ich den Geschichts LK von der Schulzeit ...), aber ich verstehe nicht ganz die Folge:
Warum handeln viele Person, welche sich nach ihrer Emotion ihre Beziehung zu einem anderen Menschen richten, mit weniger Vernunft, wenn diese wegfallen ? Schließlich sollte nach einer geringeren Beeinflussung durch Liebesgefühle und anderen Emtionen, die Vernunft überwiegen, sodass man eben nicht Personen die einem nahe stehen einfach wie die "alte Kaffemaschinen" behandelt ? Immerhin sollte man doch besser handeln können als vorher ? Aber vielleicht denke nur ich so...
Es ist nicht der wichtigste Punkt unseres Austausches, aber ich will kurz einen Gedanken als mögliche Antwort auf Deine obige Frage hinzufügen: Die Benutzung des Denkorgans will geübt werden, wie ein Instrument. Ist das Denkorgan ungeübt und nicht zu gebrauchen, bleiben Gefühle und Triebe.



Der zweite Punkt trifft es ziemlich auf dem Punkt. In so extrem vielen Fächern wurde ich noch während meiner Schulzeit darauf getrimmt, dass die Glückseeligkeit (Eudamonia) das höchste Gut ist, welches der Mensch erstreben sollte.
Mit diesem Begriff Eudaimonie wird aber nicht das Glücksgefühl gemeint. Wäre dem so, könnte auch unter Umständen eine Flasche Schnaps ausreichen.

Gemeint ist eine gelungene Lebensführung nach den Anforderungen und Grundsätzen einer philosophischen Ethik.


Diese Maxime, obwohl ich weiß, dass es nur eine Theorie ist, bekomme ich nicht mehr aus meiner Handlungsabwägung heraus. Deine Kernfrage, die quasi eine Art Gegenpol bildet inwiefern man Leiden ertragen lernen sollte, als es zu verhindern, erscheint mir als aüßerst schlüssig.
Fall 1: Doch, natürlich soll man Leid verhindern. Deswegen lassen wir uns z.B. bei einem Beinbruch ins Krankenhaus fahren.

Fall 2: Auch kann man in manchen Situationen eigenes Leid mindern oder verhindern, jedoch nur auf Kosten einer anderen Person. Beispiel: Klaus wird wegen Diebstahl angeklagt, kann aber durch Lüge oder durch Beweisverfälschung die Schuld auf Udo schieben.

Fall 3: Und dann gibt es unausweichliches Leid, welche von uns Menschen nicht zu mindern oder zu verhindern ist, wie z.B. der Tod eines geliebten Menschen.

Die Frage ist trotzdem wichtig: Soll der Mensch lernen, Leid zu tragen?



Auch mein "Therapeut" sprach dieses Thema einst an. Doch wieviel Leid ist man bereit zu tragen und über welchen Zeitraum ? Die Variable der Zeit ist meiner Meinung nach hierbei der Knackpunkt, wenn ich das mal so umgangsprachlich ausdrücken darf.
Der Mensch braucht Willen und Können.
Zum Willen: Wenn ich mich auf einem beschwerlichen (Lebens-) Weg befinde und habe kein schönes Ziel vor Augen, dann stellt sich die Sinnfrage, auch noch Leid zu ertragen. Warum sollte ich? Einerseits kann der Sinn des Leidens darin liegen, dass der jeweilige Mensch gerade durch das Leid etwas für ihn sehr wichtiges lernt, z.B. Gedud oder Selbstdisziplin oder ....

Andererseits kann ein hohes und schönes Ziel es wert sein, dafür auch Verzicht zu üben oder Leid in Kauf zu nehmen. Welches schöne Ziel Menschen haben sollen, habe ich bei Philosophen nicht wirklich herausgefunden. Oft wird ein asketisches Leben als "schön" und erstrebenswert angegeben. Aber warum Philosophen dies empfehlen, ist mir ehrlich gesagt nicht schlüssig. Genauer und für mich nachvollziehbarer finde ich dazu Antworten im christlichen Bereich.

Zum Können:
Philosophen empfehlen das Erlernen sowie das Einüben von Tugenden. Das ist korrekt - aber auch etwas dünn in meinen Augen.

Wir wissen heute, dass die Kindheit für das Erlernen sowie auch für die Vermittlung von Tugenden sehr wichtig ist. Es scheint so zu sein, dass - zusätzlich zu den angelernten Tugenden - der Mensch in seiner Kindheit durch z.B. Liebe mitbekommt, was er in Form von Energie später braucht, um eben auch Leid ertragen zu können. Es stellen sich die Fragen:
1. wie gut hat der Mensch Tugenden bereits in der Kindheit gelernt?
2. wie bereit ist er, diese Tugenden als Erwachsener zu pflegen und ggf. neue hinzuzulernen?
3. wie groß ist sein Kräftehaushalt (um z.B. Leid zu ertragen)?

