Hallo
@Shadow !
Ich kenne das aus zwei Perspektiven bzw. Positionen heraus: zuerst als Kind zweier Eltern unterschiedlicher Religionen und verfeindeter, sich bekriegender Nationalitäten. Später als Elternteil. Während Religion heute keine Rolle in unserem Familienleben spielt, sind aber die kulturellen und vor allem biographischen Unterschiede der Herkunft und Kindheit meines Mannes und mir immer wieder spürbar. Er ist behütet und in wirtschaftlicher, politischer und familiärer Sicherheit in Deutschland aufgewachsen. Ich bin das nicht.
Klar tritt das immer wieder in verschiedenen Momenten zutage, klar prägt das auch unsere Kinder, aber ich glaube nicht, dass es innerhalb einer Familie per se problematisch sein muss.
Ob es das ist, hängt vielleicht unter anderem davon ab, welchen Stellenwert das jeweilige Thema in der Familie hat und wie sehr die Identität der betroffenen Menschen damit verbunden ist.
Dass meine Eltern unterschiedliche Religionen hatten, war weniger relevant als die Nationalität und die politische Situation dieser beiden Herkunftsländer. Als Kind war das weniger zwischen meinen Eltern spürbar, sondern eher durch andere Verwandte, Angehörige, Bekannte, die damit ein Problem hatten und versuchten auch für uns eines daraus zu machen. Mich hat das als Kind oft gestört und belastet, vor allem wenn von Außenstehenden von mir verlangt wurde, Position zu beziehen und mich von der einen Kultur abzugrenzen und abzuwenden, die Sprache nicht mehr zu sprechen und sowas.
Auf meinem Mann und mich haben die kulturellen Unterschiede weniger Auswirkungen, als klassistische Unterschiede (- ist eng miteinander verwoben, ich weiß), biographische Einschnitte und mitunter auch Traumata aus der Kindheit.
Was die Identität betrifft: weder identifiziert sich mein Mann besonders stark als Deutscher, noch ich mich als X. (Was bei meinen Mischmaschwurzeln eh schwer wäre).
Insofern war es zwischen uns nie ein negativ behaftetes Thema. Dafür finde ich Stimmen von außen bis heute anstrengend.
In meiner multikulturellen Verwandschaft (- verschiedene Religionen, verschiedene Nationalitäten, aus historischen und politischen Gründen teils Spinnefeind miteinander) werden bestimmte, negativ wahrgenommene Verhaltensweisen automatisch damit verknüpft, dass ich ja auch Halb-"Dingens" bin. Wenn wir beispielsweise zu einer Feier zu spät kommen, liegt das nicht an dem Verkehrsunfall, wegen dem wir ewig im Stau festhingen, sondern an meinem barbarischen "Dingens"-Blut, durch das ich nie pünktlich sein werde. Sowas kostet mich maximal ein gelangweiltes Augenrollen, weil es so dämlich ist. Noch schlimmer die Begebenheit, als ich mich mal bei einem Familienessen bekleckert habe und eine uralte Halbgroßtante meines Mannes sowas meinte wie „Typisch Z-Wort-Bagage, Tisch-Manieren haben die nicht.“ (Abgesehen davon, dass ich weder Rom*nja noch Sinti*zze bin, einfach eine durch und durch dumme und rassistische Bemerkung einer ziemlich einfältigen Person.)
Deshalb: eine große Rolle spielt sicher auch etwas, was außerhalb der Kontrolle der Eltern und Familie liegt: nämlich das Standing einer bestimmten religiösen Identität oder kulturellen Herkunft in der Gesellschaft. Wenn man einer Gruppe zugehörig ist, gegen die es viele Vorurteile, Diskriminierung und Verallgemeinerungen gibt, ist es sicher sehr schwer. Auch wenn man auf Grund optischer Merkmale einer Gruppe zugeordnet wird, ob man nun möchte oder nicht.
Umso wichtiger ist es wahrscheinlich, dass man als multikulturelle und/oder multireligiöse Familie reflektiert damit umgeht, denn darauf hat man Einfluss, da kann man einander stützen und wertschätzen, was außerhalb des familiären Schutzraumes vielleicht nicht immer so der Fall ist.
Spielt es in eurem Leben als Paar und eurer Beziehung denn eine große Rolle, dass ihr unterschiedliche kulturelle/religiöse Backgrounds habt oder betreffen deine Gedanken vor allem, wie Außenstehende mit euch umgehen?