In einem Wellenbad wollte ich raus aus dem Becken. So tief war es nicht, also warum nicht aufstehen und raus, so wie sonst auch. Es gelang mir nicht. Erst als ich mich diesen Wellen und ihrem Rhythmus nicht mehr entgegengestellt habe, konnte ich an den Rand schwimmen. Gefühle sind manchmal solche Wellen, die einen ganz schön von den Socken hauen können. Dem "nachzuspüren" oder immer wieder "in sich hinein zu hören" oder wie all diese empathischen Formulierungen alle lauten, kann tatsächlich für die Katz sein. Wenn ich eine traurige Erinnerung, einen schmerzhaften Moment hervorkrame, werde ich traurig und es tut weh. Und je mehr ich mich dem hingebe, um so mehr weh tut es. Worin soll da der Sinn liegen und warum so etwas wiederholen? Wie kommt man raus aus diesem Tal des Elends?
Sich abzuhärten, das Ganze von sich zu schieben und sich sinnvollen Tätigkeiten zu widmen, kann eine Strategie sein. Man "funktioniert" wieder. Das ist schließlich besser, als schreiend im Wald umherzulaufen. Ist es das wirklich? Wie "verarbeitet" man solche Ereignisse, mit denen einen das Leben scheinbar immer mal wieder konfrontiert? Ist "Härte zeigen" gegen sich und andere das Non-plus-Ultra? Für manche scheinbar schon.
Für mich habe ich herausgefunden, dass ich von beiden Strategien etwas brauche: in dem ich mich mit meinen Gefühlen beschäftige, lerne sich sie zu unterscheiden. Im anfänglichen Chaos lerne ich zu unterscheiden, worüber ich wütend, traurig, ängstlich oder auch sehr erfreut bin. Vielleicht bin ich wütend, dass ich Kompromisse eingegangen bin, die nicht tragfähig waren. Die Angst, so etwas auch in Zukunft nicht rechtzeitig durchschauen zu können, lähmt mich womöglich. Ich bin traurig darüber, dass ich mich wieder einmal von etwas verabschieden muss, dass mir viel bedeutet und da ist immer noch die Freude über die Momente, die einfach das waren, was ich mir so sehr wünsche. Aber wenn ich all dies zusammen fühle, fühle ich nur ein Durcheinander und ein Chaos. Also muss ich mir mit diesen Gefühlen meine Zeit nehmen, damit ich erkennen kann, was mir für die Zukunft etwas bedeutet und womit ich lernen muss zurechtzukommen. Schmerz gehört zum Leben und ihm auszuweichen zu wollen, verdammt mich zur Stagnation, zum verstecken und verbergen.
Es gibt eine Zeit für Gefühle, denn sie helfen mir klarer zu sehen, worum es MIR und anderen gehen könnte und wo meine fehlende Deckung vielleicht dafür sorgt, dass ich immer wieder strauchle. Aber sie helfen mir auch, meine Deckung ganz bewusst aufzumachen, denn wie soll sonst Nähe möglich sein? Sollen wir nur noch wie Igel mit ihren Stacheln ganz vorsichtig sein? Ich denke und fühle: "Nein". Ich muss meine "Funktionsfähigkeit" trainieren, kann mir ein Netzwerk von "Stabilisierungsfaktoren" erschaffen, dass mich nicht ganz aus den Latschen kippen lässt. Aber ich möchte auch spüren und fühlen können und wenn mich das umwirft, denn muss ich eben lernen wieder aufzustehen.
Liebe
@Broken, Gefühle haben keine Weisheit. Sie sind keine Magie und kein Mysterium, von denen man mehr lernen könnte, als sie nun einmal aussagen. Wut hilft mir Grenzen zu setzen und setzt Kräfte frei. Angst will mich vor etwas bewahren und warnen, Trauer offenbart mir den Wert von etwas und Freude ist eben Freude. Alle Mischungen und Varianten davon verlängern oft nur den Schmerz, den es zu verstehen und zu bewältigen gilt. Schau, was DIR hilft. Wenn Du in Zukunft in Helm und Rüstung herum laufen willst, dann tu das. Wenn Du lernst, wann Du eine Rüstung brauchst und wann nicht, auch gut. Wenn Dir Deine Gefühle dazu Hinweise geben (mehr können sie nicht!), dann nutze auch diese Fähigkeit. Aber sieh auch, dass Schmerz einfach nur weh tut, mehr nicht. Immer wieder den Finger auf dieselbe Wunde zu legen, sorgt nur dafür, dass sie schwerer heilt und immer wieder weh tut.
Wenn Du das für Dich selbst als Erkenntnis erobert und erspürt hast, kannst Du selbst entscheiden, wann Du einen Ausflug in den Wald oder einen Helm brauchst, um zu verstehen, was in Dir vorgeht oder wie Deine nächsten Schritte aussehen sollten und das ist das Entscheidende: nicht immer stierenackig drauflos zu stürmen und auch nicht immer aufgelöst an einem Baum zu kauern. Du solltest selbst entscheiden (können), was wann wie Sinn macht. Du musst wählen können, denn mal macht das eine Sinn, mal das andere. Finde DEINEN Weg und lerne Dir zu vertrauen, in dem Du damit "arbeitest" und Deine Sinne und Gefühle schärfst und dabei Deinen Verstand gebrauchst. Lerne all das gemeinsam zu nutzen, denn das eröffnet Dir viel mehr in Deinem Leben. Gefühle sind kein Blinddarm der Seele. Aber sie sind auch keine Magie. Sie sind nur Hinweise zum besseren Verständnis was in Dir und um Dich herum passiert.