Und zu Punkt 3 erfahre ich bei Philosophen wenig bis nichts, jedoch im christlichen Glauben (Bibel) sehr viel.

Dein Dritter Punkt ist ebenfalls genau auf den Punkt getroffen, wie ich über die letzten vier Jahre versucht bzw. geschafft habe zu handeln. Denn wer bin ich, der ich mir das Recht nehme, die Glückseeligkeit meiner Schwester ins negative zu beeinflussen, indem ich die Plausbilität einer für sie sich ergebenden normalen Beziehung zu einer anderen Person verhindern würde ?. Das ist schließlich auch die große Wand vor der ich stehe und an die auch ausschlaggebend für meine Suizidversuch war.
Deine Gedanken sind richtig. Dazu: Ich interpretiere Deinen Suizidversuch als Ausdruck für "ich habe keine Antwort gefunden, was ich machen soll, wie ich meine Probleme in den Griff kriege, wie ich leben soll, was Sinn macht bzw. was der Sinn meines Lebens ist."

In meinen obigen Angaben (z.B. Weg und Ziel) steckt schon die Antwort auf die Frage "wie Du Deine Wand überwinden kannst" drin. Aber wir können gerne genauer auf Dir wichtige oder noch nicht ganz klare Punkte eingehen. Frag einfach.

LG; Nordrheiner
 

StürmischerTag

Aktives Mitglied
Hallo Michalski,

ihr seid getrennt aufgewachsen, zu wieviel Prozent seid ihr denn echte Geschwister?
Ich frage deshalb so doof, weil ich als Kind in der Nachbarschaft eine Bekannte hatte, die sich in ihren größeren Bruder verliebt hatte. Und sie litt sehr darunter, zumal diese Familie sehr religiös war.
Durch irgendeinen Zufall entdeckte sie schließlich, dass sie im Familienstammbuch gar nicht vorkommt, es stellte sich heraus, dass sie adoptiert war und dass ihr das verheimlicht worden war.

Das warf auf alles, aber ganz besonders auf ihre Gefühle dem Bruder gegenüber ein ganz anderes Licht und sie musste sich nicht mehr selbst quälen, weil sie ja ach so unmoralisch fühlte.

LG
 

weidebirke

Urgestein
Ich habs nicht so mit Moral.

Dass Geschwister keine Beziehung miteinander eingehen sollen, hat verschiedene Gründe, aus denen dann eben die moralischen Gesetze entstanden sind. In der heutigen aufgeklärten Zeit können wir wieder die Gründe anschauen und dann eine eigene Entscheidung treffen. Ich genieße das sehr.

Da ist der Grund der Gefahr von genetischen Schäden beim Nachwuchs. Da auch die Frage: seid Ihr Vollgeschwister? Wenn man sich darauf einigt, kinderlos zu bleiben, ist das vom Tisch.

Der nächste Grund ist der des potentiellen Missbrauchs innerhalb eines Familiengefüges. Ihr seid beide volljährig, seid nicht zusammen aufgewachsen, lebt nicht zusammen und auch nicht mehr bei den Eltern. Sehe ich kein Hindernis in diese Richtung bzw. kein größeres Risiko als es das nicht auch bei "normalen" Paaren gibt.

Das war's schon. Der Rest ist persönliches Risiko. Also Gefahr des Abgewiesenwerdens (hier verschärft durch eine mögliche moralische Bewertung), Gefahr der ablehnenden Reaktionen der Umwelt, Gefahr der Strafverfolgung.

An Deiner Stelle würde ich Nägel mit Köpfen machen. Entweder in die eine Richtung oder in die andere. Gar nichts machen bringt Dich nicht weiter. Wenn Du Dich dafür entscheidest, diese Liebe (bzw. der Wunsch nach Erfüllung) zu den Akten zu legen (was ich Dir empfehlen würde), dann funktioniert das auch. Man kann auch eine Liebe im Herzen tragen und trotzdem weiter leben, offen für anderes sein. Ja, manchmal tut das dann immer noch ein bisschen weh, aber das vergeht wieder.

Wichtiger wäre es aus meiner Sicht, dass Du an Deinen Depressionen etwas machst. Und nein, sie sind nicht die Folge dieser Liebe. Eher ist das Festhalten daran und die Unfähigkeit, sich anderen Lebensideen zuzuwenden, Folge der Depression.
 

