Ich denke nicht, dass wir immer dem Umfeld die Schuld geben können.
Es liegt wohl maßgeblich an uns selbst.
Es geht mir nicht um Schuld. Da missverstehen wir uns. Schuld macht für mich hier gar keinen Sinn.
Abgesehen von wenigen Menschen, die ohne Anlagen zur affektiven Empathie geboren werden, liegt zunächst auch aff. Empathie auf einem Spektrum.
Psychische Krankheiten können verhindern, dass ein Mensch empathisch denkt und handelt. Schwere Suchterkrankungen machen ebenfalls unempathisch. Notsituationen, angstbasiertes Verhalten kann zu empathielosem Handeln führen. Überzeugungen können unempathisch machen. Gruppendynamiken können empathieloses Handeln hervorbringen. Wut verhindert Empathie. Und schließlich sind alle Menschen tendenziell unempathisch, wenn etwas nicht unmittelbar greifbar ist, wie ferne Hungersnöte oder Kriege, von denen es seit ich denken kann zu jeder Zeit diverse gab und gibt. Ohne, dass es uns im täglichen Leben dauerhaft beschäftigten würde.
Fest steht, dass aff. Empathie sich im Normalfall im Kindesalter entwickelt. Es ist kein einfach so angeborener Reflex, es ist eine erlernte Fähigkeit, die einer gewissen kognitiven Reifung und eines Lernprozesses bedarf. Babys zB haben noch kein Konzept von Empathie. Und im Sandkasten geht es oft noch ziemlich egoistisch zu bei Kleinkindern.
Dass ein missbräuchliches, emotionsarmes, kaltes Umfeld in der Kindheit einen kleinen Menschen in seiner Entwicklung nachhaltig stören kann, bis hin zu hirnorganischen Veränderungen, ist bekannt. Und auch, dass dies zu einem dauerhaften, sogar irreversiblen Mangel oder völligen Fehlen an aff. Empathie führen kann. Das liegt dann definitiv nicht am Kind, wie sollte es das denn steuern können? Und es ist auch ggf. als Erwachsener nicht mehr veränderbar, egal wie sehr sich die Person auch anstrengt. Was dann nur bleibt ist der Versuch das mit kognitiver Empathie auszugleichen.
Fest steht auch, dass ein stabiles, zugewandtes, Urvertrauen förderndes, emotional gut gebundenes und gewaltfreies Verhältnis zu Bezugspersonen in der Kindheit die Ausbildung aff. Empathie fördert.
Wieso Schuld für mich hier keine Rolle spielt sondern Verantwortung. Tatsächlich kann ja ein Umfeld ursächlich sein ("Schuld haben") für die Fehlentwicklung eines Menschen. Aber die Tatsache, dass jemand zB. durch Missbrauch in der Kindheit keine aff. Empathie entwickelte bedeutet nicht, dass dieser Mensch nun auch keine Verantwortung für sein Handeln als Erwachsener tragen würde, f<r immer entschuldigt. Auch würde eine Schuldfeststellung solchen erlittenen "Schaden" nicht regulieren. Man kann andere nicht empathisch machen als Wiedergutmachung.
Wenn ich also schreibe, dass es im Regelfall an Anlagen und dann maßgeblich am Umfeld liegt ob und wie jemand aff. Empathie entwickelt, dann geht es mir nicht um Schuldzuweisungen und Entschuldigungen sondern um bekannte Ursachen und Auswirkungen.