Michalski

Neues Mitglied
@Nordrheiner:
Vielen Danke für die ausführliche Antwort - sicherlich vieles, um was ich mir weitere Gedanken machen kann. Deine Darstellung zu Notwendikeit von Können und Willen finde ich dabei sehr interessant. Bei mir wäre dabei weniger das Können das Problem, sondern eher das Wollen, da ich erhlichgesagt nicht mehr viel Geduld übrig habe weiter Leid zu "etragen". Das ist allerdings gleichzeit auch ein Charakterproblem von mir. Ich bin grundsätzlich ein sehr geduldiger Mensch und lasse viel über mich ergehen, oder warte meine Momente ab. Aber wenn meine Geduld aufgebraucht ist neige ich zu sehr drastischen Handlungen, um die Situation, welche es erfordert Geduld zu zeigen, möglichst schnell zu beenden.
Deine Intepretation ist auch weitgehend richtig, nur habe ich weniger den Sinn des (meines) Lebens in Frage gestellt, sondern eher die Relevanz, was ich nicht mit Sinn gleichsetzen würde. Der Grund warum ich im moment des abdrückens abgebrochen habe war der, dass ich nachdachte wieviel finanzielle Mittel in mich reingesteckt worden sind von meiner Kindheit bis jetzt und welche Mittel ich alle zur Verfügung habe, was andere Menschen nicht haben. Und zu guter letzt was den Abbruch besiegelte war mein Hass an das Unwissen. Und zwar nicht auf mich selbst bezogen, sondern auf die Lage in welche sich meine Angehörigen, vor allem meine Schwester, befinden würden. Sie wissen schließlich nicht was in meinem Kopf vorging und viele Infos hätte ich auch nicht hinterlassen. Und weil ich es absolut Hasse nicht in der Lage zu sein etwas herauszufinden beschloss ich doch zunächst weitere Ressourcen auszuschöpfen. Wenn ich die Welt verlasse, soll die Welt auch wissen warum und keine Hypothesen aufstellen müssen.

@StürmischerTag:
Deine Überlegung ist zwar nicht schlecht aber leider muss ich diese verneinen. Ich kann zu 100% sagen, dass wir volle Geschwister sind. Zu meinem 18. Geburtstag erhielt ich zugriff auf alle Gerichts- und Amtsakten, meiner frühen Kindheit, in welche Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmungsrecht von meiner Mutter zu meiner Großmutter übertragen worden sind. Auch medizinische Berichte, Geburtsurkunde etc gehörten dazu. Eine Kopie der Geburtsurkunde meiner Schwester auch, welche belegt, dass wir die selben Eltern haben. Nur ist halt meine Schwester bei meiner damals 19 Jährigen Mutter geblieben während ich mit 2 Jahren zu meiner Großmutter kam.
Aber dein Beispiel berührt mich, ich hoffe deine Bekannte konnte ihr Leben erfolgreich gestalten.

@Weidebirke
Dein Ratschlag ist von der Anwendung am simplesten und deswegen spricht er mir äußerst zu. Einzig kritierens tue ich, deine hypothese des vergehens des Schmerzes. Denn wenn er schon seit 4 Jahren nicht vergangen ist wann dann ? Die Tatsache, dass ich nicht zwischen diesen beiden Fronten im Niemandsland stehen bleiben kann ist der Grund, warum ich überhaupt hier schreibe.
Dein Ansatz, dass ich die Kausalkette umdrehe und die Depression eher als Ursache zu dem ganzen Liebesdilemma setze ist mir bis jetzt erhlich gesagt noch nicht eingefallen. Mir würde sich dann die Frage stellen woher diese Depression kommen würde, oder ist sie in Abhängikeit zu dem Liebesdilemma, sodass beide eine Art symbiose in meinem Unterbewusstsein gebildetet haben ?
Interessanter Ansatz Vielen Dank !
 

cucaracha

Urgestein
Viele Leute werden als Erwachsene depressiv, wenn sie eine schwierige Kindheit und Elternbeziehung hatten.

Wenn dich deine Schwester auch liebt, könntet ihr doch in einer anderen Stadt zusammen ziehen und ihr braucht niemandem berichten, dass ihr Geschwister seid.
Aber ihr solltet keine eigenen Kinder zeugen.

Es gibt sooooo viele unglückliche Paarbeziehungen, welche zerbrechen ....weil die tiefere Liebe auf Dauer fehlt.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Hallo Michalski,

Was ist für dich der Unterschied zwischen Relevanz und "Sinn des Lebens"?

Der empfindliche und nachdenkliche Mensch erkennt eher als andere, wenn moralische Regeln nicht greifen. Aber geht es hier um Moral?

Ich denke folgendes: beim Menschen sind das Sein - das Können - das Sollen immer diskrepant. Der empfindsame Mensch spürt es, der gewissenhafte bzw. verantwortungsvolle Mensch hat eine Warnmeldung in seinem Gewissen ... wenn er eben Entscheidungen zu treffen bereit ist, mit denen er die Diskrepanz vergrössert.

Unter Diskrepanz leiden führt zur Depression.
 

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